Studie: Investorengeführte Praxen rechnen höhere Kosten ab

KVB-Vorstand, v.l.: Wolfgang Krombholz, Claudia Ritter-Rupp und Pedro Schmelz. (Foto: KVB)

Arztpraxen im Besitz von Finanzinvestoren rechnen offenbar systematisch höhere Preise für die Behandlung von Patientinnen und Patienten ab. Das zeigt eine aktuelle Studie des IGES Institut, die die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) in Auftrag gegeben hat.

Die Forscher haben Daten aus Arztpraxen von sieben verschiedenen Fachrichtungen in Bayern aus den Jahren 2018 und 2019 analysiert. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in Praxen, die Finanzinvestoren gehören, höhere Honorare in Rechnung gestellt wurden. Das abgerechnete Honorar pro Behandlungsfall lag demnach um mehr als 10 Prozent höher, als es bei gleicher Patientencharakteristik, gleichen Vorerkrankungen und gleichem Behandlungsanlass in einer Einzelpraxis zu erwarten gewesen wäre. Auch im Vergleich mit anderen Praxisverbünden, die nicht im Besitz von Investoren sind, zeigt sich demnach ein deutlicher Unterschied.

Die höheren Honorare sind laut der Studie “allein auf das Merkmal der Eigentümerschaft zurückzuführen”. Die Autoren sehen damit die Ergebnisse als Beleg für die These, dass sich Praxen, die Finanzinvestoren gehören, stärker an ökonomischen Motiven ausrichten, berichten der Norddeutsche Rundfunk (NDR) im Rahmen der Sendung “Panorama” sowie der Bayerische Rundfunk (BR).

Die KVB fasst die Kernaussagen der Studie wie folgt zusammen: In investoren-getragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) liegen die abgerechneten Honorarvolumina deutlich über denen in anderen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Die Zunahme der Zahl an iMVZ verläuft dynamisch, der Aufkauf von Praxen durch Kapitalinvestoren wird weiter vorangetrieben. So heißt es dazu in dem IGES-Gutachten wörtlich: „Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, den Zugang von Finanzinvestoren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung wirksam zu begrenzen, wird klar verfehlt.“

Anlass für die Studie sei gewesen, dass immer mehr Arztpraxen von Finanzinvestoren gekauft würden. Vielfach sei das aufgrund komplexer gesellschaftsrechtlicher Konstruktionen nicht ohne weiteres zu erkennen. Eigentlich untersagt ein Gesetz aus dem Jahr 2012, dass fachfremde Investoren Arztpraxen betreiben. Damit sollte verhindert werden, dass Kapitalinteressen medizinische Entscheidungen beeinflussen. Doch Investoren dürfen weiterhin Krankenhäuser kaufen, die dann wiederum Praxen in Form von MVZ betreiben können. Ursprünglich waren diese Zentren als fachübergreifende Einrichtungen gedacht, doch seit 2015 darf ein MVZ auch nur aus Medizinerinnen einer Fachrichtung bestehen – etwa wahlweise nur aus Radiologinnen oder Gynäkologinnen oder Zahn- oder Augenärztinnen. Mittlerweile haben Finanzinvestoren wohl weit mehr als tausend Praxen in Deutschland erworben. Genaue Daten gibt es dazu allerdings nicht.

Man sehe deutlich, dass immer mehr Praxen von internationalen Investoren gekauft würden, sagt Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstand der KVB. Er habe Bedenken, dass sich das Gesundheitssystem nur noch an den Verdienstmöglichkeiten orientiere, wenn nicht bald etwas dagegen getan werde. “Uns ist wichtig, dass erkannt wird, welche Entwicklung im Augenblick läuft”, sagt Krombholz gegenüber dem NDR und BR. “Und dass es für die Zukunft begrenzt wird.”

„Die Politik kann nicht länger tatenlos zusehen, wie der Einfluss von Kapitalinvestoren auf unser solidarisches Gesundheitswesen permanent wächst. Die Gesundheit der Menschen darf nicht zum Spekulationsobjekt werden. Denn diese Entwicklung führt auch dazu, dass die Freiberuflichkeit massiv in Frage gestellt wird und dass für jüngere Kolleginnen und Kollegen die Übernahme eines Vertragsarztsitzes finanziell nicht mehr zu stemmen ist. Wichtig ist, dass klare Vorgaben in Bezug auf Transparenz der Gesellschafterstruktur, Zulassung und Gestaltung solcher iMVZ vom Gesetzgeber gemacht werden mit dem Ziel, eine marktbeherrschende Stellung von iMVZ zu verhindern. Seit vielen Jahren warnen die Ärztinnen und Ärzte sowie deren Standesorganisationen vor einer solchen Entwicklung. Passiert ist bislang allerdings viel zu wenig. Das muss sich jetzt ändern, weil konkrete Zahlen auf dem Tisch liegen,“ so die gemeinsame Erklärung von Krombholz und den KVB-Vorständen Dr. Pedro Schmelz und Dr. Claudia Ritter-Rupp.

Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Bundesländer haben im vergangenen November einen gemeinsamen Beschluss gefasst. Der stetig steigende Anteil investorengetragener Praxen an der Versorgung werde mit “wachsender Sorge zur Kenntnis genommen”, heißt es darin, berichtet der NDR. Die Ministerinnen und Minister fordern, mehr Transparenz zu schaffen, und bitten das Bundesgesundheitsministerium, eine Gesetzesinitiative zu veranlassen, um den Aufkauf weiterer Praxen zu beschränken.

Auf Anfrage von “Panorama” teilte das Bundesgesundheitsministerium jedoch mit, eine solche Beschränkung sei rechtlich schwierig. Allein die Feststellung einer Zunahme investorengeführter Praxen reicht dafür aus Sicht des Ministeriums nicht aus.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht allerdings die aktuelle Studie der KVB als Anlass, die Debatte darüber zu führen. Das Gutachten biete eine Datenbasis – und solle auch genutzt werden. “Wir schauen uns das an, wo Fehlentwicklungen sind, und werden dann handeln”, sagte Holetschek im Interview mit NDR und BR.

Die Versorgungsanalyse kann online in ausführlicher Form und als Zusammenfassung unter www.kvb.de/Über uns/Gesundheitspolitik heruntergeladen werden.

Hintergrund: MVZ kamen unter der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erstmals in die ambulante Versorgung und haben seither deutlich an Bedeutung gegenüber Einzel- und Gemeinschaftspraxen gewonnen. Während MVZ aus Sicht des Vorstands der KVB in vielen Bereichen eine sinnvolle Ergänzung des Versorgungsgeschehens darstellen, sind die iMVZ, die von oftmals anonymen Kapitalgebern im Hintergrund finanziert werden, eine Gefahr für das Gesundheitswesen in der jetzigen Form.
(hr)