Schönheitsideale in sozialen Netzwerken: Mädchen stehen stärker unter Druck als Jungen

Fitness- und Beauty-Content in den sozialen Medien kann den Selbstwert junger Nutzer beeinflussen. (Foto: © Roquillo – stock.adobe.com)

Eine Schweizer Studie zum Medienumgang von Jugendlichen (JAMES) zeigt: Wenn es um ihr Körperbild geht, verspüren Mädchen in den sozialen Netzwerken stärkeren als Jungen. Gleichzeitig steigt der Selbstwert im Verlauf der Jugendjahre an.

Das Körperbild von Jugendlichen wird neben Familie und Altersgenossen auch von digitalen Medien beeinflusst. Dies zeigt der neue JAMESfocus-Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom. Die Befragung von mehr als 1100 Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren zum Thema ‚Soziale Netzwerke und Schönheitsideale‘ macht deutlich: Jugendliche, die stark dem Wunsch nacheifern, dünn zu sein, haben ein signifikant niedrigeres Selbstwertgefühl. Und je stärker sich Jugendliche durch Inhalte auf sozialen Netzwerken unter Druck gesetzt fühlen, ihr Aussehen zu verändern, desto geringer ist ihr Selbstwert.

Mädchen internalisieren Schlankheitsideal deutlich stärker

Dabei gibt es geschlechterspezifische Unterschiede: Mädchen haben Schlankheitsideale wesentlich stärker verinnerlicht als Jungen. Bei Jungen spielen muskulöse Idealbilder eine etwas größere Rolle, wobei dieser Unterschied deutlich weniger ausgeprägt ist als bei den Schlankheitsidealen der Mädchen. Während die Forschenden keinen Zusammenhang zwischen der Verinnerlichung muskulöser Idealbilder und dem Selbstwert fanden, zeigte sich ein klar negativer Zusammenhang mit der Verinnerlichung von Schlankheitsidealen. „Je stärker vorherrschende Schlankheitsideale verinnerlicht sind, umso niedriger ist der Selbstwert von Jugendlichen“, erklärt Jael Bernath, ZHAW-Medienpsychologin und Mitautorin der Studie. Weiter sagt sie: „Möglicherweise stellen muskulöse Idealbilder für den Selbstwert eine geringere Bedrohung dar, da sie zu sportlicher Aktivität motivieren können, die möglicherweise wiederum das Wohlbefinden stärkt.“

Mit dem Alter steigt der Druck – aber auch der Selbstwert

Inhalte auf den sozialen Netzwerken können Jugendliche in Bezug auf ihr eigenes Aussehen unter Druck setzen. Hier zeigt sich: Mädchen empfinden einen erheblich stärkeren Druck durch soziale Netzwerke, bestimmten Schönheitsidealen zu entsprechen. Dies ist möglicherweise auf die ihnen ausgespielten Inhalte zurückzuführen, welche je nach Nutzungsverhalten und algorithmischen Vorschlägen starken Fokus auf Äußerlichkeiten legen können. ä´

Auch altersspezifisch gibt es Unterschiede: 16- bis 19-Jährige fühlen sich durch soziale Netzwerke stärker unter Druck gesetzt als Zwölf- bis 13-Jährige. Dies könnte mit der intensiveren Nutzung sozialer Netzwerke zusammenhängen – 95 Prozent der 16- bis 19-Jährigen nutzen täglich oder mehrmals täglich soziale Medien, bei den Zwölf- bis 13-Jährigen sind es 82 Prozent. Mit einem stärker wahrgenommenen Druck durch soziale Netzwerke geht auch ein niedrigerer Selbstwert einher. „Idealisierte Inhalte innerhalb sozialer Netzwerke können sich negativ auf das eigene Körperbild und somit auf den Selbstwert auswirken“, erklärt Svenja Deda-Bröchin, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass der Selbstwert mit verschiedenen weiteren Faktoren zusammenhängt. So spielt unter anderem das Alter eine wichtige Rolle. Im Verlauf der Jugendjahre steigt der Selbstwert kontinuierlich an, was möglicherweise auf die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben zurückzuführen ist.

Frühe Prävention ist wichtig

„Bilder und Videos in sozialen Medien sind oftmals inszeniert und stark bearbeitet. Sie transportieren unrealistische Ideale“, betont Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom. Die Befunde der Studie zeigten die Wichtigkeit, so In Albon, Kinder und Jugendliche bei einem kritischen Umgang mit gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu unterstützen und diese gemeinsam zu hinterfragen.

Da Schlankheitsideale bereits früh verinnerlicht werden, sollten Präventionsmaßnahmen nicht erst im Jugendalter ansetzen, empfehlen die Forschenden. „Sprechen Sie bereits mit Kindern im Primarschulalter über Sorgen und Druck bezüglich ihres Aussehens, wenn Sie solche wahrnehmen“, rät In Albon.

Doch Schönheitsideale werden nicht nur medial vermittelt, sondern ebenso durch Erlebnisse in Peergruppen und im familiären Umfeld. Erwachsene Bezugspersonen fungieren daher als wichtige Vorbilder. Gregor Waller, ZHAW-Forscher und Co-Studienleiter meint: „Ein wohlwollender Umgang mit dem eigenen Körper und eine respektvolle Haltung gegenüber dem äußeren Erscheinungsbild von anderen können Jugendliche in der Entwicklung eines gesunden Körperbildes unterstützen.“