Überraschender Zusammenhang zwischen zirkadianer Störung und Krebs könnte mit der Körpertemperatur zu tun haben5. Oktober 2022 Abbildung: © kanyanat/stock.adobe.com Wissenschaftler des Scripps Research Institute (USA) haben möglicherweise einen unerwarteten Schuldigen bei Krebserkrankungen identifiziert: eine Familie von Genen, die auf Temperaturveränderungen im Körper reagieren. Störungen des zirkadianen Rhythmus sind in der Vergangenheit mit vielen verschiedenen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht worden – auch mit Krebs. Die Verbindung zwischen den beiden ist aber noch kaum verstanden, obwohl Schichtarbeiter und andere Berufstätige mit unregelmäßigen Arbeitszeiten immer wieder darunter zu leiden haben. Die neue Entdeckung von Forschenden des Scripps Research Institute hilft aber nun, Antworten darauf zu finden, was hinter diesem Zusammenhang stecken könnte. Die kürzlich veröffentlichten Untersuchungsergebnisse zeigen, dass eine chronische zirkadiane Störung das Lungenkrebswachstum in Tiermodellen signifikant erhöhte. Durch die Identifizierung der daran beteiligten Gene werfen die Wissenschaftler Licht auf die bisher rätselhafte Verbindung zwischen Schlafmustern und Erkrankungen. Dies könnte Informationen für die Entwicklung gezielterer Krebsbehandlungen bis hin zu einer besseren Überwachung von Hochrisikogruppen liefern. „Es gab schon immer viele Beweise dafür, dass Schichtarbeiter und andere Personen mit gestörtem Schlafrhythmus höhere Krebsraten haben. Die Mission unserer Studie war es, herauszufinden, warum das so ist“, erklärt Seniorautorin Prof. Katja Lamia von der Abteilung für Molekulare Medizin. Um diese Frage zu beantworten, verwendeten die Wissenschaftler ein Mausmodell mit exprimiertem KRAS – dem am häufigsten mutierten Gen bei Lungenkrebs. Die Hälfte der Mäuse wurde in einem „normalen“ Lichtzyklus gehalten, was je zwölf Stunden Licht beziehungsweise Dunkelheit bedeutet. Die andere Hälfte der Tiere war einem Lichtzyklus ausgesetzt, der dem von Schichtarbeitern ähneln sollte: mit einer Verschiebung der Zeit unter Licht alle zwei oder drei Tage um acht Stunden. Die Ergebnisse stimmten mit dem überein, was die Forscher ursprünglich angenommen hatten: Mäuse, die den unregelmäßigen, wechselnden Lichtmustern ausgesetzt waren, besaßen eine um 68 Prozent erhöhte Tumorlast. Als die Wissenschaftler aber mittels RNA-Sequenzierung die verschiedenen Gene bestimmten, die am Krebswachstum beteiligt sind, waren sie überrascht: Teile der Familie der Hitzeschockfaktor-1(HSF1)-Proteine waren die Hauptverantwortlichen. „Das ist nicht der Mechanismus, den wir hier erwartet hatten. Es war gezeigt worden, dass HSF1 die Raten der Tumorbildung in mehreren verschiedenen Krebsmodellen erhöht, aber es wurde noch nie zuvor mit einer zirkadianen Störung in Verbindung gebracht“, erklärt Lamia. HSF1-Gene sind dafür verantwortlich, dass Proteine auch dann noch korrekt hergestellt werden, wenn eine Zelle unter extremem Stress steht – in diesem Fall bei Temperaturveränderungen. Das Team vermutet, dass die HSF1-Aktivität als Reaktion auf eine zirkadiane Störung erhöht wird, da Veränderungen in unseren Schlafzyklen auch den täglichen Rhythmus unserer Körpertemperatur stören. „Normalerweise verändert sich unsere Körpertemperatur im Schlaf um ein bis zwei Grad. Wenn Schichtarbeiter diesen normalen Temperaturabfall nicht erfahren, könnte dies die normale Funktionsweise des HSF1-Signalwegs beeinträchtigen – und letztendlich zu einer weiteren Dysregulation im Körper führen“, fügt Lamia hinzu. Sie glaubt, dass Krebszellen den HSF1-Weg zu ihrem eigenen Vorteil nutzen und mutierte, falsch gefaltete Proteine erzeugen können. Die Forscherin betont aber auch, dass dazu noch mehr geforscht werden müsse. Die aktuellen Ergebnisse tragen laut den Wissenschaftlern nicht nur zum Verständnis dessen bei, wie sich zirkadiane Rhythmen auf Krebs auswirken, sondern möglicherweise auch zur Prävention in anfälligeren Risikogruppen. Durch die nichtinvasive Überwachung der Körpertemperatur könnte es möglich sein, die Arbeitszeiten von Schichtarbeitern zu optimieren und sogar diese Art von Dysregulation zu stoppen, die zu Krebs führen kann. Auf der Grundlage ihrer Beobachtungen prüfen die Wissenschaftler nun, ob die HSF1-Signalgebung erforderlich ist, um die Tumorlast zu erhöhen, und ob dies nicht nur eine Korrelation ist. „Jetzt, da wir wissen, dass es eine molekulare Verbindung zwischen HSF1, zirkadianer Störung und Tumorwachstum gibt, ist es unsere Aufgabe, herauszufinden, wie sie alle miteinander verbunden sind“, erklärt Lamia.
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