Symptomarm und zu spät erkannt: DGVS fordert strukturierte Früherkennungsprogramme für Leberkrankheiten

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Weil Früherkennungsprogramme fehlen, werden Leberleiden oft erst dann entdeckt, wenn das Entgiftungsorgan schon stark geschädigt ist, betont die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) im Vorfeld des Welt-Hepatitis-Tages am 28. Juli. Angesichts steigender Zahlen von Lebererkrankungen würden strukturierte Früherkennungsprogramme dringend benötigt.

„Lebererkrankungen verlaufen meist über lange Zeit hinweg schmerz- und symptomlos. Zu Beginn weisen höchstens unspezifische Symptome wie Müdigkeit auf ein Problem mit der Leber hin“, erklärt Prof. Frank Lammert, Präsident der DGVS und Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. „Das Problem der Lebererkrankungen ist deshalb eines, das viel zu wenig wahrgenommen und deutlich unterschätzt wird – viele Betroffene wissen überhaupt nicht, wie schlecht es um ihr größtes inneres Organ steht“, ergänzt Prof. Heiner Wedemeyer, Mediensprecher der DGVS und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Leberschäden können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Am häufigsten sind sie mittlerweile auf unsere zu ungesunde Ernährung zurückzuführen: Die Fallzahlen der nicht alkoholischen Fettleber nehmen seit Jahren deutlich zu, jeder Vierte ist hierzulande inzwischen betroffen. Aber auch seltene genetische Faktoren, die Einnahme bestimmter Medikamente, übermäßiger Alkoholkonsum oder Infektionen mit Hepatitis-Viren können die Leber schädigen. Vor allem Infektionen mit Hepatitis B- und C-Viren weisen nach wie vor eine hohe Inzidenz auf. Sie zeichnen sich – anders als etwa Hepatitis A oder E – oft durch schwere, chronische Verläufe aus.

Allen Leberschädigungen ist gemein: Sie verursachen zu Beginn meist kaum Beschwerden. Bleiben sie unbemerkt und unbehandelt, entstehen Entzündungen in der Leber, die wiederum Vernarbungen nach sich ziehen, die man als Fibrose bezeichnet. Schreiten die Schäden weiter fort, kommt es zur Leberzirrhose. In Deutschland werden derzeit rund 300 000 Menschen mit Leberzirrhose behandelt – Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass es mindestens weitere 500 000 Betroffene gibt, die noch nichts von ihrer Zirrhose wissen. „Die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Patienten ist zehn bis 20 Jahre niedriger als die der Gesamtbevölkerung“, betont Lammert. Denn mit der Zirrhose steigt auch das Risiko für ein Leberversagen oder die Entwicklung von Leberkrebs.

Das ist umso tragischer, als Leberschäden oft vollständig umkehrbar sind – sofern sie rechtzeitig entdeckt werden. Denn die Leber verfügt über große Regenerationsfähigkeiten. Eine reine Leberverfettung, erste fibrotische Veränderungen und selbst frühe Stadien der Leberzirrhose sind gut therapierbar. Auch chronische Leberentzündungen, die auf eine Infektion mit Hepatitis-C-Viren zurückgehen, sind inzwischen heilbar. „Deshalb hätte die Früherkennung von Lebererkrankungen ein großes Potenzial“, so Lammert. „Spätfolgen wie Leberversagen und Leberkrebs könnten in vielen Fällen vermieden werden. Jedoch nur, wenn rechtzeitig einer Therapie begonnen wird.“

Wie eine strukturierte Früherkennung aussehen könnte, wird derzeit in der SEAL-Studie (Strukturierte Früh-Erkennung einer Asymptomatischen Leberzirrhose) untersucht, die in Rheinland-Pfalz und im Saarland durchgeführt wird. Sie hat zum Ziel, eine valide Datengrundlage zu schaffen, um die Bestimmung der Leberwerte als festen Bestandteil in den „Check-up 35“ aufzunehmen. Dieser Gesundheitscheck steht allen gesetzlich Versicherten zwischen 18 und 34 Jahren offen, ab dem 35. Geburtstag kann er alle drei Jahre wiederholt werden. „Patienten, die zur Vorsorge gehen, vertrauen darauf, dass sie mit dem „Check-up 35“ ein umfassendes Präventionsangebot erhalten. Ein Check der Leberwerte sollte eigentlich dazugehören – ist jedoch derzeit nicht Bestandteil der Untersuchung“, so Lammert.

In der SEAL-Studie sind die Abläufe folgendermaßen: Stellt der Hausarzt auffällige Leberwerte fest, überweist er an einen Facharzt, der eine weitergehende Diagnostik einleitet. Wenn sich bei dieser Gewebeveränderungen zeigen, muss therapeutisch gegengesteuert werden – im Fall der nichtalkoholischen Fettleber durch eine Lebensstiländerung, bei Virusinfektionen der Leber medikamentös. Die SEAL-Studie läuft noch bis Dezember 2020, dann werten die Wissenschaftler aus, bei wie vielen Teilnehmern durch die Untersuchung Leberschäden frühzeitig erkannt werden konnten.

„Wirksame Prävention erspart Betroffenen leidvolle Krankheiten und kann hohe wirtschaftliche Folgekosten, die durch die Behandlung fortgeschrittener Erkrankungen entstehen, vermeiden“, sagt Wedemeyer. „Die Erfolgsgeschichte der Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland ist hierfür ein Beispiel und es ist Ziel der DGVS, diese Erfolgsgeschichte auch für Lebererkrankungen fortzuschreiben.“