Synaptisches Protein SNAP-25 reduziert bei Depression und Schizophrenie

SNAP-25 ist bei schwerer Depression und Schizophrenie im Nervenwasser reduziert und könnte künftig als Biomarker dienen. (stock.adobe.com/syahrir)

Bei Menschen mit schwerer Depression oder Schizophrenie ist das Synapsen-Protein SNAP-25 im Nervenwasser reduziert. Entsprechende deutet eine Studie der Universitätsmedizin Halle darauf hin, dass Protein-Biomarker künftig bei Diagnose und Verlaufskontrolle psychiatrischer Erkrankungen relevant sein könnten. Die Ergebnisse wurden in „BMJ Mental Health“ veröffentlicht.

Biomarker sind längst Standard bei der Diagnose verschiedenster Erkrankungen. Die aktuellen Entwicklungen in der Biomarker-Forschung bei neurodegenerativen Erkrankungen unterstreichen das enorme medizinische Potenzial. Für psychiatrische Störungen fehlen sie jedoch bislang.

In der Forschung wird derzeit bei schweren Depressionen über eine gestörte Nervenzellfunktion und verschiedene molekulare Faktoren diskutiert. „Wir wollten verstehen, ob und wie sich die Konzentration synaptischer Proteine im Nervenwasser bei schweren Depressionen, Schizophrenie und bipolaren Störungen verändert“, erklärt Prof. Markus Otto, Letztautor der Studie und Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Halle.

In ihrer Studie richteten die Forschenden den Fokus auf das Protein SNAP-25 (Synaptosom-assoziiertes Protein 25), das an der Übertragung von Botenstoffen zwischen Nervenzellen beteiligt ist. Es gehört zu einem größeren Proteinkomplex, der dafür sorgt, dass Vesikel mit den Synapsen verschmelzen können. Dadurch können die Nervenzellen die Botenstoffe aufnehmen.

Bipolare Störung zeigt keine Reduktion von SNAP-25

Das Studienteam analysierte Nervenwasserproben von 202 Personen im Alter von 18 bis 67 Jahren. Alle hatten sich standardisierten klinisch-psychiatrischen und klinisch-neurologischen Untersuchungen unterzogen. 99 Teilnehmende litten an einer schweren Depression, 50 an Schizophrenie und 24 an einer bipolaren Störung. Die übrigen 29 bildeten die gesunde Kontrollgruppe.

Die Analyse der SNAP-25-Konzentrationen im Nervenwasser ergab bei schwerer Depression signifikant niedrigere Werte im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Diese waren unabhängig von einer medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva sowie von der Intensität der Depression. Auch bei Schizophrenie war die SNAP-25-Konzentration deutlich reduziert. Bei Menschen mit bipolarer Störung lagen die Werte hingegen in einem ähnlichen Bereich wie bei den gesunden Kontrollpersonen.

Bislang nur begrenzte Anwendungsmöglichkeiten denkbar

Für eine belastbare Diagnose ist es wichtig, dass ein Biomarker-Test Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt als erkrankt beziehungsweise gesund identifiziert. „Wir lernen gerade erst, wie sich synaptische Proteine bei diesen Erkrankungen verhalten. In diesem Fall reichen Spezifität und Sensitivität noch nicht aus, um als wirklich guter Test zu gelten. Deshalb kann SNAP-25 nach dem aktuellen Stand der Forschung nur ein diagnostischer Baustein für schwere Depressionen und Schizophrenie sein“, fasst Prof. Petra Steinacker, Erstautorin der Studie und Leiterin des Neurologischen Labors an der Universitätsmedizin Halle, zusammen.

Um die klinische Bedeutung besser einzuordnen, sind zunächst größere multizentrische Studien notwendig: „In einem nächsten Schritt möchten wir prüfen, ob die Abnahme von SNAP-25 auf eine Herabregulierung zurückzuführen ist – also ob die Produktion dieses Proteins gezielt heruntergefahren wird. Anders als bei neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen die Nervenzellen Umbauprozessen unterliegen, wäre dieser Prozess dann eventuell umkehrbar. Vielleicht ermöglicht SNAP-25 eine Subtypisierung, mit der sich Betroffene mit synaptischer Herabregulation von anderen unterscheiden lassen. Das könnte wiederum für eine spezifischere Therapie relevant sein“, so die Wissenschaftlerin weiter.

Perspektiven für die Diagnostik

Zur Analyse des Nervenwassers ist eine Lumbalpunktion erforderlich, die nur bei klarer medizinischer Indikation durchgeführt wird. „Eine Lumbalpunktion würde man weder bei Verdacht auf psychiatrische Erkrankungen noch zur alleinigen Verlaufskontrolle bei Patienten durchführen, denen es ansonsten gut geht. Die Entwicklung eines minimalinvasiven Bluttests dafür wäre sinnvoller. Daran arbeiten wir aktuell im Rahmen eines neuen, von der EU geförderten Projekts“, erklärt Otto.

Weitere Ergebnisse der Studie zeigen Zusammenhänge zwischen synaptischen und Alzheimer-typischen Markern. Wie und ob sich diese Erkrankungen gegenseitig bedingen, ist aktuell Gegenstand der Forschung der Neurologie in enger Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsmedizin Halle.