Probiotika fördern die Reifung der Darmmikrobiota bei Frühgeborenen6. August 2024 Die ersten Ergebnisse der PRIMAL-Studie wurden im August 2024 in JAMA Pediatrics veröffentlicht: Bifidobakterien und Lactobazillen fördern die Reifung der Darmflora bei Frühgeborenen. (Foto: © Daniel Peter/UKW) In der multizentrischen klinischen Studie PRIMAL haben Wissenschaftler den Einfluss von Probiotika auf die Darmflora von Frühgeborenen untersucht und nun erste Ergebnisse veröffentlicht. Den Forschenden zufolge konnten Bifidobakterien und Lactobazillen die Besiedlung mit multiresistenten Bakterien in den ersten 30 Lebenstagen nicht verhindern, förderten jedoch die Reifung des Mikrobioms. PRIMAL ist der Name des Konsortiums, das sich anlässlich der Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Gesund – ein Leben lang“ im Jahr 2016 gebildet hat. Die Abkürzung steht für PRiming IMmunity At the beginning of LIFE – Prägung der Immunität am Anfang des Lebens. Im Mittelpunkt des deutschlandweiten Netzwerks von Expertinnen und Experten aus der Kinder- und Jugendmedizin und den Naturwissenschaften steht der Darm. Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota zu Beginn des Lebens ist von entscheidender Bedeutung für die Prägung des Immunsystems und damit für die lebenslange Gesundheit.Frühgeborene sind besonders anfällig für Störungen der Darmbesiedlung und damit möglicherweise auch für spätere Erkrankungen wie Asthma, Autoimmunerkrankungen, metabolische Störungen oder Übergewicht. Prof. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und Leiter der klinischen PRIMAL-Studie, hat jetzt mit seinem multizentrischen Team in „JAMA Pediatrics“ erste Ergebnisse der Untersuchung zur Wirksamkeit von Probiotika zur Vermeidung einer ungünstigen Darmbesiedlung bei Frühgeborenen veröffentlicht. Gesundes und vielfältiges Mikrobiom unterstützt die Reifung des Immunsystems „Der Goldstandard für die Entwicklung des Immunsystems ist für uns das reife, gestillte, Antibiotika unbehandelte Neugeborene, das nie vom elterlichen Kontakt getrennt war und bestenfalls mit Geschwistern aufwächst“, erklärt Härtel, der die Studie in Lübeck begonnen hat, wo er bis 2020 als Spezialist für Neugeborenen- und Intensivmedizin und Leiter des Bereiches Pädiatrische Infektiologie, Immunologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein tätig war. Frühgeborene sind am Anfang des Lebens einer nichtphysiologischen Umwelt ausgesetzt. Somit fehlt ihnen die Möglichkeit, sich so vielfältig zu besiedeln wie reifgeborene Kinder. Durch die Umgebung der Intensivstation und den häufigen Einsatz von Antibiotika bei Frühgeborenen aufgrund deren Infektanfälligkeit wird das Gleichgewicht der Mikroorganismen oft gestört. Es kommt zur Besiedelung mit antibiotikaresistenten Keimen, welche die Reifung des Immunsystems und die Ausbildung einer effektiven Immunantwort negativ beeinflussen können. Frühgeborene erhielten 28 Tage lang Bifidobakterien und Lactobazillen Um dies zu kompensieren, gaben die Forschenden Kindern Probiotika in die Muttermilch, Spendermilch oder die künstliche Frühgeborenennahrung. Die effektivsten, die natürlicherweise im Mikrobiom reifer, gesunder Neugeborener vorkommen, sind Bifidobakterien und Lactobazillen. In insgesamt 18 Perinatalzentren wurden 643 Kinder, die zwischen der 28. und 33. Schwangerschaftswoche geboren wurden, nach Geschlecht und Gestationsalter gleichverteilt in die randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie eingeschlossen. Die Behandlung begann innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt und dauerte 28 Tage. Am 30. Lebenstag wurde das Mikrobiom der Kinder untersucht. Probiotika modulieren Mikrobiom in Richtung Eubiose Die Probiotika konnten die Besiedlung mit multiresistenten Bakterien nicht verhindern: -Sowohl in der Studien- als auch in der Kontrollgruppe waren 37 Prozent der Kinder mit MDRO+-Bakterien besiedelt (MDRO: Multidrug-Resistant Organism). Das Studienteam konnte jedoch beobachten, dass das Mikrobiom bei Kindern, die Probiotika erhalten hatten, rascher reifte. Durch die Gabe von Probiotika war ihr Mikrobiom fast so gut ausgereift wie das von Kindern, die termingerecht geboren wurden. Die raschere Reifung des Frühgeborenen-Mikrobioms durch Probiotika im ersten Lebensmonat sei schon mal ein hoffnungsvolles Zwischenergebnis, sagt Härtel.Erste Kinder aus der Studie kommen nun in die Schule, und die Forschenden stellen sich die Frage, ob es einen Zusammenhang mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gibt. Daher müssen nun die Daten nach dem ersten und zweiten Lebensjahr ausgewertet und weitere Langzeituntersuchungen geplant werden, um neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Konsequenzen die frühe Probiotikabehandlung für die kindliche Gesundheit hat. Vermutet wird eine Assoziation zwischen gestörter Darmmikrobiota und Autismus, ADHS, Asthma und Adipositas. PRIMAL-Konsortium mit mehreren Projekten Neben der klinischen PRIMAL-Studie gibt es innerhalb des Konsortiums weitere Projekte aus der Grundlagenforschung und der translationalen Pädiatrie zur Erforschung der Immun-Mikrobiom-Interaktion. Prof. Philipp Henneke vom Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) am Universitätsklinikum Freiburg leitet neben der Koordination des PRIMAL-Konsortiums das Projekt Immunmetabolismus. Prof. Stephan Gehring von der Universitätsmedizin Mainz ist zusammen mit Prof. Peer Bork vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg für das Projekt der Mikrobiomanalyse verantwortlich. Prof. Michael Zemlin vom Universitätsklinikum des Saarlandes beschäftigt sich in PRIMAL mit Impfantworten nach früher Probiotikatherapie. Prof. Christian Gille vom Universitätsklinikum Heidelberg untersucht mit seinem Team die Rolle von myeloischen Suppressorzellen (MDSC) und Granulozyten. Prof. Dorothee Viemann, Leiterin des Bereichs Translationale Pädiatrie am UKW, analysiert in PRIMAL systematisch die Immunzellprofile der Studienteilnehmenden als wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis der frühkindlichen Mikrobiom-Immun-Interaktion. Gemeinsam mit Dorothee Viemann, Henner Morbach und vielen Kooperationspartnerinnen und -partnern aus den benachbarten Kliniken, Institutionen und Grundlagenwissenschaften wie zum Beispiel der Systemimmunologie möchte Christoph Härtel den Würzburger Forschungsschwerpunkt für die Immunentwicklung im Kindesalter weiter ausbauen.
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