Ösophagus-/Magenkarzinom: Frauen sind anfälliger für Nebenwirkungen einer Chemotherapie30. Oktober 2018 Foto: © Rido/Fotolia Wenn es um einige Krebserkrankungen geht, müssen Männer und Frauen offenbar unterschiedlich therapiert werden. Das zeigt eine Analyse, die kürzlich bei der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt wurde. In dieser Untersuchung wurden gepoolte Daten aus vier randomisiert-kontrollierten Studien aus Großbritannien analysiert, die eine Erstlinien-Chemotherapie beim Ösophaguskarzinom zum Gegenstand hatten. Die Autoren stellten dabei signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten bei einer Reihe bedeutender Nebenwirkungen fest. Studienautor Dr. Michael Davidson vom Royal Marsden Hospital NHS Foundation Trust in London erklärte: „Wir wissen schon seit geraumer Zeit, dass es in der Onkologie bezüglich der Inzidenz und der Prognose vieler nicht geschlechtsspezifischer Krebserkrankungen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Wir fangen jetzt auch an, einige der komplexen zellulären, molekularen und metabolischen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern zu verstehen, die sowohl die Krebsentstehung als auch das Ansprechen auf eine Therapie beeinflussen. Die klinische Fragestellung, die wir zu beantworten versuchten, war, ob das Geschlecht Auswirkungen auf die Toxizität und die Wirksamkeit häufiger Chemotherapien hat, die bei Speiseröhren- und Magenkrebs eingesetzt werden. Es ist das erste Mal, dass geschlechtsdifferenzierte Daten für diesen Tumortyp in solch großem Maßstab zusammengetragen worden sind.“ In allen für die gepoolte Analyse ausgewählten Studien wurden Erstlinien-Chemotherapie-Regime für Patienten mit einer Krebserkrankung des Ösophagus/Magens (OG) im fortgeschrittenen Stadium beurteilt. „Bei den 4 Studien, die wir einschlossen, handelte es sich um große internationale Studien, die in Großbritannien und Australien/Asien mit vergleichbaren Patientenpopulationen und Therapien durchgeführt wurden“, erklärte Davidson. „Dieser Umstand erlaubte es uns, die Daten zusammenzutragen und zu vergleichen.“ Insgesamt wurden 1654 Patienten in die Analyse eingeschlossen: 80% Männer, 20% Frauen. Bei Frauen war der Anteil von Magenkarzinomen im Vergleich zu Kardia- und Ösophaguskarzinomen höher. „Dieses Ergebnis stimmt mit der Inzidenz und Verteilung von OG-Karzinomen in westlichen Populationen überein“, bemerkte Davidson. Ausgehend von den in allen 4 Studien beobachteten Toxizitäten ergab die Auswertung keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Hinblick auf die Gesamttoxizitätsraten. „Interessanter werden die Daten, wenn man sich die individuellen Ergebnisse für Toxizitäten anschaut“, erklärte Davidson. Tatsächlich stellte man bei Frauen signifikant höhere Raten für Übelkeit und Erbrechen fest (89,3% Frauen vs. 78,3% Männer). „Diese Tendenz wurde auch am schwerwiegenderen Ende des Spektrums bestätigt: 16,7% der weiblichen Patienten erlitten diese Nebenwirkungen mit einem Schweregrad 3 oder stärker, während es bei den männlichen Patienten nur 9,5% waren“, berichtete Davidson. Frauen neigten auch eher zu Diarrhoe (53,8% vs. 46,9% bei Männern), Ulzerationen im Mundraum (49,5% vs. 40,7%) und Haarausfall (81,4% vs. 74,3%) bezogen auf alle Schweregrade dieser Nebenwirkungen. Im Gegensatz dazu erlitten 49,3% der männlichen Patienten eine periphere Neuropathie, verglichen mit 42,6% der Patientinnen. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Behandlung und das Überleben wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. Die Ansprechrate insgesamt – die Anzahl der Patienten, bei denen unter Chemotherapie eine Verkleinerung des Tumors erreicht werden konnte – war bei Männern höher, jedoch war dieser Unterschied statistisch knapp nicht signifikant. “Die klinische Relevanz dieses Ergebnisses ist noch nicht klar. Es gibt zwar noch nicht genügend Daten, um für Männer und Frauen alternative Dosierungsstrategien für die Chemotherapie zu stützen, doch es ist hilfreich für Ärzte sich dieser Ergebnisse bewusst zu sein, um so ihre Therapien in anderer Art und Weise anzupassen. Wenn man z.B. weiß, dass Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit an gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhoe leiden, kann man Patienten individueller darüber aufklären und es ihnen so ermöglichen, über Probleme frühzeitig zu berichten, und Ärzte in die Lage versetzen unterstützende Maßnahmen proaktiver und intensiver zu beginnen.“ Prof. Michel Ducreux vom Institut Gustave Roussy (Villejuif, Frankreich) kommentierte die Ergebnisse der Studie folgendermaßen: „Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Reaktion auf die Behandlung wurden bereits in der Vergangenheit in einer ganzen Reihe von Studien beobachtet. Bis vor Kurzem allerdings konnte niemand erklären, warum es diese Unterschiede gibt. Tendenziell wurden sie als statistisches Artefakt abgetan und nicht diskutiert. In der Klinik indessen wären die in der Studie beschriebenen Trends wohl kaum wahrnehmbar gewesen. Dank der großen Anzahl von Patienten, die in die Analyse eingeschlossen wurden, konnte diese statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die Häufigkeit verschiedener Nebenwirkungen einer Chemotherapie aufzeigen. Jetzt müssen wir nicht nur die Auswirkungen diskutieren, sondern auch die zugrundeliegenden Ursachen verstehen.“ Ducreux fügte hinzu: “Für die Zukunft könnte man in Betracht ziehen, Patienten in klinischen Studien nach Geschlecht zu stratifizieren, sodass man die Wirksamkeit und Verträglichkeit beim jeweiligen Geschlecht gleich am Anfang der Wirkstoffentwicklung beurteilen kann. Wenn in weiteren Studien bestätigt wird, dass Frauen anfälliger für ein breiteres Spektrum von Nebenwirkungen sind, werden wir auch über völlig andere Präventions- und Unterstützungsstrategien für weibliche Patienten nachdenken müssen.“
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei" Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei US-Forschende haben herausgefunden, dass der Schlüssel für den Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und einer Stoffwechseldysfunktion-assoziierten steatotischen Lebererkrankung (MASLD) in einem Enzym liegt, das am Recycling unerwünschter Proteine beteiligt ist.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]