Transplantation von Schweineleber in lebenden Menschen: Bislang nur „Proof-of-Concept“13. Oktober 2025 Abbildung: © Artinun/stock.adobe.com Die Zahl der Spender reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Organtransplantaten zu decken. Die Xenotransplantation wird als mögliche Lösung für die Organknappheit untersucht. Im Falle von Lebern ist das aber noch ein weiter Weg, wie Experten meinen. Kürzlich machte ein Fallbericht aus China von sich reden: Chinesische Ärzte hatten weltweit erstmals eine Schweineleber in einen lebenden Menschen eingesetzt. Der 71-Jährige habe nach dem Eingriff noch 171 Tage gelebt, das zur Unterstützung der eigenen geschädigten Leber eingesetzte Organ sei allerdings bereits am 38. Tag aufgrund von Komplikationen wieder entfernt worden, berichtet das Ärzteteam im „Journal of Hepatology“. „Mehr Fragen als Antworten“ Die Operation öffne noch nicht die Tür für eine breite klinische Nutzung gentechnisch veränderter Schweinelebern, betonen Experten in einem unabhängigen Kommentar. Der Fallbericht werfe mehr Fragen als Antworten auf, aber auch das sei von großem Wert.Der Versuch beweise, dass eine gentechnisch veränderte Schweineleber über einen längeren Zeitraum im menschlichen Körper funktionieren könne, erklärte Studienleiter Beicheng Sun von der Anhui Medical University in China. Er zeige sowohl das Potenzial als auch verbleibende Hürden auf, insbesondere in Bezug auf Gerinnungsstörungen und immunologische Komplikationen. Bedarf an Organen weit größer als das Angebot In Deutschland warten mehr als 8000 Menschen auf eine Organspende, vielfach schon seit Jahren. Der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge spendeten im vergangenen Jahr rund 950 Menschen nach dem Tod ihre Organe. Eine große Hoffnung im Kampf gegen den Mangel ist die sogenannte Xenotransplantation, die Verpflanzung tierischer Organe, Gewebe oder Zellen. Schweineherzen und -nieren wurden in Versuchen bereits in Menschen transplantiert, im August wurde eine Schweinelunge in einen hirntoten Menschen verpflanzt. Auch eine Schweineleber wurde kürzlich transplantiert – allerdings in einen hirntoten Menschen. Diese Leber funktionierte bis zum Versuchsende nach zehn Tagen. Höhere Hürden als bei Herz und Niere Die Technik birgt große Herausforderungen: Schon bei Transplantationen zwischen Menschen muss das Immunsystem des Empfängers unterdrückt werden, damit das Organ nicht abgestoßen wird. Bei tierischen Organen ist der Unterschied noch größer. Die genutzten Schweine werden zuvor genetisch verändert, um die Abstoßungsreaktionen geringer ausfallen zu lassen.Der 71-Jährige in China habe an einer Hepatitis-B-bedingten Zirrhose und einem großen Leberzellkarzinom gelitten, teilte Suns Team mit. Das Erbgut des Spenderschweins wurde demnach an zehn Stellen verändert, um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden und die Immun- und Gerinnungskompatibilität zu fördern. Komplikationen ab Tag 31 In den ersten Wochen gab es der Studie zufolge kaum Probleme. Das Organ habe auch Galle produziert. Ab dem 31. Tag jedoch habe es Komplikationen an Blutgefäßen gegeben. Es handelte sich demnach um eine thrombotische Mikroangiopathie, eine schwer behandelbare Komplikation bei Transplantationen. Am 38. Tag sei die Leber daher wieder entfernt worden. Der Zustand des Mannes habe sich daraufhin für einige Wochen wieder verbessert. „Leider kam es am 135. Tag nach der Operation zu einer plötzlichen Blutung im oberen Magen-Darm-Trakt“, hieß es von den Forschenden. Die Blutungen hätten schließlich am 171. Tag nach der Operation zum Tod geführt. „Fortschritt im Bereich der Xenotransplantation“ Die Studie sei im Vergleich zu früheren Arbeiten als bedeutender Fortschritt im Bereich der Xenotransplantation zu werten, erklärte Dr. Daniel Reichart von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Die Xenotransplantation einer Leber gilt als besonders herausfordernd, unter anderem, weil die von der Leber produzierten Eiweiße sehr spezifisch für Menschen sind. Ein langfristiger Verbleib einer Schweineleber im Menschen gilt derzeit als eher unwahrscheinlich, als realistischere Möglichkeit wird der Einsatz zur Überbrückung bei akutem Leberversagen gesehen.Es sei zu erwarten gewesen, dass die Syntheseleistung der transplantierten Leber aufgrund artspezifischer Unterschiede eingeschränkt sein würde, sagte Reichart. „Dennoch sind die Ergebnisse ermutigend. Sie zeigen, dass mit weiterer Forschung und verbessertem Verständnis auch im Bereich der Xeno-Lebertransplantation Fortschritte möglich sind.“Ein Vorteil der xenogenen Lebertransplantation bestehe darin, dass Schweinezellen nicht durch das humane Hepatitis-B-Virus infiziert werden können, erklärte Konrad Fischer von der Technischen Universität München (TUM). „Damit bleibt das transplantierte Schweineorgan selbst bei Patienten mit aktiver oder chronischer Hepatitis-B-Infektion frei von viraler Schädigung.“ Noch viel weitere Forschung notwendig Die Studie gebe Anlass zu vorsichtigem Optimismus, erinnere aber auch daran, wie stark das Feld sich noch weiterentwickeln müsse, heißt es in einem zur Studie veröffentlichten Kommentar einer Forschergruppe um Prof. Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Daten zeigten, dass eine Xenoleber zumindest vorübergehend wichtige Leberfunktionen übernehmen könne.Unter Behandlung mit acht das Immunsystem unterdrückenden Medikamenten habe die Schweineleber im Patienten eine akzeptable Funktion gezeigt – allerdings auch anhaltend hohe Bilirubinwerte, die auf eine gestörte Bilirubinverarbeitung in der Leber hinweisen.Eine breite und transparente Diskussion ethischer, kultureller und religiöser Belange sei dringend erforderlich, wenn die Leber-Xenotransplantation eine breitere Akzeptanz finden solle, so die Gruppe um Wedemeyer. Ergänzende Vorschläge „Diese erste funktionelle Xenotransplantation einer Schweineleber in einen lebenden Menschen ist mehr als ein technischer Erfolg, sie markiert den Beginn einer neuen Ära in der Transplantationsmedizin“, lautet das Urteil von Dr. Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation am Lehrstuhl für Biotechnologie der Nutztiere, Technische Universität München. Dieser Fall beweise, dass Schweineorgane mit gezielten genetischen Anpassungen klinisch relevante Funktionen im menschlichen Organismus übernehmen können. Der Mediziner unterstreicht: „Xenogene Organe könnten künftig als kurzfristige, lebensrettende Brücke dienen, bis sich die eigene Leber regeneriert oder eine geeignete Spenderleber verfügbar ist.“ Fischer sieht bei dem aktuellen Bericht aber auch Limitationen: Unklar bleibe bislang, in welchem Maße die eingeführten Transgene während des Transplantationsverlaufes exprimiert wurden, da die Expressionsniveaus weder vor noch nach der Operation quantifiziert wurden. „Diese Information könnte entscheidend sein, um die beobachteten Verläufe besser zu verstehen und künftige Xenotransplantationen zu optimieren. Für zukünftige Anwendungen könnten weitere genetische Optimierungen der Spenderschweine die Sicherheit und Funktionalität xenogener Lebern weiter verbessern.“ Er ergänzt: „Besonders vielversprechend ist der Knockout des ASGR1-Gens (Asialoglykoprotein-Rezeptor 1), das in der Schweineleber eine zentrale Rolle bei der Clearance humaner Glykoproteine spielt. Ein solcher Knockout könnte die Aufnahme humaner Serumproteine verringern, die Interaktion mit dem menschlichen Immunsystem reduzieren und potenziell die Stabilität und Lebensdauer des Xenotransplantats erhöhen.“ Auch Prof. Uta Dahmen, Leiterin der Abteilung Experimentelle Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Jena, hat Verbesserungsvorschläge für die weitere Forschung: Im Vorfeld der Transplantation hätte man gegebenenfalls die zirrhosebedingten Ösophagus und Fundusvarizen umfassender erfassen können/müssen, da diese letztendlich den Tod des Patienten verursacht haben, kommentierte sie auf Anfrage des Science Media Center Germany.
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