UKE-Forscher entwickeln Modell, das cholesterinabhängiges Langzeitrisiko für Herzinfarkt berechnet5. Dezember 2019 Erstautoren der Studie Dr. Fabian Brunner (li.) und Dr. Christoph Waldeyer (re.) aus der Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE. Foto: © UKE/Axel Kirchhof Ein erhöhter Cholesterinspiegel vergrößert insbesondere für junge Menschen das Langzeitrisiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, stärker als bisher angenommen. Dies ergab eine Studie von Forschern der Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Kardiologen um Prof. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE, haben ein Modell entwickelt, mit dem sich das cholesterinabhängige Risiko für einen Herzinfarkt bis zum Alter von 75 Jahren berechnen lässt. Ihre internationale Studie wurde gestern im “Lancet” veröffentlicht. Das für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortliche Cholesterin, das nicht zum „guten“ HDL-Cholesterin gehört – im Blut gemessen als non-HDL-Wert –, ist nach Ergebnissen der Studie ein besonders guter Marker für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle, die unter Umständen erst in mehreren Jahrzehnten eintreten werden. Das neue Risikomodell der Mediziner zeigt im Langzeitverlauf, dass schon ein leicht erhöhter non-HDL-Wert zwischen 3,7 und 4,8 Millimol pro Liter (3,7-<4,8 mmol/L; das entspricht etwa 145 bis <185 Milligramm pro Deziliter – 145-<185 mg/dL –, der in Deutschland geläufigen Messweise) bei einer 40-jährigen Frau zu einem 1,8-fach erhöhten Infarktrisiko in ihrem Leben führt. Bei einem Mann gleichen Alters erhöht sich das Risiko um das Zweifache gegenüber Personen mit nicht erhöhten Cholesterinwerten. Kommen weitere Faktoren wie Diabetes oder Rauchen hinzu, liegt die Wahrscheinlichkeit bei demselben Cholesterinwert im Laufe des Lebens, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei bis zu 29 Prozent. „Der ungünstige Effekt der schädlichen Blutfette auf die Gefäße scheint sich mit steigendem Lebensalter zu akkumulieren, sodass auch geringe Grenzwertüberschreitungen, gerade bei jüngeren Menschen, über die Jahre negative Auswirkungen haben können“, erklärt Dr. Fabian Brunner, Klinik und Poliklinik für Kardiologie und einer der Erstautoren der Studie. Bisher wurde das Herzinfarktrisiko bei Personen mit erhöhten Blutfettwerten nur für die nächsten zehn Jahre errechnet. Dabei ergab sich, gerade bei jüngeren Menschen, häufig kein signifikant erhöhtes Risiko. Basierend auf der durchgeführten Studie lässt sich nun nahezu das Lebenszeitrisiko vorhersagen. Mit dem neu entwickelten Risikomodell haben die Forscher auch das hypothetische Risiko für dieselben Personen mit einem um 30 bzw. 50 Prozent gesenkten non-HDL-Wert errechnet – dies verringert das Infarktrisiko erheblich. Im Fall eines 40-jährigen Mannes ohne weitere Risikofaktoren von 19 auf nur noch gut 4 Prozent. Das Modell kann künftig Patienten und Ärzten bei der Entscheidung unterstützen, ob cholesterinsenkende Maßnahmen, wie beispielsweise die Einnahme eines Statins, sinnvoll sind. „Die bisher verwendeten Risikorechner können das relevante Lebenszeitrisiko junger Patientinnen und Patienten unterschätzen. Behandlungsstudien zur Cholesterinsenkung in der Primärprävention geben uns bisher lediglich einen Anhalt über wenige Jahre, obwohl die Anwendung präventiver Maßnahmen eine lebenslange Herausforderung darstellt. Unser Modell schließt hier eine Wissenslücke und ermöglicht eine Veranschaulichung des individuellen Langzeitrisikos sowie des potentiellen Langzeitnutzens einer Cholesterinsenkung“, sagt Dr. Christoph Waldeyer, Klinik und Poliklinik für Kardiologie und ebenfalls Erstautor der Studie. Grundlage der über drei Jahre andauernden Datenanalysen ist ein harmonisiertes Modell, das neben weiteren europäischen Ländern auch Daten aus den USA und Australien berücksichtigt. „Das Besondere an der zu diesem Thema bisher größten populationsbasierten Studie ist, dass auf Rohdaten – nicht auf bereits veröffentlichte Ergebnisse – von unterschiedlichen Datenbasen weltweit zurückgegriffen wurde“, betont Blankenberg. Dabei ließen die Daten der rund 400.000 Teilnehmer aus 38 prospektiven populationsbasierten Studien aus 19 Ländern Rückschlüsse über die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Bezug auf die gemessene Cholesterinwerten bei den Teilnehmern der Studien über einen Verlauf von bis zu 43 Jahren zu. „Dies ermöglicht eine sehr gute therapeutische Entscheidungshilfe in der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten über die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, betont Blankenberg. Publikation: Brunner, F. J., Waldeyer, C., Ojeda, F. et al. Application of non-HDL cholesterol for population-based cardiovascular risk stratification: results from the Multinational Cardiovascular Risk Consortium. Lancet 03.12.2019; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)32519-X
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]
Mehr erfahren zu: "ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock?" Weiterlesen nach Anmeldung ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock? Im Vergleich zu oralem Ticagrelor bewirkte intravenös (i.v.) verabreichtes Cangrelor in der randomisierten Studie DAPT-SHOCK-AMI eine sofortige, wirksame Thrombozytenhemmung ohne Anstieg schwerer Blutungen und mit einer Tendenz zu niedrigeren Mortalitätsraten […]
Mehr erfahren zu: "DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“" DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“ Fast alle Klinken in Deutschland (98%) haben mit den organisatorischen Vorbereitungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) begonnen. Dies geht aus einer aktuellen Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) hervor.