SARS-CoV-2 erhöht das Risiko für andere Infektionen, indem es die normale Zusammensetzung des Darmmikrobioms stört

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Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann die Anzahl der Bakterienarten im Darm von Patienten verringern, wobei diese geringere Vielfalt schädlicher Mikroben Raum zum Gedeihen bietet. Das geht aus den Ergebnissen einer neuen Studie hervor.

Die Untersuchung baut auf der Erkenntnis auf, dass der weit verbreitete Einsatz von Antibiotika zur Bekämpfung von Infektionen mit krankheitsverursachenden Bakterien in den vergangenen Jahrzehnten durch das Abtöten von Arten, die am anfälligsten für verfügbare Medikamente sind, dazu geführt hat, dass mehr Arten vorhanden sind, die sich gegen Antibiotika als resistent erweisen. Darüber hinaus wurden Störungen des Gleichgewichts von Darmbakterien mit schwereren COVID-19-Verläufen in Verbindung gebracht.

Bisher allerdings war noch unklar, war zuerst kommt: die SARS-CoV-2-Infektion, die das Darmmikrobiom stört, oder ein bereits geschwächter Darm, der den Körper anfälliger für das Virus macht. Die Ergebnisse der neuen Studie scheinen darauf hinzudeuten, dass die erstgenannte Erklärung zutrifft. Sie ergab auch, dass antibiotikaresistente Arten in den Blutkreislauf gelangen können, wodurch Patienten einem höheren Risiko für lebensbedrohliche Sekundärinfektionen ausgesetzt sind.

Unter der Leitung von Forschenden der New York University (NYU) Grossman School of Medicine (USA) umfasste die Untersuchung 96 Männer und Frauen, die im Jahr 2020 in New York City und in New Haven mit COVID-19 in ein Krankenhaus eingeliefert wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass die Mehrheit dieser Patienten eine geringe Diversität des Darmmikrobioms aufwies, wobei ein Viertel von einer einzigen Bakterienart dominiert wurde. Gleichzeitig nahmen die Populationen mehrerer solcher Mikroben zu, von denen man weiß, dass sie antibiotikaresistente Arten enthalten, was möglicherweise auf den weit verbreiteten Einsatz von Antibiotika zu Beginn der Pandemie zurückzuführen ist.

Die Wissenschaftler beobachteten auch, dass diese im Darm gefundenen antibiotikaresistenten Bakterien bei 20 Prozent der Patienten in den Blutkreislauf gewandert waren. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, um herauszufinden, warum diese Personengruppe einem höheren Risiko für eine Sekundärinfektion ausgesetzt war, während andere geschützt blieben.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Coronavirus-Infektion das gesunde Gleichgewicht der Mikroben im Darm direkt stört und die Patienten dabei weiter gefährdet“, erklärt der Mikrobiologe Dr. Ken Cadwell, einer der Seniorautoren der Arbeit. „Jetzt, da wir die Quelle dieses bakteriellen Ungleichgewichts aufgedeckt haben, können Ärzte diejenigen Coronavirus-Patienten besser identifizieren, die am stärksten von einer sekundären Blutstrominfektion bedroht sind“, ergänzt der Wissenschaftler.

Laut Cadwell ist diese Untersuchung die erste, die zeigt, dass die SARS-CoV-2-Infektion allein und nicht der anfängliche Einsatz von Antibiotika zur Behandlung der Krankheit – wie andere Experten angenommen hatten – das Darmmikrobiom schädigt. Er fügt hinzu, dass die neue Studie auch den ersten Beweis dafür liefert, dass dieselben Bakterien im Darm auch in den Blutkreislauf von Patienten gelangen und gefährliche Infektionen verursachen.

Für die Untersuchung infizierten die Forscher zunächst Dutzende von Mäusen mit dem Coronavirus und analysierten die Zusammensetzung von Bakterienarten im Kot der Tiere. Dieser Schritt ermöglichte es ihnen, herauszufinden, ob das Coronavirus das Mikrobiom unabhängig von einem Krankenhausaufenthalt und einer Therapie unmittelbar stören kann.

Als nächstes sammelten die Forschenden Stuhl- und Blutproben von COVID-19-Patienten an den Krankenhäusern NYU Langone Health und der Yale University, um die Zusammensetzung der Darmmikroben und das Vorhandensein einer Sekundärinfektion zu beurteilen. Wenn eine Bakteriengruppe die Mehrheit der im Darm lebenden Bakterien ausmachte, galt sie als dominant.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie das Darmmikrobiom und verschiedene Teile des körpereigenen Immunsystems eng miteinander verbunden sind“, sagt Studienleiter Dr. Jonas Schluter, Assistenzprofessor in der Abteilung für Mikrobiologie der NYU Langone und Mitglied des dortigen Institutes für Systemgenetik. „Eine Infektion bei dem einen kann zu großen Störungen bei dem anderen führen.“ Schluter warnt davor, dass die Untersuchung nicht alle Faktoren vollständig berücksichtigen konnte, die möglicherweise zur Störung ihres Mikrobioms beigetragen und Erkrankung verschlimmert haben, da die Patienten verschiedene Arten von Behandlungen erhielten.

Laut Schluter plant das Studienteam als nächstes zu untersuchen, warum bestimmte mikrobielle Arten während COVID-19 mit größerer Wahrscheinlichkeit aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen. Die Forschenden beabsichtigen auch zu untersuchen, wie verschiedene Mikroben miteinander interagieren, was zu dieser Migration in den Blutkreislauf beitragen könnte.