Tumorfördernde Bakterien: Wirkt sich eine Appendektomie auf das Darmkrebsrisiko aus?

Appendektomie (Foto: © Have a nice day/stock.adobe.com)

Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen einer Appendektomie und einem verringerten Risiko für Kolorektalkarzinome, bei denen tumorfördernde Bakterien nachweisbar sind. Das berichtet eine Forschergruppe aus den USA.

Deren Studie ergab, dass eine Appendektomie mit einem verringerten Risiko für einen Darmkrebs-Subtyp verbunden ist, der sich durch das Vorhandensein des wahrscheinlich tumorfördernden Bakteriums Fusobacterium nucleatum auszeichnet. Die Forschungsergebnisse wurden gerade in den „Annals of Surgery“ veröffentlicht.

„Eine Appendizitis ist eine schmerzhafte und häufig notfallmäßig zu behandelnde Erkrankung, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betrifft, und Appendektomien stellen die Behandlung der Wahl dar“, erläutert Dr. Shuji Ogino von der Abteilung für Pathologie am Brigham and Women’s Hospital in Boston (USA) den Hintergrund der Arbeit. „Allerdings sind die langfristigen Auswirkungen dieses Verfahrens auf das Darmmikrobiom und damit auf das Darmkrebsrisiko unklar. Wir fanden heraus, dass Personen, die sich einer Appendektomie unterzogen hatten, ein deutlich geringeres Risiko dafür besaßen, an diesem Darmkrebs-Subtyp zu erkranken.“

In zukünftigen Arbeiten möchten die Mitarbeiter in Oginos Labor die Auswirkungen von Appendektomien auf kolorektale Neoplasien untersuchen, die andere potenziell pathogene Bakterien enthalten. Die Forschenden wollen dabei auch die Rolle des Appendix beim Beitrag von Bakterien zum Darmmikrobiom untersuchen und wie sich sein Fehlen auf verschiedene Aspekte der menschlichen Gesundheit auswirkt.

Die Wissenschaftler trugen Daten aus zwei großen prospektiven Kohortenstudien zusammen: der Nurses’ Health Study (121.700 Frauen im Alter von 30-55 Jahren zum Zeitpunkt der Rekrutierung) und der Health Professionals Follow-up Study (51.529 Männer im Alter von 40-75 Jahren zum Zeitpunkt der Rekrutierung). Alle zwei Jahre gaben die Probanden Informationen zu Lebensstil und Gesundheit ab. Das Team analysierte Daten von 91.975 Frauen und 47.431 Männern, die Auskunft darüber gegeben hatten, dass in der Vergangenheit eine Appendektomie durchgeführt beziehungsweise nicht durchgeführt worden war. Zuvor hatte man Studienteilnehmer mit einer Krebserkrankung, einer Chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder einer als unwahrscheinlich eingeschätzten Kalorienaufnahme von der Analyse ausgeschlossen. Immer noch weitebeobachtet beziehungsweise bis zu deren Tod nachverfolgt wurden schließlich 139.406 Teilnehmer aus beiden Kohorten.

Von 2811 unter den Probanden dokumentierten Darmkrebsfällen stand für 1065 Gewebe zur Analyse hinsichtlich des Bakteriums F. nucleatum zur Verfügung. Die Ergebnisse des Forschungsteams zeigten, dass Personen, die sich einer Appendektomie unterzogen hatten, ein um 47 Prozent geringeres Risiko dafür besaßen, an F.-nucleatum-positivem Darmkrebs zu erkranken, als diejenigen, bei denen ein solcher Eingriff nicht durchgeführt worden war. Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken – insgesamt oder nach Krebs-Subtypen – erhöhte sich durch das Verfahren nicht.

Als Einschränkungen ihrer Studie nennen die Autoren, dass es sich bei den in die Analyse aufgenommenen Teilnehmern überwiegend um Weiße und Nicht-Hispanoamerikaner handelte. Den Forschern lagen nur Informationen zu Appendektomien vor, die zum Zeitpunkt der spezifischen Befragung durchgeführt worden waren. Sie konnten die Auswirkungen von Appendektomien nach diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigen. Appendektomien werden jedoch am häufigsten im Alter zwischen 15 und 30 Jahren durchgeführt, und die Teilnehmer waren zum Zeitpunkt der Befragung durchschnittlich 58 Jahre (Frauen) beziehungsweise 53 Jahre (Männer) alt. Die Forschenden schlossen Fälle von Darmkrebs aus, die vor der spezifischen Befragung aufgetreten waren; sie halten jedoch fest, dass diese Zahl relativ gering war. Schließlich waren nicht für alle Fälle von Darmkrebs Daten zur bakteriellen Belastung verfügbar.

„In unserer Studie haben wir den Zusammenhang zwischen Appendektomien und Darmkrebs untersucht, der für einen bestimmten Bakterienstamm positiv war“, sagt Ogino. „Allerdings tragen viele Arten von Bakterien zur Tumorentstehung bei, und das gesamte Bakterienspektrum, das der Appendix beherbergt, bleibt unklar. Daher können wir nicht definitiv sagen, ob sich die Entfernung eines Organs, das als potenzielle ‚sichere Heimstatt‘ für bestimmte Bakterien gilt, immer positiv oder negativ auf das Darmkrebsrisiko auswirkt, und wir können auch nicht empfehlen, es präventiv zu entfernen. Wir wissen, dass der Appendix eine Rolle bei der Immunfunktion spielt, und unsere Forschung zielt darauf ab, die Rolle des Appendix im Körper und wie sich seine Entfernung langfristig auf die allgemeine Gesundheit auswirkt, näher zu beleuchten.“