Nikotinbeutel und E-Zigaretten unterlaufen gesetzliche Bestimmungen16. September 2025 Setzen sich für einen konsequenten Jugendschutz und gegen den illegalen Verkauf von Nikotinbeuteln ein (v.l.): Prof. Christian Taube, Prof. Reiner Hanewinkel und Prof. Wulf Pankow. (Fotos: © Mike Auerbach, Arian Henning, Kathleen Friedrich) Der Konsum neuer Nikotinprodukte nimmt unter Jugendlichen weiter zu. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Verkaufsverbote und Altersbeschränkungen zu einfach umgangen werden können. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordert daher stärkere Maßnahmen von der Gesundheitspolitik. Immer mehr Kinder und Jugendliche greifen zu neuen Nikotinprodukten. Neben E-Zigaretten ist vor allem der Konsum von in Deutschland verbotenen Nikotinbeuteln besorgniserregend. Jüngste Zahlen zeigen, dass bereits jeder siebte Schüler und jede zehnte Schülerin im Alter von 16 und 17 Jahren schon einmal Nikotinbeutel konsumiert hat. Der Konsum dieser Produkte ist keineswegs unbedenklich. Für Nikotinbeutel – tabakfreie, aber nikotinsalzhaltige Produkte zum oralen Konsum – sind vielfältige gesundheitliche Risiken belegt, vor allem im Hinblick auf das Herz-Kreislaufsystem und die Mundgesundheit. Unabhängige Tests zeigen jetzt erstmals, wie einfach trotz Verkaufsverbotes die Produkte in Deutschland zu beziehen sind – und dabei der Jugendschutz sowie gesetzliche Bestimmungen unterlaufen werden. „Es wird systematisch eine neue Generation von Abhängigen herangezogen und die Behörden scheinen an dieser Stelle keine Kontrolle mehr über den Jugendschutz zu haben“, warnt Prof. Christian Taube, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). „Hier sehen wir auch die Gesundheitspolitik in der Pflicht! Was nützen die Gesetze, wenn deren Einhaltung nicht durchgesetzt wird?“ Internethandel ist nicht kontrolliert genug Sieben Forscher haben auf deutschsprachigen Websites stichprobenartig Nikotinbeutel bestellt, die eigentlich in Deutschland nicht verkauft werden dürften. Jeder Bestellvorgang war erfolgreich, in keinem Fall der 16 unterschiedlichen Bestellungen gab es eine Alterskontrolle – weder bei der Online-Bestellung, noch bei der Auslieferung. „Hier zeigt sich, wie leicht Kinder und Jugendliche durch einen unkontrollierten Internethandel an die verbotenen und gesundheitsschädlichen Produkte gelangen“, erklärt Studienleiter Prof. Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord). Dabei kommen die kleinen Nikotinbeutel harmlos wirkend daher: Sie werden einfach zwischen Lippe und Zahnfleisch eingeklemmt und geben dann beständig ihren Wirkstoff ab. Doch die Forschergruppe warnt: „Es besteht gerade bei Jugendlichen eine starke Suchtgefahr. Nikotin erhöht Puls, Blutdruck und belastet Herz sowie Gefäße – es kann auch zu Mundtrockenheit, Reizungen, Entzündungen und Zahnproblemen kommen“, fährt Hanewinkel fort. Uneinheitliches Handeln der Behörden Die Forschenden haben den unerlaubten Internet-Verkauf der Nikotinbeutel bei den zuständigen städtischen Behörden für die Lebensmittelaufsicht zur Anzeige gebracht. „Im Rahmen der Anzeigen zeigte sich ein recht diverses Vorgehen der einzelnen Behörden. Die Reaktionen reichten von unmittelbaren Untersuchungen der Musterproben, Verkaufsverboten bis hin zu Vertröstungen“, schildert Hanewinkel das Vorgehen. Immerhin: Alle Verwaltungsämter reagierten, baten beispielsweise um die Zusendung der bestellten Ware oder holten sie beim Bestellenden selbst ab und sagten ein behördliches Vorgehen gegen diese Verstöße zu. Und dennoch: Auch ein halbes Jahr nach Eingang der Anzeigen gab es von der Hälfte der Behörden noch keine Rückmeldung zum Stand der Ermittlungen. Experten befürchten illegalen Nikotinbeutel-Verkauf Die Forschenden befürchten einen flächendeckenden Graubereich beim illegalen Verkauf von Nikotinbeuteln. Im Rahmen der Untersuchungen hat eine Forscherin durch Zufall einen Verkaufsautomaten unweit einer Schule in Heidelberg entdeckt. Dieser hat neben Süßigkeiten, Softdrinks und E-Zigaretten illegal auch Nikotinbeutel enthalten. Die zur Probe gezogenen Nikotinbeutel wiesen einen extrem hohen Nikotingehalt von 50 Milligramm auf – dies übertrifft den Nikotingehalt vieler anderer Nikotinprodukte deutlich. Zum Vergleich: Gewöhnliche Tabakzigaretten enthalten pro Stück acht bis 20 Milligramm Nikotin. Behörden haben den Automaten zunächst versiegelt – später wurden die Nikotinbeutel durch E-Zigaretten ersetzt. DGP-Experte und Studien-Mitautor Prof. Wulf Pankow warnt: „Bei zu hoher Dosierung oder versehentlichem Verschlucken – insbesondere bei Kindern – kann es zu akuten Vergiftungssymptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Ohnmacht kommen.“ Auch die psychischen Auswirkungen seien nicht zu unterschätzen: Nikotin kann Unruhe, Nervosität, Konzentrationsprobleme und bei Jugendlichen dauerhafte Entwicklungsbeeinträchtigungen verursachen. Jeder siebte Jugendliche greift zur E-Zigarette Neben den Nikotinbeuteln haben die Forschenden auch den Bezug von E-Zigaretten untersucht. Bei den Stichproben wurde die Alterskontrolle in fast allen Fällen eingehalten. „Aber auch hier erkennen wir Ausnahmen, die auf einen weiteren unklaren Graubereich schließen lassen“, erklärt Hanewinkel. Die Forscher sind aber besonders alarmiert: Mittlerweile sind E-Zigaretten noch vor der Tabakzigarette das beliebteste nikotinhaltige Produkt unter Heranwachsenden. Dieser Trend zur E-Zigarette wurde durch die Einführung der im Jugendalter besonders populären Einweg-E-Zigaretten noch verstärkt. Im Jahr 2024 konsumierte laut einer Studie des IFT-Nord jeder siebte Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren E-Zigaretten.
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