Präeklampsie-Risiko: Alte virale DNA könnte Hinweise liefern

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Wie kann man Mütter mit Risiko für Präeklampsie früher erkennen? Alte virale DNA könnte ein Hinweis sein. Sie steuert ein Gen, das an der Entwicklung der Plazenta beteiligt ist, berichten Forscher des Max Delbrück Center und der University of Bath (Vereinigtes Königreich).

Das internationale Forscherteam hat herausgefunden, wie einige alte virale DNA-Fragmente das heutige Leben beeinflussen: vor allem indem sie Gene regulieren, die die normale Entwicklung und Funktion der Plazenta steuern. Ein bestimmtes Gen, EPS8L1, löst zudem, wenn es überaktiv wird, wichtige Merkmale der Präeklampsie aus, einer potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung in der Schwangerschaft, berichten sie. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Genome Biology“ veröffentlicht worden.

„Die Erkenntnisse verbinden einen tiefgreifenden Evolutionsprozess mit einem sehr modernen klinischen Problem und weisen auf einen potenziellen Biomarker hin, mit dem das Risiko einer Präeklampsie erkannt werden kann, bevor Symptome auftreten“, berichtet Letztautorin Prof. Zsuzsanna Izsvák, die Leiterin der Arbeitsgruppe „Mobile DNA“ am Max Delbrück Center in Berlin.

KI liest in der DNA

Mithilfe von „A100 Beast“, ein von Dr. Amit Pande aus Izsváks Team entwickelten Deep-Learning-Modell, klassifizierten die Forschenden DNA-Sequenzen, die die Genexpression verschiedener Spezies regulieren. „Wir haben der KI beigebracht, die DNA wie eine Sprache zu lesen“, erläutert Pande und fügt hinzu: „Sie hat zuvor übersehene Enhancer-Regionen, viele davon viralen Ursprungs, vorhergesagt und uns damit erste Hinweise geliefert.“ Im Erbgut von Plazenta-Zellen hat „A100 Beast“ eine Gruppe hochaktiver ERV3-MLT1-Enhancer identifiziert.

Dazu mussten die Forschenden Plazentagewebe sowohl von gesunden Schwangeren als auch von Frauen mit Präeklampsie analysieren. Sie fanden 87 Enhancer, die in der Plazenta aktiv sind. Diese Genabschnitte tragen dazu bei, die Aktivität von neun Genen zu steigern, die bei Präeklampsie häufig dysreguliert sind, erklären die Autoren. „Wir waren überrascht“, sagt Dr. Manvendra Singh aus Izsváks Team, einer der Erstautorinnen. Inzwischen leitet er seine eigene Arbeitsgruppe am Pariser Forschungsinstitut Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale. „Denn wir haben DNA aus Dutzenden von Virusfamilien in unserem Genom. Aber es war nur eine bestimmte Familie, ERV3-MLT1, die mit Präeklampsie in Verbindung stand“, fügt sie hinzu.

Von den häufig dysregulierten Genen stieß insbesondere das Gen EPS8L1, das bisher kaum untersucht worden war, auf das Interesse von Dr. Rabia Anwar aus Izsváks Arbeitsgruppe – einer weiteren Erstautorin der Studie. Das Gen wird in den Trophoblasten exprimiert – den Zellen, die in den ersten Tagen der Schwangerschaft die äußere Schicht der Blastozyste bilden und später zur Plazenta werden, erklären die Autoren. In Experimenten mit Plazenta-Zellkulturen konnte das Team zeigen, dass die Zellen bei einer Überexpression von EPS8L1 Anzeichen einer Präeklampsie aufweisen – zum Beispiel die Trophoblasten sich weniger gut einnisten, eine veränderte Blutgefäßbildung sowie oxidativer Stress und Gewebeschäden. Eine vollständige Ausschaltung des Gens führte allerdings zum Tod der Zellen – was darauf hindeutet, dass es für eine normale Funktion der Plazenta erforderlich ist, so die Wissenschaftler.

Potenzieller Biomarker

Darüber hinaus stellte das Team fest, dass eine sekretorische Form des EPS8L1-Proteins im mütterlichen Blut nachgewiesen werden konnte, wo seine Konzentration mit etablierten Biomarkern für die Präeklampsie korrelierte. Möglicherweise könnte es also in Blutscreening-Panels für früh auftretende Präeklampsie eingesetzt werden, lange bevor gefährliche Symptome auftreten, sagen die Autoren.

Bemerkenswert ist zudem, dass das EPS8L1-Gen in sämtlichen Kohorten, die Gewebeproben zur Verfügung gestellt hatten, hochreguliert war. „Das ist spannend, denn man möchte ja, dass ein Biomarker in einer Vielzahl von ethnischen Gruppen vorhanden ist, damit er so nützlich wie möglich ist“, so Anwar. „Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass das Gen nicht mit anderen Schwangerschaftskomplikationen assoziiert ist – was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass es speziell bei Präeklampsie sehr gut funktionieren könnte.“

Größere klinische Studie erforderlich

Um zu bestätigen, dass das EPS8L1-Protein als Biomarker zum Nachweis eines erhöhten Präeklampsie-Risikos im ersten Schwangerschaftstrimester verwendet werden kann, sei eine größere klinische Studie erforderlich, betonen die Wissenschaftler.

Über ihre medizinische Relevanz hinaus zeige die aktuelle Studie, wie uralte Viren die menschliche Biologie weiterhin prägen. Bereits vor mehr als 100 Millionen kamen Primaten mit der viralen DANN in Berührung, die im Mittelpunkt der Publikation steht. Das war noch bevor sie sich im Stammbaum von den Nagetieren abspalteten – was die Forschung bestätigen kann, da sie in einem gemeinsamen Säugetiervorfahren vorhanden ist, den Primaten mit Nagetieren teilen. „Das erinnert uns daran, dass wir noch viel über unser Genom lernen können und dass uralte Infektionen beeinflussen können, wer wir heute sind“, sagt der Evolutionsgenetiker und Co-Autor Prof. Laurence Hurst von der University of Bath.

Das Deep-Learning-Tool „A100 Beast“ ist auf der Plattform Hugging Face Spaces frei verfügbar und ermöglicht es anderen Wissenschaftlern, virale und nicht-virale Enhancer über verschiedene Arten hinweg zu erforschen, informieren die Autoren.