Risiko angeborener Herzfehler steigt durch assistierte Reproduktion

Baby beim Kinderarzt. (Foto: © Bernd Libbach – stock.adobe.com)

Neugeborene, die mit assistierten Reproduktionstechniken gezeugt wurden, zeigen im Vergleich zu der Gruppe natürlich gezeugter Neugeborener eine erhöhte Rate angeborener Herzfehler. Das geht aus einer in groß angelegte Studie in Skandinavien hervor, die im Fachblatt „European Heart Journal“ erschienen ist.

Assistierte Reproduktionstechniken (ART) umfassen eine Reihe medizinischer Verfahren, bei denen Eizellen und Spermien außerhalb des Körpers manipuliert werden. ART wird häufig als künstliche Befruchtung übersetzt, bei Verwendung des Begriffes „assistierte Reproduktionstechniken“ ist die intrauterine Insemination als Methode jedoch explizit nicht eingeschlossen.

Die Forschenden untersuchten insgesamt mehr als sieben Millionen Befunde aller lebend geborener Kinder in Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen zwischen 1984 und 2015, wobei der exakte Untersuchungszeitraum von jeweils 20 bis 30 Jahren länderspezifisch war. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass angeborene Herzfehler in der Gruppe von ART-Neugeborenen mit 1,85 Prozent häufiger vorkamen als bei natürlich gezeugten Neugeborenen, bei denen ein angeborener Herzfehler nur in 1,15 Prozent der Fälle vorlag.

Zudem belegt die Studie, dass das Risiko eines angeborenen Herzfehlers bei Mehrlingen größer ist als bei Einlingen, sowohl bei Einsatz von ART als auch ohne. Allerdings blieb das Ergebnis, dass angeborene Herzfehler bei ART-Neugeborenen häufiger auftreten, auch beim Vergleich der Einlinge aus beiden Gruppen signifikant – mit 1,62 Prozent im Vergleich zu 1,11 Prozent.

„Die skandinavische Arbeitsgruppe bestätigt an einem großen und robusten Datensatz bereits lange bekannte Erkenntnisse: Kinder, die durch assistierte Reproduktionstechnologien gezeugt wurden, zeigen erhöhte Raten von Fehlbildungen. Die absoluten Risikosteigerungen sind jedoch gering und können nicht überzeugend kausal auf den Einsatz der ART-Technologien zurückgeführt werden“, kommentierte Prof. Georg Griesinger, Ärztlicher Leiter der universitären Kinderwunschzentren Lübeck und Manhagen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, die Studienergebnisse.

Prof. Michael von Wolff, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Universitätsspital Bern, Schweiz, vermutet als Ursache für die beobachtete Korrelation epigenetische Modifikationen bei der ART-Therapie, insbesondere der Fertilisierung in vitro und der Embryokultur. „Das erhöhte Risiko bei Zwillingen ist auch nicht wirklich erklärbar. Hier ist eine Vielzahl möglicher Ursachen denkbar, die aber alle rein hypothetischer Natur sind“, stellte von Wolff klar.

Direkte Implikationen aus den Studienergebnissen für die Reproduktionsmedizin sieht Prof. Barbara Sonntag, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Facharztzentrum für Kinderwunsch, pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie in Hamburg, nicht. „Eine erhöhte kindliche Fehlbildungsrate ist bereits Teil der Aufklärung vor einer assistierten Reproduktion. Da die weit überwiegende Mehrzahl der Kinder nach assistierter Reproduktion gleichermaßen wie nach einer spontanen Empfängnis gesund geboren werden, gilt es auf eine vorausgegangene assistierte Reproduktion als möglichen Risikofaktor in der Schwangerschaft hinzuweisen und damit das Angebot vorgeburtlicher Untersuchungen mit dem Ziel einer verbesserten Versorgung unmittelbar zur Geburt zu ermöglichen.“

Für die Reproduktionsmedizin und die in Deutschland bestehenden regulatorischen Strukturen seien die Daten aber ein starker zusätzlicher Appell,  Mehrlingsschwangerschaften durch eine überwiegende Strategie des Single-Embryo-Transfers zu vermeiden, erklärte die Medizinerin.