Thaumatin: Natürlicher Süßstoff mit entzündungshemmendem Potenzial

Doktorand Phil Richter bei Arbeiten im Labor G. Olias Doktorand Phil Richter bei Arbeiten im Labor. (Foto: © G. Olias / Leibniz-LSB@TUM)

Eine neue Studie zeigt, dass beim Verdau des natürlichen Süßstoffs Thaumatin bittere Peptide im Magen entstehen. Letztere sind in einem zellulären Testsystem in der Lage, die Säurefreisetzung menschlicher Magenzellen zu stimulieren und Entzündungsreaktionen zu beeinflussen.

„Unsere Forschung trägt dazu bei, die gesundheitlichen Effekte des als Süßstoff weit verbreiteten Pflanzenproteins aufzuklären“, sagt Veronika Somoza, Leiterin der Studie und Direktorin des Leibniz-Institutes für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München.

Das Team um Veronika Somoza erforscht unter anderem, wie bitter schmeckende Lebensmittelinhaltsstoffe den Stoffwechsel von Magenzellen und damit die Gesundheit beeinflussen. Hierzu hat das Team eine menschliche Magenzelllinie (HGT-1-Zellen) als Testsystem etabliert. An dieser hatte es bereits gezeigt, dass bestimmte Bitterstoffe im Zusammenspiel mit magenzelleigenen Bitterrezeptoren, die Protonenfreisetzung und damit die Säureproduktion der Zellen stimulieren. Zu solchen Bitterstoffen zählen auch Peptide, die beispielsweise beim Verdau von Milcheiweiß entstehen.

Aufbauend auf früheren Erkenntnissen

„Aber nicht nur Bitterstoffe, sondern auch die gesundheitlichen Effekte von Süßstoffen stehen immer wieder im Fokus des öffentlichen Interesses. Auf Grundlage unserer früheren Erkenntnisse haben wir daher untersucht, ob aus dem süßen Protein Thaumatin im Magen ebenfalls bittere Peptide entstehen, die physiologisch wirksam sein könnten“, berichtet Phil Richter, Erstautor und Doktorand am Leibniz-Institut.

Mithilfe von Untersuchungen an Schweinen, In-vitro-Experimenten und Geschmackstests identifizierte das Team zunächst drei Peptide, die bei der Verdauung von Thaumatin im Magen entstehen und bitter schmecken. Die bitteren Peptide stimulierten im Testsystem die Protonenfreisetzung aus HGT-1-Zellen bereits in extrem niedrigen Konzentrationen, das heißt, im nanomolaren Bereich.

Um mehr über die potentiell entzündungshemmende Wirkung der drei Peptide zu erfahren, untersuchte das Team zunächst, wie die Magenzellen des Testsystems generell auf die Zugabe von Helicobacter-pylori-Proteinen reagieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien ist H. pylori in der Lage, im extrem sauren Magenmilieu zu überleben, indem er unter anderem den niedrigen pH-Wert der Magensäure neutralisiert.

Entzündungshemmender Effekt

Wie die Versuchsergebnisse des Teams belegen, induzieren H.-pylori-Proteine in den Testzellen eine erhöhte Freisetzung von entzündungsförderndem Interleukin 17A. „Interessant ist, dass wir durch Zugabe von jeweils einem der identifizierten bitteren Peptide die induzierte Interleukinfreisetzung der Magenzellen um bis zu 89,7 Prozent verringern konnten. An diesem entzündungshemmenden Effekt und auch an dem Effekt auf die Protonenfreisetzung war der magenzelleigene Bittergeschmacksrezeptor TAS2R16 beteiligt“, berichtet Richter.

„Die in unserer Studie getesteten Peptidkonzentrationen basieren auf realistischen Konzentrationen, die durch den Verzehr einer handelsüblichen Süßstofftablette im Magen erreicht werden können. Daher legen unsere Ergebnisse nahe, das entzündungshemmende Potenzial von Thaumatin beziehungsweise seiner bitteren Verdauungsprodukte ebenso wie die Funktionen endogener Bitterrezeptoren weiter zu untersuchen. Unser Ziel ist es, die molekularen Mechanismen ernährungsbedingter entzündlicher Magenerkrankungen besser zu verstehen. Nicht zuletzt im Hinblick auf Infektionen mit Helicobacter pylori“, erklärt Somoza.

Eigenschaften von Thaumatin

Thaumatin ist ein Protein, das natürlicherweise in der westafrikanischen Katemfe-Frucht vorkommt. Es ist seit Langem für seine süßenden Eigenschaften bekannt und wirkt zudem geschmacksverstärkend. Als in der EU zugelassener Süßstoff (E 957) wird es häufig in Lebensmitteln und Getränken verwendet. Aufgrund seiner intensiven Süßkraft, die in etwa das 1600-fache von Saccharose erreicht, ist die tägliche Aufnahmemenge durch den Menschen eher gering und sein Energiegehalt von circa vier Kilokalorien pro Gramm kann vernachlässigt werden. Nachteilig ist jedoch, dass Thaumatin beim Backen und Kochen an Süßkraft verliert. Die Hitzeeinwirkung beeinträchtigt allerdings nicht seine geschmacksverstärkende Wirkung. Für Thaumatin ist kein ADI-Wert (Acceptable Daily Intake) festgelegt, da der Körper das Protein vollständig abbaut. Auch hohe Aufnahmemengen gelten als toxikologisch unbedenklich.