Veränderungen des Darmmikrobioms beeinflussen den Schweregrad der akuten Pankreatitis

Pankreas (Abbildung: © SciePro/stock.adobe.com)

Anhand der Veränderungen des Darmmikrobioms bei Patienten mit Pankreatitis haben Forschende ein Vorhersagemodell entwickelt, mit dem sich der Schweregrad der Bauchspeicheldrüsenerkrankung voraussagen lässt. Die Ergebnisse könnten zu neuen Behandlungsstrategien beitragen.

Eine schwere akute Bauchspeicheldrüsenentzündung verläuft meist mild, und die Patienten können nach wenigen Tagen wieder aus der Klinik entlassen werden. In circa 20 Prozent der Fälle zeigt sich jedoch ein schwerer, potenziell lebensbedrohlicher Verlauf mit Organversagen und Komplikationen wie zum Beispiel inneren Blutungen, verursacht durch die entzündungsbedingte Zerstörung von Organen oder Blutgefäßen. Auslösende Faktoren und Mechanismen für einen schweren Verlauf der Erkrankung sind bisher unzureichend geklärt, wodurch sich keine Therapieansätze in der Frühphase der Erkrankung ableiten lassen, die den Verlauf und den Schweregrad entscheidend beeinflussen könnten.

Christoph Ammer-Herrmenau, Assistenzarzt in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der Universitätsmedizin Göttingen, UMG. (Foto: © umg)

Nachwuchswissenschaftler Dr. Christoph Ammer-Herrmenau und Oberarzt Prof. Albrecht Neeße, beide tätig in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), haben in einer europaweiten Studie unter Einbeziehung von 15 Pankreaszentren die Rolle des Darmmikrobioms in Zusammenhang mit dem Schweregrad der akuten Pankreatitis untersucht. Anhand der Veränderungen des Mikrobioms bei 424 Patienten mit akuter Pankreatitis konnte ein Vorhersagemodell entwickelt werden, das eine bisher nicht vorhandene Genauigkeit erreichte, um den Schweregrad der Erkrankung vorauszusagen. Die Ergebnisse zeigen, dass frühe Veränderungen des Darmmikrobioms deutlich mit dem späteren Schweregrad der Pankreatitis, der Sterblichkeit und der Krankenhausverweildauer der Patienten zusammenhängen.

Weiterführende bioinformatische Analysen zeigten zudem, dass möglicherweise mikrobielle kurzkettige Fettsäuren eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer schweren, lebensbedrohlichen Pankreatitis spielen könnten.

Für die Studie wurde das Mikrobiom der teilnehmenden Patienten mit akuter Pankreatitis aus Mund- und Enddarm-Abstrichen analysiert und mit dem späteren Krankheitsverlauf, der Krankenhausverweildauer und der Sterblichkeit der Patienten in Beziehung gesetzt. Die Forschenden bezogen verschiedene Einflussfaktoren auf das Mikrobiom in die Untersuchungen ein, zum Beispiel Alter, Geschlecht, Nikotinkonsum und den Einsatz von Antibiotika.

Albrecht Neeße, Oberarzt und Arbeitsgruppenleiter in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der Universitätsmedizin Göttingen, UMG. (Foto: © Neeße)

„Um den potenziellen Einfluss des Darmmikrobioms auf den Schweregrad und Verlauf der akuten Pankreatitis zu untersuchen, haben wir bereits in der Notaufnahme Abstriche aus dem Mund sowie dem Enddarm bei den Patienten*innen entnommen. Anschließend wurde die mikrobielle Zusammensetzung in den Proben anhand des Erbguts, der DNA, bestimmt. Hierzu wurde die Oxford Nanopore-Sequenzierung eingesetzt, die es erlaubt, lange DNA-Fragmente komplett zu analysieren. Mithilfe anschließender bioinformatischer Methoden ist so die genaue Bestimmung der Bakterien bis auf Speziesebene möglich“, erläutert Ammer-Herrmenau, Erstautor der Studie. „Unsere Ergebnisse zeigen eine hochsignifikante Veränderung des Darmmikrobioms bei Patienten*innen, die im weiteren Verlauf eine schwere Erkrankung entwickelt haben, länger im Krankenhaus bleiben mussten oder gar verstorben sind. Somit kann die mikrobielle Zusammensetzung des Darmes frühzeitig den Krankheitsverlauf vorhersagen, ist jedoch noch kein sicherer Beweis dafür, dass die Veränderungen des Mikrobioms Ursache für den schweren Krankheitsverlauf sind. Die Muster im Stoffwechsel, die wir anhand bioinformatischer Vorhersagemodelle identifizieren konnten, sind hochspannend und geben erste Hinweise, dass möglicherweise kurzkettige Fettsäuren, die von Mikroorganismen produziert werden, Einfluss auf die Entzündung der Bauchspeicheldrüse haben können“, fasst Ammer-Herrmenau zusammen. „Wir werden diese vielversprechenden Ergebnisse in einer Folgestudie zusammen mit unseren nationalen und internationalen Partnern überprüfen, um die neuen Erkenntnisse baldmöglichst in neue Behandlungsstrategien für unsere Patienten*innen zu überführen“, ergänzt Neeße.

„Ich freue mich über die Publikation der Studie aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Neeße, der zusammen mit Dr. Ammer-Herrmenau und seinem Team wichtige Forschungsarbeiten in der Mikrobiomforschung in Göttingen leistet, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die klinische Versorgung zu überführen“, kommentiert Prof. Volker Ellenrieder, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der UMG. „Mit den neuen Erkenntnissen über die Stoffwechselmuster der Mikroorganismen in der akuten Pankreatitis können zukünftig neue Therapieansätze für Betroffene möglich werden. Das ‚Clinician Scientist‘-Programm und das fakultätsinterne Forschungsförderungsprogramm ‚Startförderung klinische Studien‘ für Dr. Ammer-Herrmenau haben maßgeblich zur Durchführbarkeit und zum Erfolg dieser hochkarätigen Studie beigetragen.“