Ulmer Studie zeigt embryoschädigende Wirkung von Glyphosat19. Juni 2023 Die Erstautorin der Studie Hannah Flach (l.) mit Studienkoordinatorin Prof. Susanne Kühl (Foto: Vanessa Ihle/Uni Ulm) Aktuell wird auf EU-Ebene über eine mögliche Verlängerung der Zulassung für Glyphosat und darauf basierter Herbizide beraten. Wissenschaftler der Universität Ulm haben untersucht, wie sich Glyphosat als Reinstoff auf die Embryonalentwicklung des Krallenfrosches auswirkt. Die Forschenden stießen dabei auf sichtbare Fehlbildungen an Leib, Herz und Hirn sowie auf messbare Verhaltensänderungen. Kürzere Körper, kleinere Augen, missgebildete Hirnnerven, dazu kommen verkleinerte Herzen und ein verlangsamter Herzschlag. So unterscheiden sich Krallenfrosch-Kaulquappen, die mit Glyphosat behandelt wurden, laut einer neuen Ulmer Studie von ihrer unbehandelten Kontrollgruppe. „Ein weiterer Unterschied: Die dem Herbizid-Reinstoff ausgesetzten Kaulquappen zeigen ein verändertes Schwimmverhalten“, erklärt Prof. Susanne Kühl vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Ulm, die die Studie koordiniert hat. Je höher die Glyphosat-Konzentration, desto unruhiger bewegen sich die schwimmfähigen Krallenfroschembryonen und legen dabei messbar längere Strecken zurück. Über 14 Tage hinweg wurden die Krallenfroschembryonen unterschiedlich konzentrierten Glyphosat-Lösungen ausgesetzt. Die Embryonen entwickeln sich dabei vom Zweizell-Stadium bis zur Kaulquappe. Getestet wurden Glyphosat-Konzentrationen von 0,1 mg/l, 10 mg/l, 97 mg/l bis hin zu 243 mg/l sowie weitere Zwischenstufen „Wir haben uns insbesondere bei den Detailanalysen an Größenordnungen orientiert, wie sie weltweit auch in natürlichen Gewässern zu finden sind“, erläutert Kühl. Während in Europa Glyphosat-Konzentrationen zwischen 0,0025 mg/l (Deutschland), 0,086 mg/l (Frankreich) und 2,46 mg/l (Portugal) gemessen wurden – wie entsprechende Studien zeigen – erreichen Gewässer in Ländern wie China mit 15,21 mg/l und Argentinien mit 105 mg/l Spitzenwerte. Kaulquappen des Krallenfrosches, die mit Glyphosat behandelt wurden (unten), sind kleiner als die unbehandelten Tiere aus der Kontrollgruppe (oben); Abb. unten: auch die Herzen der Glyphosat-behandelten Krallenfroschembryonen sind kleiner. (Aufnahmen: Hannah Flach)Uni Ulm „Überraschend für uns war, dass einige Defekte bereits bei der niedrigsten Konzentration auftraten, die wir getestet haben, also bei 0,1 mg/l. Das sind Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern in vielen Ländern teils mehrfach überschritten werden“, sagt Hannah Flach, Doktorandin am Institut für Biochemie und Molekularbiologie und Erstautorin der Studie. Das fünfköpfige Forschungsteam, zu dem auch Prof. Matthias Liess gehört, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ) das Department für System-Ökotoxikologie leitet, konnte in der Studie nicht nur nachweisen, dass Glyphosat Entwicklungsdefekte in Form von morphologischen Veränderungen und Verhaltensmodifikationen hervorruft. Die Forschenden konnten auch erste Hinweise auf einen möglichen molekularen Mechanismus finden: Das Glyphosat hemmt die Aktivität eines wichtigen Gens, das für die Herzentwicklung eine entscheidende Rolle spielt. „Die verminderte Schlagfähigkeit der Herzen von Kaulquappen, die mit dem Herbizid-Wirkstoff behandelt wurden, könnte damit in Zusammenhang stehen“, resümiert Kühl. Der südafrikanische Krallenfrosch ist ein fest etablierter Modellorganismus der entwicklungsbiologischen Forschung, da Erkenntnisse aus Experimenten mit Xenopus laevis in großer Breite auf andere Organismen übertragbar sind. Die Ulmer Wissenschaftler gehen aufgrund ihrer Ergebnisse und der Befunde ähnlicher Untersuchungen davon aus, dass Herbizide wie Glyphosat zu den Hauptursachen des weltweiten Amphibiensterbens gehören könnten. Dass Glyphosat beziehungsweise Glyphosat-basierte Herbizide auch toxisch auf andere Tierarten wie Fische, Krustentiere und Muscheln, aber auch auf Insekten und Säugetiere wirken, zeigen zahlreiche empirische Belege aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen. Zu den festgestellten Effekten gehören erhöhte Sterberaten, Wachstumsdefekte, Organschäden und Verhaltensstörungen. „All diese Evidenzen sprechen dafür, dass dieses Herbizid breite Auswirkungen auf die Tierwelt hat und für Lebewesen neu bewertet werden muss“, erklärt Kühl. Im Zusammenhang mit den bereits bekannten Befunden anderer Arbeitsgruppen hat also auch die neue Ulmer Studie eine gewisse Brisanz: Aktuell wird auf EU-Ebene über eine mögliche Verlängerung der Zulassung für Glyphosat und darauf basierter Herbizide beraten.
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