Onkologische Erkrankungen: Leitlinie zum Fertilitätserhalt veröffentlicht23. Oktober 2025 Foto: © H_Ko/stock.adobe.com Die S2k-Leitlinie „Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen“ stellt die Möglichkeiten zum Erhalt oder der (Wieder-)Herstellung von Fertilität bei Krebserkrankten dar, informiert die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die von der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM), DeutschenGesellschaft für Urologie (DGU) und DGGG erstellte S2k-Leitlinie zum Fertilitätserhaltbei onkologischen Erkrankungen dient der Beratung und dem Einsatz von fertilitätserhaltenden Maßnahmen bei präpubertären sowie sich im reproduktiven Alter befindenden Patientinnen und Patienten. Dabei sollten stets die Lebensumstände, das jeweilige individuelle Risikoprofil und die geplante onkologische Therapie berücksichtigt werden, betont die DGGG. Darüber hinaus bietet die Handlungsempfehlung einen Überblick zu bereits etablierten fertilitätserhaltenden Techniken sowie zum Vorgehen bei bestimmten Tumorarten. Vorrangig richtet sich die Leitlinie an in der Onkologie tätige Ärzte, heißt es weiter. Auswirkungen von Therapieverfahren Die Leitlinienautoren weisen in ihren Ausführungen auf, inwiefern sich Therapieoptionen, wie die Chemotherapie, Strahlentherapie, aber auch endokrine Therapien auf die Gonadotoxizität einwirken und mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist. „Die Dauer der endokrinen Therapie beim Mammakarzinom über fünf bis zehn Jahre bedeutetfür die Patientinnen eine erhebliche Verschiebung der gewünschten Schwangerschaft ineine Lebensphase mit eingeschränkter oder erloschener ovarieller Reserve. Dieser Effektist nach derzeitigem Kenntnisstand der wichtigste fertilitätseinschränkende Einfluss einerendokrinen Therapie beim Mammakarzinom. Die Unterbrechung oder gegebenenfalls die Verschiebung einer endokrinen Therapie soll diskutiert werden, um eine frühzeitige Verwirklichung des Kinderwunsches zu ermöglichen“, erklärt Prof. Ralf Dittrich, DGGG-Leitlinienkoordinator, von der Frauenklinik Universitätsklinikum Erlangen. Hinsichtlich einer Chemo- sowie Strahlentherapie wird empfohlen, dass Betroffene überdas Risiko einer Infertilität aufgeklärt werden sollten. Eine Strahlentherapie kann laut den Leitlinienerstellenden beispielsweise zur Sterilität sowie zu erhöhten Schwangerschaftsrisiken führen. Darüber hinaus sollten Patientinnen, die Immuntherapien oder zielgerichtete Therapien erhalten, über das unklare Risiko einer Eierstockinsuffizienz und fertilitätserhaltende Maßnahmen aufgeklärt werden. Fertilitätsprotektion bei Mädchen und Frauen Der Fokus in den darauffolgenden Kapiteln liegt auf dem Erhalt der Fertilität. Im Bezug auf die Patientinnen wird hierbei auf organerhaltende Operationsverfahren, die Transposition von Ovarien sowie den Gonadenschutz bei Bestrahlung eingegangen. Darüber hinaus wird die Anwendung von GnRH-Agonisten, die Kryokonservierung, fertilitätserhaltende oder (wieder-) herstellende Maßnahmen bei Uterusbestrahlung, aber auch die Kombination fertilitätsprotektiver Methoden angesprochen. Bei der Kryokonservierung wird zwischen der Kryokonservierung von Ovarialgewebe sowie von unfertilisierten Oozyten, Vorkernstadien und Embryonen unterschieden. Letztere gelten dabei als weltweit etablierte reproduktionsmedizinische Techniken. Grundsätzlich könne den Patientinnen die Kombination von verschiedenen fertilitätserhaltenden Maßnahmen angeboten werden. Somit kann die Effektivität der fertilitätsprotektiven Vorgehen gesteigert werden. Maßgeblich ist dies laut den Autoren vor allem bei Patientinnen, die einem hohen Risiko für eine primäre Ovarialinsuffizienz ausgesetzt sein könnten. Blick auf Psychologie und Ethik „Nach Feststellung einer Krebserkrankung oder einer anderen schwerwiegenden Erkrankung steht zunächst die Auseinandersetzung mit der Diagnose im Vordergrund. Damit zusammenhängend (aber auch unabhängig davon) bedeutet dies bei den Betroffenen die Auseinandersetzung mit einer möglichen Fruchtbarkeitsstörung. Dieses kann zu Unsicherheit, Gefühlen der Bedrohung und Leere sowie des Verlustes (auch der Möglichkeit, Kinder zu zeugen) führen. Die Frage einer möglichen endgültigen Kinderlosigkeit steht im Raum“, berichtet PD Dr. Laura Lotz, DGGG-Leitlinienkoordinatorin, von der Frauenklinik Universitätsklinikum Erlangen. Die Frage nach der Fertilität ist ein Faktor, der sich bedeutend auf das psychische Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten auswirkt. Aus diesem Grund sollte stets eine psychologische Unterstützung, die mit einer Beratung bei einer Fertilitätsstörung einhergeht, in Erwägung gezogen werden, betont die DGGG. Hierbei gelte zu bedenken, dass Betroffene von Krebserkrankungen ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen haben und der Bedarf an psychologischer Unterstützung und Beratung vermehrt vorkommt. Diese sollte den betroffenen Patientinnen und Patienten sowie deren Partnern oder den Eltern von betroffenen Kindern möglichst frühzeitig angeboten werden, heißt es weiter. Aus ethischer Sicht ist die emotionale Verfassung der Patientinnen und Patienten stets zu berücksichtigen, weshalb die Betroffenen umfassend über die Möglichkeiten, Chancen und Risiken aufzuklären sind. Zu bedenken gilt hinsichtlich derartiger Gespräche stets die Selbstbestimmung bzw. Patientinnen-/Patientenautonomie, die Schadensvermeidung, Fürsorge sowie die Gerechtigkeit bzw. Fairness, führt die DGGG weiter aus. Auch Jungen und Männer im Fokus Neben dem Fertilitätserhalt bei Frauen und Mädchen wird in der S2k-Leitlinie auch auf fertilitätserhaltende Maßnahmen bei männlichen Patienten eingegangen. So stellt die Handlungsempfehlung ebenfalls Ursachen der Gonadotoxizität bzw. der reproduktiven Funktion bei Männern sowie Methoden der Fertilitätsprotektion von Jungen und Männern dar. Zu letzterem gehören die Kryokonservierung von Ejakulat und Hodengewebe, der Gonadenschutz bei Bestrahlung und experimentelle Ansätze. „Die Fertilitätsprotektion beim Mann mittels einer Ejakulatabgabe und der nachfolgenden Kryokonservierung kann recht zeitnah und zügig mit begrenztem Aufwand für die Patienten erfolgen. Vergessen wird leider oftmals, dass jugendliche Patienten hier rechtzeitig auch angesprochen werden. Die bestehende Zurückhaltung, oftmals eine Mischung aus Scham und Unwissenheit, sollte durch bessere Aufklärung durchbrochen werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass Jugendliche während der Pubertätsentwicklung bereits eine gute Samenqualität aufweisen und somit eine nachhaltige Chance für eine spätere Vaterschaft im Erwachsenenalter erhalten. Und selbst bei präpubertären Kindern können wir durch das Netzwerk Androprotect und die Entnahme von unreifem Hodengewebe eine zumindest experimentelle Chance für eine spätere Fruchtbarkeit eröffnen“, so Prof. Sabine Kliesch, DGU-LeitlinienkoordinatorinKlinik für Andrologie, vom Universitätsklinikum Münster. Weiterhin wurden sowohl für Frauen als auch für Männer ausführliche Empfehlungen zu ausgewählten Tumorentitäten abgegeben. Um den gesamten Behandlungszeitraum abzudecken, geht Autorenschaft zuletzt auch noch auf die Nachbeobachtung der Patientinnen und Patienten ein. „Die Möglichkeit zum Erhalt der Fruchtbarkeit schenkt Hoffnung und Zukunftsperspektiven in dieser für die Patientinnen und Patienten schwierigen Zeit der Diagnosestellung. Praktisch bedeutet das für den fertilitätserhalt: frühzeitig professionelle Beratung suchen, individuelle Optionen der Patientinnen und Patienten prüfen und Leitlinien-konform handeln. So bleiben die Chancen auf eine Familiengründung auch nach therapiebedingter Gonadotoxizität erhalten“, kommentiert abschließend Dr. Dunja Baston-Büst, DGRM-Leitlinienkoordinatorin, vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Hinweis der DGGG: Leitlinien sind Handlungsempfehlungen. Sie sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.
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