Schwanger mit Chronisch-entzündlicher Darmerkrankung: Konferenz hat erste globale Leitlinien erarbeitet2. September 2025 Foto: © fdp/stock.adobe.com Für Patientinnen, die an Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CEDs) leiden, kann eine Schwangerschaft große Unsicherheit auch in Bezug auf die eigene Erkrankung mit sich bringen. Immer steht die Frage im Raum, ob und wie sich die CED-Medikamente auf den Schwangerschaftsverlauf und das ungeborene Kind auswirken. Da Schwangere von der Teilnahme an klinischen Studien zu experimentellen Therapien ausgeschlossen sind, liegen dazu nur begrenzt Daten vor. Sicherheit in der Versorgung schwangerer CED-Patientinnen weltweit soll nun der Helmsley PIANO Expert Global Consensus bringen, der standardisierte, evidenzbasierte Empfehlungen für Mediziner liefert, die Frauen mit CEDs betreuen. In der PIANO-Studie (Pregnancy Inflammatory Bowel Disease And Neonatal Outcomes) wurde die Sicherheit von CED-Medikamenten während der Schwangerschaft untersucht und die kurz- und langfristigen Folgen für die Nachkommen ermittelt. Auf Grundlage der Literaturrecherche der Experten des Konsortiums wurden die endgültigen Empfehlungen für den globalen Konsens am 28. August gleichzeitig in sechs internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Hoffnung und mehr Klarheit für Mütter mit CEDs Die endgültigen Studienergebnisse und Leitlinien beinhalten neue Erkenntnisse wie die Fortsetzung aller Biologika während der Schwangerschaft und Stillzeit, eine allgemeine Beratung vor der Empfängnis, das Verständnis des Hochrisikostatus der Mutter, die Gabe von niedrig dosiertem Aspirin zur Vorbeugung einer Präeklampsie und die termingerechte Verabreichung des Rotavirus-Impfstoffes. „Einige der Ergebnisse waren zu erwarten, andere nicht“, erklärt Dr. Uma Mahadevan, Direktorin des Colitis and Crohn’s Disease Center an der University of California in San Francisco (UCSF; USA). Sie hatte die PIANO-Studie geleitete und ist Vorsitzende der Global Consensus Conference. „Ziel unserer Studie und unseres Konsortiums war es, gegenwärtigen und zukünftigen Müttern mit CEDs Hoffnung, Trost und die gleiche hochwertige Versorgung zu bieten“, ergänzt die Medizinerin. „Die Konsensempfehlungen bilden die erste wirklich globale Anstrengung ab, die Behandlung und die Ergebnisse für Frauen mit CED und ihre Kinder zu verbessern.“ Konkret empfiehlt das Konsortium Frauen mit CEDs eine Beratung schon vor der Empfängnis sowie idealerweise das Erreichen einer Remission von drei bis sechs Monaten Dauer, bevor sie eine Schwangerschaft überhaupt auch nur in Erwägung ziehen. Die Experten raten außerdem, alle Frauen mit CEDs so zu behandeln und zu begleiten, wie es bei einer Risikoschwangerschaft üblich ist. Medikamenteneinnahme während der Schwangerschaft, Stillen unter Therapie Empfohlen wird außerdem die Weiterführung von Medikamenten, deren Anwendung während der Schwangerschaft als risikoarm gilt. Dazu gehören 5-ASA-Medikamente, Sulfazalazin, Thiopurin und alle monoklonalen Antikörper. Sie sollten während der Schwangerschaft, der Zeit vor der Empfängnis und während der Stillzeit weiterhin verordnet werden. Das Konsortium rät dazu, niedermolekulare Medikamente mindestens einen Monat, in manchen Fällen sogar drei Monate, vor dem Versuch einer Empfängnis zu meiden – es sei denn, es gibt keine Alternative. Auch während der Stillzeit sollten sie gemieden werden, betonen die Experten. Eine weitere neue Empfehlung besagt, dass CED-Patientinnen unter einer Therapie mit allen monoklonalen Antikörpern, einschließlich der neueren Interleukin-23-Antikörper, stillen können – obwohl noch keine Daten aus klinischen Studien vorliegen. Die Empfehlung, diese Medikamente während der Schwangerschaft und Stillzeit weiterhin einzunehmen, basiert auf der Physiologie der Plazenta sowie auf der Physiologie der Übertragung monoklonaler Antikörper in die Muttermilch. Obwohl Biologika die Plazenta passieren und bei Säuglingen im Alter von einem bis sechs Monaten nachgewiesen werden können, waren die in der Studie in der Muttermilch nachgewiesenen Biologikakonzentrationen sehr gering. Sie hatten außerdem keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der Säuglinge. Der Konsensus hält daher fest, dass Frauen mit CEDs während einer Biologikatherapie stillen können. Darüber hinaus wurde keine Zunahme von Infektionen bei Säuglingen im Alter von vier oder zwölf Monaten nachgewiesen, wenn sie während der Schwangerschaft einem Biologikum oder Thiopurin (oder beidem) ausgesetzt waren. Des Weiteren sollten nach Auffassung des Konsortiums alle CED-Patientinnen zwischen der zwölften und 16. Schwangerschaftswoche mit der Einnahme von Aspirin beginnen – dies soll das Risiko für eine frühen Präeklampsie verringern. Es wird außerdem dazu geraten, Frauen mit CEDs sowohl vor als auch nach der Geburt auf das Risiko für eine venöse Thromboembolie hin zu überwachen. Kinder von Müttern mit CEDs sollten zudem regelmäßig gegen Rotaviren geimpft werden, auch wenn sie in utero einer Biologikatherapie ausgesetzt waren. Keine Zunahme von Geburtsfehlern oder negative Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung Die PIANO-Studie, eine US-amerikanische landesweite Studie, umfasste 2268 Schwangere mit einer CED sowie 1702 Lebendgeburten. Insgesamt hatten 598 der CED-Mütter während der Schwangerschaft Steroide verwendet. Im Vergleich zu Müttern ohne eine solche Exposition wiesen die Mütter unter Steroidtherapie höhere Frühgeburtenraten auf, brachten mehr Säuglinge mit niedrigem Geburtsgewicht zur Welt und mussten ihre Neugeborenen häufiger in der Obhut einer Neugeborenen-Intensivstation lassen. Es gab jedoch keine Zunahme von Geburtsfehlern, Hirndefiziten oder Infektionen bei Säuglingen aufgrund der Steroideinnahme durch die Mutter. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Steroideinnahme ein Marker für eine aktive Erkrankung sein könnte, die der eigentliche Treiber dieser Ergebnisse ist. Eine aktive Erkrankung während der Schwangerschaft trat häufiger bei Patientinnen mit Colitis ulcerosa auf und führte zu einer erhöhten Anzahl von Fehlgeburten. Die Studie ergab keine Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung oder in Bezug auf wichtige Meilensteine der kindlichen Entwicklung allgemein aufgrund der Einnahme von CED-Medikamenten seitens der Mutter. Kinder von Frauen mit CED, die in einer Tageseinrichtung betreut wurden ‒ also regelmäßig mit anderen Kindern in Kontakt kamen ‒, erkrankten nicht häufiger an Infektionen als andere Kinder, wenn die Einnahme von CED-Medikamenten während der Schwangerschaft mit einberechnet wurde. Vertreter aus aller Welt, Sicht von Patientinnen berücksichtigt Das Global Consensus Consortium bestand aus 50 Experten aus aller Welt: Dabei handelte es sich um CED-Spezialisten, Vertreter der Gebietes der Teratologie, Spezialisten für Mutter-Kind-Medizin, Patientenvertreter und Chirurgen. Die Mitglieder der Gruppe vereinbarten, aktuelle Daten zu überprüfen und zu bewerten und sich auf deren Grundlage auf bewährte Verfahren zu einigen. Sie nutzten gegebenenfalls das GRADE-Verfahren (Grading of Recommendations Assessment, Assessment, Development, and Evaluation) und in Fällen, in denen Expertenmeinungen für eine einheitliche Vorgehensweise erforderlich waren, das RAND-Verfahren (Research and Development). Das besondere an der Konsensuskonferenz sei gewesen, dass Vertreter aus vielen Regionen auf der ganzen Welt dort vertreten gewesen seien, erklärt Dr. Millie D. Long, Co-Vorsitzende der Global Consensus Conference und Leiterin der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der University of North Carolina in Chapel Hill (USA). „Durch diese internationale Zusammenarbeit haben wir sichergestellt, dass alle Empfehlungen für Frauen mit CEDs umsetzbar und angemessen sind. Darüber hinaus haben wir Patientinnenvertreter von allen Kontinenten einbezogen, um die Rolle der Betroffenen bei der Festlegung optimaler Behandlungspraktiken zu stärken. Wir hoffen, dass diese Konsenserklärung eine Grundlage für die evidenzbasierte Behandlung von Frauen mit CEDs von der Zeit vor der Empfängnis bis nach der Entbindung bietet.“
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