Stoßwellentherapie während Bypass-Operation führt zu Regeneration des Herzmuskels

An der Universitätsklinik für Herzchirurgie in Innsbruck wird eine Bypass-OP mit gleichzeitiger Stoßwellentherapie durchgeführt. (Foto: ©MUI)

Das Leben von Menschen mit chronischer Herzmuskelschwäche verbessert sich wortwörtlich schlagartig, wenn gleichzeitig mit der Bypass-Operation eine Stoßwellentherapie am offenen Herzen durchgeführt wird.

„Erstmals ist es damit möglich, den Herzmuskel substantiell und anhaltend zu verbessern“, sagt Michael Grimm, Direktor der Univ.-Klinik für Herzchirurgie in Innsbruck (Österreich). Sein Team unter der Leitung von Johannes Holfeld konnte dies nun in einer klinischen Studie nachweisen, die jüngst im „European Heart Journal“ publiziert wurde.

Stoßwellentherapie erweckt ruhende Herzmuskelzellen

Viele Jahre lang hat ein großes Team an der Medizinischen Universität Innsbruck an der Methode zur Behandlung von ischämischer Kardiomyopathie geforscht und damit langen Atem bewiesen. Atem, der den Patienten oftmals fehlt. Die Betroffenen – etwa 1,4 Mio. Menschen weltweit, Tendenz steigend, im Durchschnitt 68 Jahre alt – leiden unter Kurzatmigkeit und einer insgesamt eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit, die zu einer verminderten Lebensqualität führt. Infolge eines oder mehrerer Herzinfarkte gehen Herzmuskelzellen zugrunde und lassen Narben zurück. Herzmuskelzellen im Randbereich des geschädigten Gewebes fallen bei einem Herzinfarkt allerdings in eine Art Winterschlaf (engl. hibernating myocardium) und stellen ihre Aktivität ruhend, wodurch ein Teil des Herzmuskels chronisch mit Blut unterversorgt ist. Mit der Bypass-Operation kann lediglich die verbliebene Pumpleistung erhalten, aber nicht wieder verbessert werden.

Den Innsbrucker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es nun gelungen, diese Zellen mit Stoßwellentherapie als Ergänzung zur Bypass-Operation wieder aufzuwecken und damit die Pumpleistung des Herzens nachhaltig zu verbessern. „Wir wissen, dass alle fünf Prozentpunkte Verbesserung der Pumpleistung eine signifikante Reduktion der Klinikwiederaufnahmen und eine Verlängerung der Lebenserwartung bringt. Unsere Methode hat im Schnitt eine Verbesserung von fast zwölf Prozentpunkten gezeigt. Das ist spektakulär“, schildert Projektleiter Holfeld.

Klinische Studie zeigt signifikante und anhaltende Verbesserung des Herzmuskels

Die Behandlung mit Stoßwellen hat sich in der klinisch randomisierten CAST-HF Studie mit 65 per Zufallsgenerator in zwei Gruppen zugeordneten Patienten – die Hälfte erhielt die standardisierte Bypass-Operation, die zweite Gruppe die Kombination Bypass und Stoßwellen – als so effektiv herausgestellt, dass sie wegen des großen Erfolgs in Übereinkommen mit der Ethikkommission vorzeitig beendet werden konnte. „Die Effekte waren noch deutlicher als wir erwartet hatten, und so konnten wir schon zu einem frühen Zeitpunkt die signifikante Verbesserung des Herzmuskels nachweisen“, sagt Holfeld. Inzwischen liegen bereits Langzeitergebnisse der ersten, vor vier Jahren im Rahmen der Studie mit der Kombination Bypass und Stoßwellen behandelten Patientinnen und Patienten vor. „Wir sehen, dass der Effekt stabil bleibt. Das Herz erholt sich und bleibt dann fit“, sagt Klinikdirektor Grimm.

Spezielle Vesikel lassen neue Blutgefäße wachsen

Stoßwellen sind spezifische Schalldruckwellen, die von der Zelloberfläche Vesikel abscheren. Diese Vesikel enthalten Substanzen, die TLR-3 (Toll-like-Rezeptor-3) aktivieren, einen Rezeptor des angeborenen Immunsystems. „Wir konnten nachweisen, dass über diesen Rezeptor Effekte vermittelt werden, die einerseits dazu führen, dass sich Bindegewebszellen in Gefäßwandzellen umwandeln und sich andererseits dann Blutgefäße neu bilden. Das bedeutet, dass in den chronisch mit Blut unterversorgten Herzmuskel neue Blutgefäße einsprossen und dieser dadurch wieder aktiv zur Pumpleistung des Herzens beiträgt“, beschreibt Holfeld den Mechanismus.

Markzulassung im nächsten Jahr erwartet

Zur Entwicklung und Produktion des Stoßwellengerätes, ein Medizinprodukt der höchsten Sicherheitsklasse, wurde das in Innsbruck angesiedelte Spin-off-Unternehmen Heart Regeneration Technologies GmbH gegründet. Holfeld erwartet, dass das Gerät für die direkte Anwendung am Herzen Anfang 2025 auf den Markt kommen wird. Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass mehr als ein Drittel aller Herzschwäche-Patienten von der Behandlung profitieren – nämlich jene, die unter einer stark eingeschränkten Pumpleistung leiden.