Return-to-play nach Muskelverletzung: Orthopäden und Unfallchirurgen warnen vor zu früher Belastung

Sprachen über Prävention und Therapie von Sportverletzungen: Christian Schoepp, Raymond Best, Tim Meyer, Gerd Rauch und Johannes Flechtenmacher, moderiert von Anne-Katrin Döbler. Foto: Biermann Medizin, hr

Muskelverletzungen gehören zu den häufigsten Sportverletzungen überhaupt. Neue Behandlungskonzepte versprechen eine immer schnellere, vollständige Heilung. Ob sie diese Versprechen wirklich halten, ist bisher noch nicht ausreichend durch Studien belegt, betonten Orthopäden und Unfallchirurgen auf dem DKOU in Berlin und warnten vor einem zu frühen Wiedereinstieg ins Training. 

Vor allem für viel trainierende Athleten und Profisportler sind Muskelverletzungen mitunter fatal: Je nach Ausmaß der Verletzung müssen sie ihr Training eine Weile aussetzen oder zumindest reduzieren. 98 Prozent der Fälle machen Zerrungen oder leichte Muskelfaserrisse aus, mit denen der Patient schon nach wenigen Tagen oder Wochen wieder moderat ins Training einsteigen kann. „Nichtsdestotrotz zählt im Profisport jeder Tag und die meisten Athleten und ihre Trainer wünschen sich eine genaue Prognose, wann der Sportler wieder einsatzbereit ist – am liebsten auf den Tag genau“, sagte Dr. Raymond Best, Mannschaftsarzt beim VfB Stuttgart vor Pressevertretern.

Dementsprechend gibt es immer wieder neue Therapiekonzepte, die Patienten eine noch schnellere Heilung versprechen. „Ob diese Behandlungsansätze wirklich zu einer schnelleren Heilung führen, ist bisher aber nicht durch Studien belegt“, erklärte Best, der die Abteilung Sportorthopädie/Sporttraumatologie der unteren Extremität an der Sportklinik Stuttgart leitet.”Wir können die Natur am Ende des Tages nicht einholen”, betonte Best. “Wer die Struktur zu früh belastet, wird damit scheitern.” Die Sportler müssten aber versuchen, die Empfehlungen umzusetzen und abzuwarten.

Experten diskutieren außerdem, ob eine hochauflösende Bildgebung, wie etwa die Kernspintomografie das Ausmaß der Verletzung besser bestimmen könne und so eine genauere Prognose über den Krankheitsverlauf ermöglicht. „Die Heilungszeit ist aber nicht nur von der Größe der Verletzung abhängig; es kommt auch darauf an, wie sehr die Funktion des Muskels geschädigt ist“, so Best. Die Dauer des Verletzungsausfalls könne deshalb auch mit einem Bild nicht immer zweifelsfrei bestimmt werden. Es komme auf die Einschätzung des Experten an, deren Grundlage eine sorgfältige Anamnese sowie eine gründliche körperliche und klinische Untersuchung sei, so Best weiter. Ein Ultraschall kann helfen, die Verletzung besser einzuschätzen.

Bei der Rehabilitation rieten die Experten dazu, nicht wieder im vollen Umfang ins Training einzusteigen, sondern die Belastung schrittweise zu erhöhen. In diesem Zusammenhang begrüßte Best bei Muskelverletzungen den Trend “von der Zeit- hin zur Funktionsachse”. Rehabilitation sei zunehmend funktiosbasiert, dabei helfen Erfahrungswerte, ab wann die Struktur hält, so Best weiter. Er betonte aber auch die Bedeutung von Präventionsprogrammen im Breiten- wie im Spitzensport, um Verletzungen zu vermeiden. Der Präventionsgedanke müsse “in den Köpfen ankommen” und das vorhande Wissen genutzt werden.