Studie zur kausalen Therapie der Chorea Huntington gibt Anlass zur Hoffnung10. Mai 2019 Foto: © hafakot – Fotolia.com Antisense-Oligonukleotide können das bei Morbus Huntington mutierte Gen stilllegen. Das zeigt eine aktuelle Phase-1-2a-Studie. Ob sich das Ergebnis auch in einen bedeutsamen klinischen Nutzen übersetzt, klärt nun eine internationale Multicenter-Phase-3-Studie, an der sich auch fünf Zentren in Deutschland beteiligen. Für die Huntington-Erkrankung gibt es bislang keine Therapie, die den Krankheitsverlauf aufhalten kann. Das zunehmende Verständnis der komplexen molekulargenetischen Pathomechanismen hat jedoch endlich zur Entwicklung verschiedener neuer Therapieansätze geführt, von denen derzeit viele erprobt werden. „Die Therapien setzen an bestimmten Stellen des DNA-Ableseprozesses bzw. der Huntingtin-Expression an, also der Bildung des fehlerhaften Proteins“, erklärt Prof. Christine Klein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und u.a. auch Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung. Bei dem nun untersuchten Therapieansatz mit Antisense-Oligonukleotiden (ASOs) wird die Bildung von Htt-Protein durch synthetisch hergestellte spiegelbildliche (komplementäre) mRNA-Bausteine (Antisense-Oligonukleotide) spezifisch gehemmt. Das mutante Htt-Gen wird praktisch stillgelegt („gene silencing“). Da ASOs die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren können, müssen sie intrathekal injiziert werden. An der nun im “New England Journal of Medicine” publizierten Phase-1-2a-Studie1 mit dem Oligonukleotid HTTRx (auch RG6042) waren weltweit Zentren in Kanada, U.K. und Deutschland (Berlin, Bochum, Ulm) beteiligt. 46 erwachsene Patienten in einem frühen Erkrankungsstadium wurden 3:1 doppelblind randomisiert. 34 Patienten erhielten viermal, jeweils im Abstand von vier Wochen, verschiedene Dosierungen HTTRx intrathekal (10, 30, 60, 90 oder 120 mg), zwölf erhielten Placebo. Primärer Endpunkt war die Sicherheit der Substanz, sekundär wurde im Liquor die Pharmakokinetik von HTTRx sowie die Konzentrationen von Huntingtin ermittelt. Die Substanz wurde insgesamt gut vertragen, alle Patienten durchliefen die Studie vollständig ohne Studienabbrüche. Ernste Nebenwirkungen traten nicht auf. Im Ergebnis führte die Behandlung mit HTTRx dosisabhängig zur Absenkung der Htt-Konzentrationen im Liquor: Während in der Placebogruppe die Konzentration um 10 Prozent zunahm, sank sie in den HTTRx-Gruppen mit steigender HTTRx-Dosierung um -20 Prozent , -25 Prozent , -28 Prozent , -42 Prozent und -38 Prozent. Funktionelle neurologische, kognitive und psychiatrische Tests zeigten keine Unterschiede vom Studienbeginn bis zum Ende; auch nicht zwischen Placebo- und den Verumgruppen. Eine (nicht-präspezifizierte) Posthoc-Analyse verglich den Verlauf des cUHDRS-Scores (composite Unified Huntington Disease Rating Scale) als Maß der Krankheitsprogression mit den Htt-Liquorkonzentrationen: In zwei von vier Teilergebnissen gab es dabei positive Korrelationen zwischen sinkenden Htt-Werten und einer Verbesserung des cUHDRS-Scores. Die Autoren weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Studie statistisch nicht für diese Analyse konzipiert war und daher keine validen Aussagen zu einer klinischen Wirksamkeit hinsichtlich einer Progressionshemmung gemacht werden können. „Es ist durchaus ein vielversprechendes Zeichen, dass die Expression des fehlerhaften Huntingtin-Proteins im Liquor reduziert werden konnte. Noch wissen wir aber nicht abschließend, inwieweit die Htt-Konzentration krankheitsauslösend ist oder nur einen Surrogatparameter darstellt“, erklärt Prof. Alexander Münchau, Leiter des Lübecker Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE), einer fachübergreifenden Einrichtung der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein – Campus Lübeck. „Es muss betont werden, dass bislang der sichere Beleg dafür fehlt, dass es durch die Senkung von Huntingtin im Liquor auch zu einer Verbesserung des klinischen Bildes kommt. Die Patientenzahl und die Studiendauer waren in dieser Phase-2-Studie dafür einfach noch nicht ausreichend.“ Ende letzten Jahres begann weltweit (in 15 Ländern, 46 Standorte, davon fünf deutsche Zentren) die Phase-3-Studie „GENERATION-HD1“2, die bis 2022 laufen soll. Insgesamt sollen 660 symptomatische Patienten eingeschlossen werden und verschiedene Dosen RG6042 (RO7234292) gegen Placebo getestet werden. „Das Studienprotokoll sieht neben umfangreichen Laboruntersuchungen auch eine Reihe klinischer Tests zum motorischen, kognitiven und psychosozialen Krankheitsverlauf vor“, erklärt Münchau, „sodass wir hoffentlich in absehbarer Zeit wissen, ob die Therapie auch die dringend erhoffte klinische Wirkung zeigt.“ Originalliteratur: 1. Tabrizi SJ, Leavitt BR, Landwehrmeyer BD et al. Targeting Huntingtin Expression in Patients with Huntington`s Disease. N Engl J Med, 6. Mai 2019 2. A Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Intrathecally Administered RO7234292 (RG6042) in Patients With Manifest Huntington’s Disease. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03761849
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