Studie: Effekte der Darmkrebsvorsorge im europaweiten Vergleich27. Mai 2021 Foto: © koya979/stock.adobe.com Zwischen den europäischen Ländern gibt es erhebliche Unterschiede bezüglich der Programme zur Darmkrebsvorsorge. ForscherInnen belegen nun Zusammenhänge mit den Neuerkrankungs- und Sterberaten. Mit 245.000 Todesfällen war Darmkrebs 2020 die führende Krebstodesursache in Europa. In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben viele europäische Länder Screening-Programme zur Darmkrebsvorsorge eingeführt, die sich größtenteils an Menschen zwischen 50 und 74 Jahren richten. Die Programme unterscheiden sich von Land zu Land erheblich: Wird nur der Stuhltest angeboten oder auch die Darmspiegelung? Erhalten die Berechtigten Einladungen oder müssen sie sich selbst um einen Untersuchungstermin bemühen? In welchem Jahr startete das Screening und wie sieht es mit den Teilnahmeraten aus? Wie sich die Neuerkrankungs- und Sterberaten in den einzelnen Ländern in Abhängigkeit von den jeweiligen Screening-Angeboten entwickelt haben, haben nun WissenschaftlerInnen um Prof. Hermann Brenner im Deutschen Krebsforschungszentrum untersucht. In die Analyse flossen Daten von 3,1 Millionen Patienten aus 21 europäischen Ländern ein. Die ForscherInnen werteten dazu Krebsregisterdaten sowie Sterblichkeitsdaten der WHO aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 2016 aus. In allen Ländern, die bereits früh ein Vorsorgeprogramm mit Stuhltests und Darmspiegelung eingeführt hatten, etwa Deutschland, Österreich oder Tschechien, sank die altersstandardisierte Darmkrebs-Inzidenz erheblich: Bei Männern um 1,6 bis 2,5 Prozentpunkte pro Jahr, bei Frauen um 1,3 bis 2,4 Prozentpunkte. Der Rückgang der Inzidenz wurde vor allem in der Screening-Altersgruppe beobachtet. Einige Länder hatten während des Untersuchungszeitraums einladungsbasierte Vorsorgeprogramme mit immunologischen Stuhltests eingeführt und konnten hohe Teilnahmeraten erzielen, etwa Belgien, Dänemark oder die Niederlande. Dabei stieg während der ersten Jahre nach dem Start die Inzidenz von Karzinomen im Stadium I zunächst scheinbar an, und sank in den darauffolgenden Jahren. Hier wurden bereits bestehende, aber klinisch noch nicht diagnostizierte Karzinome früher erkannt, was die Heilungschancen erheblich verbesserte. In Ländern, die keine bevölkerungsweiten Programme zur Darmkrebsvorsorge anbieten, etwa Bulgarien, Estland, Norwegen, stieg die Inzidenz um bis zu 1,9 Prozentpunkte pro Jahr bei Männern; bei Frauen um bis zu 1,1 Prozentpunkte. Der Rückgang der Inzidenz fiel für Tumoren im unteren Bereich des Dickdarms insgesamt deutlicher aus. Die wahrscheinliche Ursache dafür ist, dass Krebsvorstufen im proximalen Bereich des Dickdarms sowohl mit dem Stuhltest als auch bei der Darmspiegelung schlechter zu erkennen sind und außerdem andere biologische Eigenschaften aufweisen, so dass sie häufiger zu bösartigen Tumoren entarten. Auch die Darmkrebssterblichkeit sank am deutlichsten in Ländern, die bereits frühzeitig Screening-Programme eingeführt hatten, darunter Österreich (-3,2 Prozentpunkte pro Jahr bei Männern, -3,5 bei Frauen), Tschechien (Männer: -3,8; Frauen: -3,9) und Deutschland (Männer: -2,6; Frauen: -3,1). In Ländern, die kein Screening anbieten, ging die Darmkrebssterblichkeit zwar auch geringfügig zurück, was die AutorInnen mit Fortschritten in der Diagnose und Behandlung der Erkrankung erklären. „Insgesamt gilt aber in allen Ländern: Je höher die Teilnahmeraten an den Screeningprogrammen, desto deutlicher sinken Inzidenz und Sterblichkeit”, sagt Studienleiter Brenner. „In Deutschland haben wir hervorragende Vorsorgeangebote, die bei besserer Nutzung aber noch viel stärkere Effekte haben könnten. Ziel sollte eine Halbierung der Erkrankungs- und Sterbefälle innerhalb der nächsten zehn Jahre sein. Wir sollten daher alles daransetzen, dies mit verbesserten Einladungsverfahren zu erreichen”, so sein eindringlicher Appell an die Gesundheitspolitik.
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