Unklare Hepatitisfälle unter Kindern: Waren Infektionen mit „Helferviren“ Schuld?

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Eine Untersuchung von Forschenden der Universität Sydney (Australien) wirft mehr Licht auf die Welle schwerer Hepatitis-Fälle unter Kindern im Alter von unter zehn Jahren, die im Jahr 2022 beobachtet wurde.

Der Ausbruch hatte ausschließlich Kinder in dieser Altersgruppe betroffen. Innerhalb eines Jahres wurden der Weltgesundheitsorganisation mehr als 1000 Kinder aus 35 Ländern gemeldet, die an einer Hepatitis unbekannter Ursache erkrankten. Binnen zwölf Monaten allerdings schienen diese Krankheitsfälle genauso schnell zu verschwinden, wie sie aufgetaucht waren.

Laut den australischen Wissenschaftlern nun stützt die aktuelle medizinische Evidenz eine bestehende Theorie, laut der diese mysteriöse Hepatitis durch eine gleichzeitige Infektion mit verschiedenen Viren verursacht wurde. Die Evidenz zeigte aber auch, dass die Erkrankung häufiger auftrat und die Fälle schwerwiegender waren als ursprünglich angenommen. In sechs Prozent der gemeldeten Fälle wurde eine Lebertransplantation nötig. Wie die Autoren der aktuellen Studie betonen, wurden die Fragen rund um den rätselhaften Ausbruch nur zur Hälfte beantwortet, weil das Monitoring der Fälle durch die jeweils zuständigen Gesundheitsbehörden nicht einheitlich war. Zu den noch ungeklärten Fragen gehörte somit auch, warum entsprechende Fälle nur aus bestimmten Ländern gemeldet wurden.

Die ersten Patienten wurden im Vereinigten Königreich registriert. Es folgten die USA, insbesondere Fälle im US-Bundesstaat Alabama. Es gab jedoch keinen klaren Zusammenhang, der hätte erklären könnte, wie sich die Krankheit von Kontinent zu Kontinent bewegte.

„Als sich der Ausbruch ausbreitete, war die Zunahme der Fälle verblüffend“, sagt Mitautor Prof. Guy Eslick vom Australian Paediatric Surveillance Unit an der University of Sydney. „Die Art und Weise, in der diese Fälle auftraten, war erstaunlich und man stellte sich die Frage, warum es sowohl Fälle im Vereinigten Königreich als auch in den Vereinigten Staaten gab.“ Eslick ergänzt: „Es war ein medizinisches Rätsel, das wir untersuchen wollten. Indem wir in dieser Studie alle verfügbaren Beweise zusammenführen, können wir uns ein klareres Bild über die Ursache des Ausbruchs machen. Dies wird für die Identifizierung und Prävention künftiger Ausbrüche von entscheidender Bedeutung sein.“

Das Team bündelte Evidenz aus allen verfügbaren Studien, in denen über die Hepatitisfälle unklarer Herkunft berichtet wurde, bei denen Ärzte die Ursache nicht ermitteln konnten. Die Forschenden stellten dann fest, dass die Zahl der Fälle höher und und ihr Ausmaß schwerwiegender war als zunächst angenommen. Die Daten umfassten 33 Arbeiten und mehr als 3000 Fälle. Die Sterblichkeitsrate lag bei 3,5 Prozent.

Die Wissenschaftler fanden auch starke Evidenz für eine Haupttheorie, wonach die Hepatitis in den vorliegenden Fällen durch die gleichzeitige Infektion mit verschiedenen Viren verursacht wurde. Denn: In den Blut- und Gewebeproben der meisten Kinder mit ungeklärter Hepatitis wurde das Adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2) – ein bei Kindern häufiges Virus – nachgewiesen, ebenso wie bei vielen Betroffenen eine Reihe von „Helferviren“ beobachtet wurde.

AAV2 kann sich nicht vermehren, es sei denn, es gibt einen „Helfervirus“, der die Infektion auslöst. Dazu können auch andere häufige Erreger von Atemwegserkrankungen und Darmerkrankungen im Kindesalter gehören, beispielsweise Adenoviren, Enteroviren, Rhinoviren und Herpesviren. In einigen Patientenproben wurde SARS-CoV-2 nachgewiesen.

Möglicherweise spielten auch der Zeitpunkt des Ausbruchs und die COVID-19-Pandemie eine Rolle. Nach der Aufhebung verschiedener Kontaktbeschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie war das Immunsystem kleiner Kinder, die mehr oder weniger sozial isoliert worden waren, weniger darauf trainiert, häufig im Kindesalter auftretende Infektionen abzuwehren.

Doch viele Fragen geben den Forschern weiterhin Rätsel auf. Dazu gehört, wie es zu dem Ausbruch kam und ob es einen genetischen Zusammenhang geben könnte, der dazu führte, dass einige Kinder anfälliger für die Entwicklung einer schweren Hepatitis waren als andere.

Eine weitere Frage ist, warum bestimmte Länder wichtige Epizentren des Ausbruchs waren, wobei sich die Fälle auf das Vereinigte Königreich und die USA konzentrierten. Zwar traten in Neuseeland Fälle auf, im nahen Australien aber nicht.

Obwohl die Studie ein klareres Bild des Ausbruchs ermöglicht, habe die Wissenschaft dieses Auftreten von Hepatitisfällen unbekannten Ursprungs im Jahr 2022 noch nicht richtig verstanden, meint Eslick. Ihm zufolge gingen die betroffenen Länder, die wegen der COVID-19-Pandemie sowieso schon unter Druck standen, im Falle der Hepatitisfälle auch sehr unterschiedlich mit deren Meldung und der Überwachung des Ausbruches um. Als Eslicks Arbeitsgruppe im Mai 2022 erste Bericht über die seltsamen Hepatitisfälle erhielt, begann man dort sofort mit der Überwachung betroffener Kinder in Australien.

„Die globale Krankheitsüberwachung bietet Forschern und Medizinern ein unschätzbar wertvolles Netzwerk zur Überwachung und zum Austausch von Informationen über neu auftretende Krankheitsausbrüche – so können wir besser vorbereitet sein“, betont der Wissenschaftler. Er stand in ständigem Kontakt sowohl mit den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) als auch mit dem European Center of Disease Control, um regelmäßige Updates zu erhalten. „Die Lehre aus allen vergangenen und gegenwärtigen Krankheitsausbrüchen ist die Notwendigkeit, ständig wachsam zu sein. Das ist etwas, was wir weiter untersuchen müssen“, sagt Eslick.