Ursache eines Harnverhaltes vor operativer Desobstruktion genau abklären

“Der unreflektierte, unkritische Weg zur Operation ist oft nicht gerechtfertigt”, meint Johannes Salem. Foto: Salem

Nicht bei allen männlichen Patienten mit Harnverhalt bringt die operative Desobstruktion eine Besserung – denn eine Obstruktion der prostatischen Harnröhre war gar nicht die Ursache. Wie wichtig eine genaue Abklärung ist, erläuterte PD Dr. Johannes Salem im Rahmen des 32. Kongresses der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

Der Urologe aus der Klinik links vom Rhein in Köln-Rodenkirchen referierte beim Seminar des Arbeitskreises Benignes Prostatasyndrom der Deutschen Gesellschaft für Urologie, das dieses Jahr erstmals in den Kontinenzkongress integriert war, zum Thema “Welche Diagnostik beim Harnverhalt?”. Salem führte eine Metaanalyse an, die für alle Outcome-Parameter der Transurethralen Resektion der Prostata, nämlich International Prostate Symptom Score, Lebensqualität, maximale Harnflussrate und Resturin, bessere Ergebnisse aufzeigte, wenn der Patient tatsächlich eine urodynamisch nachgewiesene Blasenauslassobstruktion hatte.

Der Grund für einen Harnverhalt muss nämlich nicht immer bei der Prostata liegen. Auch Probleme mit Harnröhre, Harnblase oder dem Nervensystem können ursächlich sein (Tab. 1). Medikamente können ebenfalls einen Harnverhalt hervorrufen. Um dies abzuklären, empfahl Salem den “Wittener Harntrakt-Rechner“, der angibt, welche Medikamente unerwünschte Wirkungen auf den Harntrakt haben können (wir berichteten).

Salem führte aus, dass auch bei Harnverhalt alle Elemente der Basis- und ggf. weiterführenden Diagnostik nach Leitlinie durchgeführt werden müssen – außer natürlich Restharnbestimmung, Miktionstrinkprotokoll und Uroflowmetrie. “Der Kern dieser Diagnostik ist die Anamnese”, betonte der Urologe. “Die klassische Kombination – ich gebe dem Patienten Tamsulosin, mache einen Katheterauslassversuch, und wenn das nicht klappt, kriegt er eine Desobstruktion – das ist zu wenig diagnostiziert, dann hat man sicherlich einige Patienten fehltherapiert”, warnte er.

Moderator PD Dr. Malte Rieken, Basel (Schweiz) kommentierte: “Aus dem Alltag wissen wir, dass die meisten Patienten am Ende doch einer operativen Desobstruktion zugeführt werden, insbesondere dann, wenn der Katheterauslassversuch erfolglos war.” Er stellte die Frage auf, ob “wir viel zu reflektorisch im Alltag handeln, obwohl das für den einen oder anderen eine Übertherapie ist”. “Man geht ja davon aus, dass 50 Prozent der Operationen unnötig sind”, erwiderte Salem. Es sei sinnvoll, mittels Versorgungsforschung einmal zu untersuche, wie viele Patienten fehltherapiert werden. “Der unreflektierte, unkritische Weg zur Operation ist oft nicht gerechtfertigt”, bekräftigte er.

(ms)