Ösophagusatresie, Herz und Lunge: Signifikant niedrigere Belastungskapazität im späteren Leben

Durch eine Ösophagusatresie früh im Leben vorbelastete Patienten zeigten in der Studie eine signifikant geringere Muskelmasse, eine niedrigere maximale Vitalkapazität und eine höhere Rate an restriktiven Ventilationsstörungen sowie eine signifikant niedrigere Belastungskapazität und eine niedrigere maximale Sauerstoffaufnahme unter Belastung. Dieser Zustand war auch mit einer geringfügigen Veränderung des Mikrobioms der Atemwege assoziiert. (Foto: © RFBSIP/stock.adobe.com)

Eine Arbeitsgruppe von der Medizinischen Universität (MedUni) Graz (Österreich) hat untersucht, wie sich bei Betroffenen mit Ösophagusatresie das Mikrobiom in den tiefen Atemwegen und die Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge von gesunden Menschen unterscheidet. Für ihre Arbeit wurden die Wissenschaftler mit dem Hugo-Kunzi-Preis ausgezeichnet.

Eine Speiseröhrenatresie entwickelt sich bereits in der frühen Schwangerschaft. Innerhalb der ersten Lebenstage des Kindes wird eine Operation zur Korrektur des Ösophagus durchgeführt. Nach komplikationslosem Verlauf kann wenige Tage nach dem Eingriff mit der oralen Ernährung begonnen werden. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Univ.-Prof. Holger Till von der MedUni Graz untersucht, welche Herausforderungen Betroffenen nach der Operation bevorstehen können. Konkret untersuchen sie das Mikrobiom der Atemwege und die Leistung von Herz und Lunge, um geeignete Behandlungskonzepte zu erarbeiten. „Es ist bekannt, dass Patient*innen, bei denen eine Ösophagusatresie oder eine tracheoösophageale Fistel behandelt wurde, ein erhöhtes Risiko für langfristige Beschwerden haben. Worüber die Medizin noch wenig weiß, ist die Rolle des Mikrobioms der Atemwege sowie die Fähigkeit der Atmung und des Blutkreislaufs, den Körper mit Sauerstoff zu versorgen“, beschreibt Till von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie der MedUni Graz, die Ausgangslage des Forschungsvorhabens.

Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge sowie Mikrobiom der Atemwege im Visier

Daher luden die Forschenden Patienten, die zwischen 1980 und 2010 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie wegen einer Ösophagusatresie behandelt wurden, zu einer prospektiven klinischen Untersuchung ein. Dies bestand aus Lungenfunktionstest und Spiroergometrie bei körperlicher Belastung, um Reaktion und Leistungsfähigkeit von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel, aber auch Lungen- beziehungsweise Atemvolumen und Luftflussgeschwindigkeiten zur Beurteilung der Lungenfunktion zu messen. Das Mikrobiom der Atemwege wurde mittels 16S-rRNA-Gensequenzierung aus tief induziertem Sputum bestimmt. 19 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren sowie 19 gesunde alters- und geschlechtsgleiche Kontrollpersonen wurden in die Studie einbezogen.

Defizite bei Lungenfunktion und körperlicher Leistungsfähigkeit

Die vorbelasteten Patienten wiesen eine signifikant geringere Muskelmasse, eine niedrigere maximale Vitalkapazität und eine höhere Rate an restriktiven Ventilationsstörungen auf. Die Spiroergometrie bei körperlicher Belastung ergab bei ihnen eine signifikant niedrigere Belastungskapazität und eine niedrigere maximale Sauerstoffaufnahme. Dieser Zustand ging auch mit einer geringfügigen Veränderung des Mikrobioms der Atemwege einher. „Diese Studie ist die erste, die Parameter von Lungenfunktion und körperlicher Leistungsfähigkeit in Kombination mit einer Analyse des Mikrobioms der Atemwege mit einem Follow-up von durchschnittlich 24 Jahren bei Speiseröhrenatresie-Patient*innen vorstellt“, beschreibt PD Dr. Georg Singer, einer der beteiligten Forscher, die Arbeit. „Für genaue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Krankheitsverlauf in der frühen Kindheit und den späteren pulmonalen Beeinträchtigungen braucht es Langzeitstudien solcher Art, um mögliche Wechselwirkungen zwischen Veränderungen des Mikrobioms der Atemwege und einer beeinträchtigten Lungenfunktion der Betroffenen aufzudecken“, so das Fazit der Forschenden.

Hugo-Kunzi-Preis der Erika-Reinhardt-Stiftung

Die Arbeit, die auch im Rahmen der Doktorarbeit von Christoph Arneitz entstanden ist, wurde im „Journal Pediatric Research“ publiziert, und das Forschungsteam wurde für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem Hugo-Kunzi-Preis der Erika-Reinhardt-Stiftung ausgezeichnet. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis fördert Forschungsvorhaben, die sich mit der Behandlung von Kindern mit Ösophagusatresie beschäftigen. Mit dem Preisgeld will das Team an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Graz eine weitere Studie mit internationaler Beteiligung finanzieren, um die Ergebnisse mit einer größeren Patientenanzahl zu bestätigen und Wege zur besseren Betreuung Betroffener zu finden.