Patentierter Turbo für Immuntherapien gegen Krebs8. Juli 2025 Oliver Spadiut (li.) und Valentin von Werz. (Bilder: © O. Spadiut/TU Wien) Immunzellen werden immer öfter im Kampf gegen Krebs eingesetzt. Eine Wiener Forschungsgruppe hat sich neuartige Kultivierungsformen patentieren lassen, mit denen besonders angriffslustige Immunzellen deutlich schneller vermehrt werden können. Die Vision: Krebskranken rasch eine individuelle Therapie zu ermöglichen. Immer mehr Krebstherapien setzen auf die Wirkung von Immunzellen. Oliver Spadiut, Professor für Bioverfahrenstechnik an der Technischen Universität Wien, erforscht, wie solche Zellen im Labor vermehrt und biotechnologisch so verändert werden können, dass sie möglichst effektiv Krebszellen töten. Im Projekt „Digital-Twin-gestütztes Prozessdesign für NK-Zelltherapien“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, ist es Spadiut nun gelungen, neuartige Kultivierungsstrategien für bestimmte Immunzellen zu entwickeln und patentieren zu lassen. Damit lässt sich die Produktionszeit für Zelltherapien deutlich verkürzen – und womöglich auch die Wartezeit für Erkrankte. Von Wochen auf Tage verkürzt „Unsere Entdeckungen reduzieren die bisher rund vierwöchige Kultivierung auf nur acht Tage, um eine klinisch relevante Dosis zu erhalten. Im therapeutischen Einsatz ist das ein wesentlicher Fortschritt“, betont Spadiut. Die Grundidee solcher Zelltherapien ist es, Immunzellen von Patient:innen oder aus etablierten Zelllinien in einem Bioreaktor um ein Vielfaches zu vermehren und den Betroffenen anschließend zu verabreichen. Die Zellen, mit denen Spadiut und sein Team rund um Valentin von Werz arbeiten, sind Natürliche Killerzellen (NK-Zellen). Sie können Tumorzellen gezielt abtöten. NK-Zellen rücken zunehmend ins Blickfeld der Forschung, als Ergänzung zu den bereits kommerziell erhältlichen CAR-T-Zelltherapien. „Die NK-Zelle ist sogar etwas potenter als die T-Zelle und wird derzeit in fortgeschrittenen klinischen Studien untersucht“, berichtet Spadiut. Patentierter Turbo für Killerzellen „Für die Therapie muss man die NK-Zellen rasch in hoher Zahl heranzüchten und gleichzeitig sicherstellen, dass sie stark zytotoxisch – also zellabtötend – bleiben. Genau das ist die Herausforderung. Oft verliert man Wochen in der Kultivierung, und am Ende sind die Zellen nicht mehr wirksam, wenn man sie den Patient:innen verabreicht“, erklärt Spadiut. Aus dem Projekt sind bereits zwei Patentanmeldungen hervorgegangen und aktuell arbeitet die Forschungsgruppe an vier wissenschaftlichen Publikationen. Die Herausforderung bei der Kultivierung dieser speziellen Zellen ist es, dass NK-Zellen bei niedrigem pH-Wert ihre Zytotoxizität verlieren. „Was bisher niemand erkannt hatte: Nicht der pH-Wert selbst ist entscheidend, sondern das produzierte Laktat“, so Spadiut. Laktat, das Salz der Milchsäure, entsteht bei der Energiegewinnung in Zellen. „Wir haben herausgefunden, dass NK-Zellen einen Laktatgrenzwert haben – ist dieser überschritten, verlieren sie ihre Zytotoxizität. Daraufhin haben wir eine neuartige Kultivierungsstrategie entwickelt: einen Laktat-Auxostaten, der die Laktatkonzentration im Bioreaktor misst und die Kultur automatisch anpasst.“ Noch viel Potenzial für die Klinik Für die zweite Patentanmeldung untersuchten Spadiut und von Werz die Zusammenhänge zwischen Laktat und Zytotoxizität. „NK-Zellen haben viele, komplex zusammenwirkende Oberflächenmarker. Einer davon heißt FasL (Fas-Ligand). Wenn dieser an sein Gegenstück auf einer Krebszelle bindet, löst er dort gezielt den programmierten Zelltod aus“, erklärt Spadiut. Die in kontrollierten Zellkulturexperimenten erhobenen Daten wurden als digitaler Zwilling modelliert und zeigen: Überschreitet die Laktatkonzentration einen bestimmten Schwellenwert, bleibt dieser sogenannte Todesligand, der den Zelltod hervorruft, aus. Viele solide Tumoren nutzen diesen Mechanismus gezielt, indem sie sich durch eine Laktathülle schützen. „Geben wir jedoch den Todesliganden extern zu, werden die NK-Zellen plötzlich wieder aktiv“, berichtet Spadiut. Die zweite Patentanmeldung zielt daher auf die Herstellung besonders wirksamer NK-Zelllinien, die diesen Todesliganden verstärkt produzieren. „Damit könnten wir künftig hoffentlich auch solide, abgekapselte Tumoren bekämpfen – das wäre ein Novum, denn bislang sind Zelltherapien vor allem bei nicht-soliden Krebsarten, wie Blutkrebs, im Einsatz“, sagt Spadiut. Vom digitalen Modell zur realen Therapie Ziel des FWF-Projekts war es, das physiologische Netzwerk der Zellkultur in einem digitalen Zwilling abzubilden. Nun möchte Spadiut Parameter ableiten, mit denen sich die Kultivierungsbedingungen künftig individuell je nach Patient:in optimieren lassen. „Unsere Forschung an der TU Wien ist sehr anwendungsorientiert. Ich glaube, gerade weil wir keine Mediziner sind, konnten wir diese neuen Ansätze finden – weil wir die biotechnologischen Prozesse bis ins Detail verstehen wollen“, erklärt Spadiut. Seine Vision ist es, die Kultivierungsverfahren in ein skalierbares, kontrollierbares System zu überführen – und dabei zugleich neue Erkenntnisse über NK-Zellen zu gewinnen. So sollen Grundlagenforschung und klinische Anwendung künftig noch enger zusammenrücken, um das medizinische Potenzial dieser Zelltherapie voll zu erschließen.
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