PIEZO1: Für die Darmmotilität wichtiges Protein untersucht15. April 2025 Darstellung des menschlichen Darmtraktes. (Abbildung, KI-generiert: © yuliachupina/stock.adobe.com) Welcher Mechanismus steckt hinter der Peristaltik des Darms? US-Wissenschaftler zeigen in einer Untersuchung an Mäusen, dass die Darmmotilität sich mit körperlicher Aktivität, Druck und Inflammation verändert. Verantwortlich dafür ist ein drucksensibles Protein mit dem Namen PIEZO1. Den Forschenden zufolge spielt PIEZO1 eine entscheidende Rolle sowohl bei der Koordination der Darmbewegung als auch dabei, Entzündungen in dem Organ in Schach zu halten. Wenn die Ergebnisse aus dem Mausmodell am Menschen repliziert werden können, böten die Ergebnisse die Möglichkeit, gezielte Therapien zu entwickeln, mit denen sich Darmentzündungen eindämmen und Störungen der Darmmotilität – sowohl Diarrhoe als auch Obstipation – behandeln ließen. „Wir könnten PIEZO1 stimulieren, um Durchfallerkrankungen zu behandeln, oder es als neues Target bei Inflammationen des Darms in der Therapie Chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen einsetzen“, sagt Prof. Ruaidhrí Jackson, Immunologe am Blavatnik Institute an der Harvard Medical School und Co-Seniorautor der Studie. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zeigen nach Jacksons Auffassung, wie Nerven- und Immunsystem im Darm interagieren, um dessen Funktion aufrechtzuerhalten und ihn vor Entzündungen zu schützen. Jackson zufolge ergänzen die Erkenntnisse auch die Evidenz für die Interaktion der beiden Systeme in verschiedenen anderen Organen, wie im Gehirn, der Lunge und der Haut. Es ist bekannt, dass sich der Darm ohne Einfluss des zentralen Nervensystems selbstständig bewegen kann. Tatsächlich könnten sezierte Därme ohne Verbindung zu externen Nerven diese wichtige Funktion erfüllen, erklärt Jackson. Man weiß, dass enterische Neuronen mit glatten Muskelzellen interagieren, um die Peristaltik anzutreiben – doch was genau an dieser Schnittstelle passiert, wusste man bislang nicht genau. Jackson hatte bereits in der Vergangenheit die Rolle des Proteins PIEZO1 in Immunzellen untersucht, die die mechanische Kraft wahrzunehmen in der Lage sind, die bei der Atmung entsteht. In diesen älteren Untersuchungen konnte Jackson zeigen, dass das Protein bei mechanischem Druck Entzündungen in der Lunge auslösen kann. Nun fragte sich der Wissenschaftler, ob das genannte Protein auch an der Peristaltik im Darm beteiligt sein könnte. Jackson untersuchte daher gemeinsam mit Kollegen die Genaktivität in Darmneuronen von Mäusen und Menschen. Dabei stellte die Arbeitsgruppe fest, dass das Piezo1-Gen, das für die Produktion des PIEZO1-Proteins zuständig ist, in exzitatorischen Darmneuronen hochaktiv ist – jenen Neuronen, die für die Auslösung von Muskelkontraktionen im Darm verantwortlich sind, indem sie den Botenstoff Acetylcholin freisetzen, der wiederum die Nervenkommunikation fördert und Muskelbewegungen antreibt. Durch die genetische Modifikation von Mäusen – so, dass PIEZO1-produzierende Neuronen grün leuchteten – bestätigten die Forschenden, dass das Protein in diesen Zellen tatsächlich reichlich vorhanden war. PIEZO1-Protein fungiert als Drucksensor und löst Bewegung des Darms aus Um die genaue Rolle von PIEZO1 besser zu verstehen, testete das Team Darmgewebe von Mäusen unter verschiedenen Druckbedingungen. Bei normalen Mäusen zog sich der Darm bei steigendem Druck zusammen. Bei genetisch veränderten Mäusen, denen Piezo1 fehlte, kontrahierte das Gewebe jedoch nicht unter Druck. Dies bestätigte, dass PIEZO1 als Drucksensor fungiert und zur Regulierung der Darmbewegung beiträgt. Als Nächstes verwendeten die Forscher genetisch modifizierte Mäuse, deren Darmneuronen durch Licht verändert werden konnten. Als Piezo1-exprimierende Neuronen durch Licht aktiviert wurden, fiel die Peristaltik im Mäusedarm deutlich stärker aus: Die Tiere beförderten eine für den Versuch verwendete winzige Glaskugel doppelt so schnell aus ihrem Darm hinaus wie normale Mäuse. In einem weiteren Experiment deaktivierten die Forscher Piezo1-Neuronen im Darm mithilfe chemischer Substanzen. Bei diesen Mäuse verlängerte sich die Transitzeit deutlich. Zusammenfassend bestätigten die Ergebnisse, dass das Protein eine Schlüsselrolle bei der Steuerung der Darmbewegung spielt. PIEZO1 reagiert auf körperliche Aktivität und Bewegung sowie auf Entzündung Man wisse schon, dass Bewegung den Stuhlgang beschleunigt, erklärt Jackson. Da Bewegung den Druck auf den Darm durch Erschütterungen und Kontakt mit anderen Organen erhöhen kann, untersuchten die Forscher anschließend, wie sich der Verlust von Piezo1 auf die Darmmotilität von Mäusen auswirken könnte. Wie erwartet erhöhte das Laufen auf einem Laufband den Stuhltransport durch den Darm bei Mäusen mit funktionellen Piezo1-Genen. Diese Mäuse schieden bereits nach zehn Minuten Bewegung Stuhl aus. Mäuse mit ausgeschaltetem Piezo1-Gen zeigten jedoch keine erhöhte Darmmotilität. Dies deutet darauf hin, dass das Gen den erhöhten Darmdruck durch körperliche Betätigung wahrnimmt. Auch bei Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist die Darmmotilität aufgrund der Entzündung erhöht. Um die Rolle von Piezo1 bei diesen Erkrankungen zu untersuchen, entwickelten die Wissenschaftler CED-Mausmodelle. Bei der Auswertung dieser stellten sie fest, dass CED-Mäuse mit intaktem Piezo1 im Vergleich zu Tieren mit inaktiviertem Piezo1 eine beschleunigte Defäkation. Überraschenderweise war die verlangsamte Darmmotilität nicht die einzige Nebenwirkung des Piezo1-Verlusts – die Abschaltung des Gens verstärkte auch die CED-Symptome. Im Vergleich zu Mäusen mit intaktem Piezo1-Gen verloren Tiere ohne funktionierendes Piezo1 mehr Körpergewicht und allmählich auch an schützender Darmschleimhaut. Die Verstärkung der Entzündung bei diesen Mäusen schien auf den Verlust des natürlich vorkommenden autoinflammatorischen Botenstoffs Acetylcholin zurückzuführen zu sein, der für die Nervensignale und die Bewegung der glatten Muskulatur verantwortlich ist. Acetylcholin stimuliere nicht nur die Aktivität der glatten Muskulatur, erklärt Jackson, sondern wirke auch entzündungshemmend. Er vermutete daher, dass die durch CED verursachte Entzündung Piezo1 dazu anregen könnte, enterische Neuronen zur Produktion von überschüssigem Acetylcholin anzuregen, um die Entzündung einzudämmen – was wiederum die für diese Erkrankung charakteristische erhöhte Darmmotilität verursacht. Dies könnte auch erklären, warum Entzündungen des Kolons zu Durchfall und übermäßigem Stuhlgang neigen, fügten die Forscher hinzu. Möglichkeiten zur Modulation der Piezo1-Aktivität könnten letztendlich zur Bekämpfung von CED-Entzündungen eingesetzt werden, meint Jackson. Dieser Ansatz würde Piezo1 in Darmneuronen gezielt angreifen, um Acetylcholin freizusetzen. Nach Ansicht des Forschers würde diese Strategie sich deutlich von der Wirkungsweise der meisten CED-Medikamente unterscheiden, die auf der Unterdrückung wichtiger Entzündungsproteine beruhen, die Patienten anfällig für Infektionen machen können. Jackson und Kollegen planen, in zukünftigen Arbeiten die Gestaltung solcher Therapien zu erforschen.
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