Telemedizin in der Pandemie: Nicht unbedingt für alle ein Segen

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Die COVID-19-Pandemie und damit verbundene Einschränkung persönlicher Kontakte auch zwischen Gesundheitsberuflern und Patientinnen und Patienten haben vielerorts dazu geführt, dass vermehrt telemedizinische Anwendungen zum Einsatz kommen. Dies ist für Medizinerinnen und Mediziner nicht unbedingt ein Vorteil, wie eine neue Studie zeigt.

Eine Umfrage unter Gesundheitsdienstleistern eines regionalen pädiatrischen Gesundheitsnetzwerks hat ergeben, dass die als Reaktion auf die Pandemie vorgenommenen Änderungen der ärztlichen Praxis bei Angehörigen der Gesundheitsberufe zu einem Burn-out beitragen können. Die Studie, in deren Rahmen die Befragung durchgeführt und kürzlich beim Kongress der American Academy of Pediatrics vorgestellt wurde, ergab, dass diejenigen, die schon im Vorfeld an einem Burn-out litten, Telemedizinkontakte mit Patientinnen und Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit negativ wahrnehmen. Dies könnte laut den Studienautorinnen und -autoren daran liegen, dass die Umstellung auf Telemedizin während der COVID-19-Pandemie rasch und unter Umständen unvorbereitet erfolgte. So habe es möglicherweise nicht genügend Richtlinien gegeben, die Medizinerinnen und Mediziner beim telemedizinischen Umgang mit Betroffenen unterstützen – insbesondere diejenigen, die bereits an einem Burn-out leiden, schreiben die Autorinnen und Autoren. Die Studie ergab auch, dass Maßnahmen, die Krankenhäuser und andere Institutionen zur Reduzierung der Burn-out-Gefahr bei bereits von diesem Erschöpfungszustand Betroffenen eher als unzureichend wahrgenommen werden.

„Veränderung ist schwer“, betonte Studienautor Dr. Kenneth Grant, Kindergastroenterologe bei Children’s Health Orange County (USA). „Die Pandemie hat eine massive Umstellung und die Einführung von Telemedizin in Gesundheitsorganisationen nötig gemacht. Es war keine Zeit, alle Regeln eines ‚Change Managements‘ zu befolgen.“

Ältere Forschungen zu Burnout bei Gesundheitsdienstleistern haben gezeigt, dass dies schwerwiegende negative Folgen für Gesundheitsdienstleister und Patienten haben kann, wobei Kliniker, die an Burnout leiden, mit größerer Wahrscheinlichkeit medizinische Fehler machen, stellen die Autoren fest.

Für die Studie entwarf ein multidisziplinäres Team einen kurzen, strukturierten Fragebogen, der im Juni 2020 an alle 378 Ärztinnen und Ärzte von Children’s Health Orange County verschickt wurde. Erfragt wurden demografische Informationen, Erfahrungen mit und die Wahrnehmung von Burn-out sowie Faktoren, die zu Burnout beitragen oder einem solchen entgegenwirken können. Nur 84 (22%) Ärztinnen und Ärzte schickten den Fragebogen ausgefüllt zurück, was laut den Forschenden für Umfragen unter Klinikerinnen und Klinikern normal ist. Bei den meisten der an der Umfrage Teilnehmenden handelte es sich um Frauen (57%). Darüber hinaus waren 70 Prozent der Teilnehmenden zwischen 35 und 54 Jahre alt, wobei etwa zehn Prozent jünger waren als 35 Jahre und 20 Prozent älter als 54 Jahre. Fast alle Befragten (92%) waren verheiratet oder in einer Lebensgemeinschaft. Bei circa 46 Prozent der Befragten handelte es sich um Fachärztinnen und -ärzte, bei 33 Prozent um Vertreterinnen und Vertreter der allgemeinen Kinderheilkunde und bei 20 Prozent um Klinikärztinnen und -ärzte.

Die Umfrage ergab, dass 56 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben an einem Burn-out litten. Dass ihre Patientinnen und Patienten mit den telemedizinischen Anwendungen zufrieden waren, glaubten 84,5 Prozent der Befragten. Allerdings erhöhte eine negativere Wahrnehmung von Telemedizin die Wahrscheinlichkeit, einen eigenen Burn-out anzugeben, um 47 Prozent.

Die Daten zeigen, dass unter Berücksichtigung anderer Variablen die Angabe eines eigenen Burn-out durch drei Wahrnehmungen vorhergesagt wird: COVID-19 hat bei Gesundheitsberuflern vermehrt zu Burn-out geführt, die Vorteile der Telemedizin überwiegen nicht die damit verbundenen Schwierigkeiten und es gibt zu wenig Unterstützung von Arbeitgebern beziehungsweise Institutionen, um die Burn-out-Last zu reduzieren. Letzteres aber wäre in diesen schwierigen Zeiten wichtig, betonen die Forschenden.