Spezielle Fachphysiotherapie für KrebspatientInnen am UKR

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Die Versorgung von KrebspatientInnen vor, während und nach einer medizinischen Behandlung stellt besondere Herausforderungen an alle Beteiligten. Um diese Versorgung noch weiter zu verbessern, bietet Sebastian Meier, Leiter der Abteilung für Physiotherapie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR), eine deutschlandweit einzigartige spezielle Fachweiterbildung im Bereich Onkologische Fachphysiotherapie an.

Inzwischen ist es wissenschaftlich belegt: Sport und Bewegung haben Einfluss auf das Entstehen und den Verlauf einer Krebserkrankung und wirken gemeinsam mit der medizinischen Therapie auf den Behandlungserfolg. Sport hat bereits eine große präventive Wirkung, weil mit regelmäßiger Bewegung das Immunsystem gestärkt wird.
Doch was können Sport und Bewegung beitragen, wenn eine Krebserkrankung eingetreten ist und PatientInnen sich Therapien mit teils schweren Nebenwirkungen unterziehen müssen?

„Dann ist es besonders wichtig, den eigenen Körper physisch möglichst fit zu halten, um die anstehenden bzw. erfolgten medizinischen Therapien bestmöglich zu unterstützen und zu verkraften“, betont Meier, Leiter der Abteilung für Physiotherapie des UKR. „Die Möglichkeiten einer physiotherapeutischen Behandlung während und nach der Therapie sind sehr verschieden. Das Ziel jedoch ist für jeden das Gleiche: wir wollen den maximalen Erfolg für den Patienten/die Patientin erreichen. Dazu ist es notwendig, dass wir noch gezielter als bisher auf die individuelle Krebserkrankung, die Therapie und die Lebenssituation eingehen. Das schaffen wir nur mit speziellem onkologischen Fachwissen“, sagt Meier.

„Die Anzahl der onkologischen PatientInnen ist in der Vergangenheit stärker gestiegen, so dass ich die Notwendigkeit sah, gerade im Bereich der Physiotherapie noch intensiver auf die Patienten einzugehen. Zudem ist es jetzt auch möglich, Therapeuten in dem Bereich der onkologischen Physiotherapie fortzubilden, was sich unmittelbar auf die Behandlung dieser schwerstkranken PatientInnen auch außerhalb unseres Klinikums auswirkt“, freut sich Meier.

Warum brauchen gerade onkologische Patienten eine spezielle physiotherapeutische Versorgung? Worauf kommt es aus medizinischer Sicht an?

Prof. Wolfgang Herr, Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR: „KrebspatientInnen sind schon durch die Erkrankung selbst sehr oft körperlich beeinträchtigt, verlieren an Muskelmasse, Kondition, die gesamte Konstitution verschlechtert sich. Hinzu kommt, dass die Krebsbehandlung mit Medikamenten, Operationen und Bestrahlung den Körper teils erheblich schwächt. Um eben dieser Katobolie entgegen zu wirken, muss der Patient/die Patientin aktiv daran arbeiten.“

Aktiv an eigener Genesung mitarbeiten

Eine körperliche Grundfitness kann also die Basis dafür legen, die Krebstherapie bestmöglich zu überstehen und danach schneller in einen selbstbestimmten Alltag mit hoher Lebensqualität zurückzukehren. Dabei setzt Meier auf drei Säulen: Physiotherapie, Sport und psycho-vegetative Regulation. So wird bereits mit der stationären Aufnahme, vor einer Operation, Chemotherapie oder Stammzelltransplantation, soweit es der körperliche Zustand des Patienten erlaubt, aktiv an der Fitness gearbeitet.

„Jede/r PatientIn verfügt über eine individuelle Grundfitness. Vom aktiven Sportler bis hin zum Sportmuffel. Hinzu kommt noch der psychische Einschnitt nach der Krebsdiagnose. So versuchen wir den aktiven Sportler zu animieren, weiterhin Sport, wenn auch in verträglicher Form, zu treiben, und, was etwas mehr Einsatz verlangt, den Sportmuffel aus seiner Passivität zu holen, um Nebenwirkungen abzumildern und ihn aktiv an seiner Genesung zu beteiligen“, erklärt Meier.

Welchen Mehrwert hat eine frühzeitige Einbindung der Physiotherapie auf die gesamte Therapie, wie etwa eine Stammzelltransplantation oder eine Chemotherapie, für die PatientInnen?

Herr: „Jede Therapie, aber insbesondere jede Krebstherapie ist für den Körper anstrengend. Das Ziel muss es daher sein, die PatientInnen bestmöglich auf eine Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation vorzubereiten. Sport- und Bewegungsmuster für den weiteren Behandlungsverlauf müssen im Optimalfall vor der eigentlichen medizinischen Behandlung eingeübt werden, so dass diese von den PatientInnen jederzeit abgerufen werden können. Das gilt insbesondere für die rehabilitative Nachsorge. Ein kräftiger Körper ist robuster, verträgt die Behandlung in vielen Fällen besser, und das spiegelt sich auch in der Lebensqualität wider.“

Ganzheitliche Versorgung von KrebspatientInnen am UKR

Das Versorgungsangebot für PatientInnen mit Krebserkrankungen ist am UKR nicht auf die medizinische, physiotherapeutische und psychoonkologische Behandlung reduziert, sondern sieht die PatientInnen als Ganzes und in der individuellen Lebenssituation. Deshalb arbeitet das UKR eng mit Fördervereinen und Selbsthilfegruppen zusammen, die Angebote ermöglichen, die weit über die Leistungen eines Krankenhauses hinausgehen.

So bieten etwa das Patientenhaus der Leukämiehilfe Ostbayern und das Elternhaus des Vereins zur Förderung krebskranker und körperbehinderter Kinder Ostbayern (VKKK) kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige, die auf dem Klinikcampus nah am Patienten bleiben wollen. Zahlreiche Selbsthilfegruppen ermöglichen den Austausch unter Betroffenen. Und das von der Leukämiehilfe Ostbayern finanzierte onkologische Sportprogramm „Fit4Cure“ baut die Brücke zu einer schnelleren körperlichen Rehabilitation nach Krebserkrankungen. Der Erfolg dieses Programmes bestätigt die Bedeutung von Sport und Bewegung und damit auch die Notwendigkeit speziellen Fachwissens in der onkologischen Physiotherapie.

„Mit der Fachweiterbildung ‚onkologische Physiotherapie‘ können wir eine Versorgungslücke schließen und unseren PatientInnen einen einzigartigen Mehrwert in der Krebstherapie bieten“, freut sich Meier, dessen Expertise auch von niedergelassenen ÄrztInnen und Physiotherapie-Praxen der Region in Anspruch genommen wird.

Was bedeutet es, die Möglichkeit der gezielten physiotherapeutischen Versorgung von Krebspatienten am UKR zu haben? Welchen Mehrwert können Patienten daraus ziehen?

Prof. Wolfgang Herr: „Dass wir unseren PatientInnen diese Möglichkeit bieten können, beweist einmal mehr, dass das UKR ein Standort für Spitzenmedizin ist und neuste wissenschaftliche Erkenntnisse unmittelbar in die Behandlung einfließen lässt. Gerade im Bereich der Krebsmedizin. Das zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass derzeit ein eigenes Sport- und Bewegungszentrum für KrebspatientInnen auf dem Gelände des UKR geplant wird. Zudem denke ich, dass die Entwicklung dieser Fachweiterbildung zukunftsweisend ist, weil immer mehr PatientInnen auf eine spezialisierte onkologische Versorgung zurückgreifen müssen.“

TherapeutInnenvernetzung verschiedener Kliniken und Praxen im Aufbau


Weil eben ein solches Konzept zur physiotherapeutischen Versorgung onkologischer PatientInnen bundesweit nur sehr selten existiert, hat sich Meier zusammen mit Markus Pschick, Inhaber der Fortbildungsakademie Markus Pschick GmbH, ein solches überlegt. Dabei dient die Fortbildungsakademie als „Plattform“, während der Input für die Weiterbildung von Meier kommt. „Ausschlaggebend waren für mich Krankheitsfälle in meinem Umfeld, so dass ich die Notwendigkeit, in diesem Bereich etwas zu verändern, direkt gefühlt habe“, erklärt Pschick seine Beweggründe für das Projekt. „Die Übungen und Therapien für die onkologische Fachweiterbildung wurden allesamt von Sebastian Meier konzipiert und zusammengefügt. Wir als Fortbildungsakademie bieten die räumlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen, um diese Fachweiterbildung möglichst vielen Physiotherapeuten zugänglich machen zu können.“

Hierfür wurde ein Kooperationsvertrag zwischen dem UKR und der Markus Pschick GmbH geschlossen. Langfristig wollen Meier und Pschick möglichst viele Physiotherapeuten in der onkologischen Fachrichtung ausbilden und im weiteren Fortgang ein Therapeutennetzwerk online anbieten. Auf dieser Plattform sollen sich zukünftig Patienten, niedergelassene Ärzte und Kliniken informieren und einen ausgebildeten Therapeuten in der Nähe finden können, um somit möglichst vielen Krebspatienten eine optimale physiotherapeutische Versorgung zu ermöglichen.