Trauma, schlechter Schlaf und Belastungssymptome hängen eng zusammen16. Januar 2019 Prof. Tanja Michael (l.) und Dr. Roxanne Sopp forschen daran, Trauma-Therapien wirksamer zu machen. (Fotos: privat) Schlafprobleme könnten entscheidenden Einfluss darauf haben, dass Menschen nach schwer belastenden Erlebnissen eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Hierfür haben Trauma-Forscherinnen der Universität des Saarlandes in einer Schlafstudie Hinweise gefunden. Menschen, die extreme körperliche Gewalt, einen Terroranschlag, Unfall, Krieg oder sonst Erschütterndes erlebt haben, schaffen es mitunter nicht, das Erlebte zu verarbeiten. Bei der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) wird für die Betroffenen die Erinnerung zum Problem. Belanglose Kleinigkeiten – ein Geruch, ein T-Shirt in bestimmter Farbe – lösen ohne Vorwarnung Flashbacks aus: Plötzlich und mit Wucht erleben sie das Schreckliche wieder und wieder – mehrmals am Tag. „Typisch ist auch, dass Betroffene sich an wesentliche Teile des Geschehens nicht vollständig erinnern können“, erklärte Psychologie-Professorin und Trauma-Therapeutin Tanja Michael, die an der Universität des Saarlandes die Lehr- und Forschungsambulanz für Psychologische Psychotherapie leitet. Offenbar ist bei Trauma-Folgestörungen also das Gedächtnis beeinträchtigt. Dem wollten die Saarbrücker Trauma-Forscherinnen näher auf den Grund gehen. Die Ergebnisse ihrer Schlafstudie sprechen dafür, dass Trauma, schlechter Schlaf und die Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) eng zusammenhängen: Sie fanden Hinweise, dass ein traumatisches Ereignis Schlafstörungen hervorrufen kann und dass die Schlafqualität wiederum Auswirkungen darauf hat, dass sich PTBS-Symptome entwickeln. „Siebzig bis über neunzig Prozent der Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen leiden an Ein- und Durchschlafstörungen, das ist aus früheren Studien bekannt“, erklärte Dr. Roxanne Sopp. Die Psychologin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Tanja Michael. Der Schlaf spielt generell eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisbildung. „Insbesondere beim Abspeichern ins Langzeitgedächtnis und für das Konsolidieren des Gedächtnisses hat der Schlaf ausschlaggebende Funktion“, erläuterte Sopp. Um das Zusammenspiel von Trauma, Schlafstörungen und gedächtnisbezogenen Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung näher zu beleuchten, konfrontierten die Forscherinnen Probanden mit „traumatischen“ Filminhalten. In ihrer experimentellen Studie untersuchten sie, wie sich diese Filminhalte, die eine Art „kleines“, zeitlich begrenztes Trauma auslösen, bei den Testpersonen auf die Schlafqualität und auf spontane, belastende Erinnerungen auswirken. 32 Probanden, allesamt robuste Schläferinnen und Schläfer ohne Schlafschwierigkeiten, verbrachten eine Nacht im Schlaflabor der Saar-Uni – beobachtet von den Forscherinnen, die mit Gehirnstrom-Messungen (EEG) über ihren Schlaf wachten. Eine Gruppe sah vor dem Zubettgehen den Trauma-Film, die Kontrollgruppe einen neutralen, nicht belastenden Film. „Die Schlafdauer war in der Trauma-Gruppe reduziert, der Non-REM-Schlaf signifikant reduziert und die Wachphasen in der Nacht waren länger“, fasst Sopp zusammen. Die Probanden der Trauma-Gruppe führten im Anschluss mehrere Tage ein Tagebuch und dokumentierten, wie oft sie an Szenen des Films dachten und wie belastend sie dies empfanden. Außerdem beantworteten sie Fragebögen, in denen typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Flashbacks abgefragt wurden. Die Ergebnisse werteten die Forscherinnen zusammen mit den Gehirnstrom-Messungen aus. Sie fanden deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang: „Mehr Schlaf, weniger Symptome“, bringt es Sopp auf den Punkt. „Je mehr REM-Schlafphasen die Probanden hatten, desto weniger Flashbacks hatten sie nach Schlüsselreizen und sie empfanden diese auch als weniger belastend. Das spricht für einen Zusammenhang von Schlaf und PTBS-Symptomen.“ Diese Erkenntnisse wollen die Forscherinnen jetzt in die psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen einfließen lassen. Ziel ist es insbesondere, die Konfrontationstherapie, eine der erfolgreichsten Trauma-Behandlungsmethoden, weiter zu verbessern. Im Rahmen solcher Therapien wollen sie gezielt Schlaftherapien einsetzen, um die Gedächtnisbildung zu unterstützen. „Die Störung der Gedächtnisprozesse, die dafür verantwortlich ist, dass das traumatische Ereignis für die Betroffenen ständig wieder zur Gegenwart wird, ist zentraler Ansatzpunkt der Konfrontationstherapie. Zugleich erschwert diese Störung aber auch den Therapieprozess und damit die Wirksamkeit der Therapie. Hier setzen wir mit unserer Forschung an“, erklärte Sopp. „Um perspektivisch die Wirksamkeit der Konfrontationstherapie zu verbessern, untersuchen wir, ob der Schlaf Gedächtnisprozesse verstärkt, die während erfolgreicher Trauma-Therapien stattfinden.“ Ein entsprechendes Projekt, in dem die Arbeitsgruppe erforscht, ob der Schlaf Gedächtnisprozesse während erfolgreicher Trauma-Therapien verstärkt, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ab Januar 2019 mit rund 215.000 Euro. Originalpublikation: Sopp M. R. et al.: REM theta activity predicts re-experiencing symptoms after exposure to a traumatic film. Sleep Medicine 2019;54:142-152.
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