Verbale Gewalt in der Kindheit ist so schädlich wie körperliche Misshandlung21. August 2025 Weltweit ist etwa jedes dritte Kind von verbaler Gewalt betroffen. (Foto: © kieferpix – stock.adobe.com) Verbale Gewalt in der Kindheit hat ähnliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Erwachsenen wie körperliche Gewalt. Dies geht aus einer generationsübergreifenden Studie hervor, die in „BMJ Open“ veröffentlicht wurde. Weltweit leidet schätzungsweise jedes sechste Kind unter körperlicher Misshandlung durch Familienangehörige und Betreuungspersonen. Neben dem unmittelbaren körperlichen Trauma kann sich körperliche Misshandlung lebenslang auch auf die psychische und physische Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken, so die Forscher. Dies kann sich in Form von erhöhten Angstzuständen und Depressionen, problematischem Alkohol- und Drogenkonsum, anderen risikoreichen Verhaltensweisen, Gewalt gegenüber anderen und schwerwiegenden Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes äußern, erklären Mark A. Bellis von der John Moores University in Liverpool, Großbritannien, und Kollegen. Verbale Gewalt wird oft übersehen Wie körperliche Misshandlung ist auch verbale Misshandlung eine Quelle von toxischem Stress, der die neurobiologische Entwicklung von Kindern beeinträchtigen kann. Es werde davon ausgegangen, dass weltweit etwa jedes dritte Kind davon betroffen ist, fügen die Autoren hinzu. Trotz der hohen Prävalenz konzentrieren sich politische Maßnahmen und Initiativen zur Prävention von Gewalt gegen Kinder jedoch in der Regel auf körperliche Misshandlung und übersehen dabei oft die potenziellen Auswirkungen verbaler Misshandlung, betonen sie. Um die langfristigen Auswirkungen von körperlicher und verbaler Gewalt in der Kindheit, sowohl einzeln als auch in Kombination, auf die psychische Gesundheit von Erwachsenen besser zu erfassen, haben die Forscher die Daten aus sieben relevanten Studien mit 20.687 Erwachsenen aus England und Wales, die zwischen 2012 und 2024 veröffentlicht wurden, zusammengetragen. Misshandlung in der Kindheit beeinträchtigt Wohlbefinden im Erwachsenenalter Alle Studien umfassten Fragen zu körperlicher und verbaler Gewalt in der Kindheit unter Verwendung des validierten Instruments „Adverse Childhood Experiences“ (ACE) und der kurzen Warwick-Edinburgh Mental Wellbeing Scale zur Messung einzelner und kombinierter Komponenten des psychischen Wohlbefindens von Erwachsenen. Die Teilnehmer wurden gefragt, wie oft sie in den zurückliegenden zwei Wochen optimistisch in die Zukunft geblickt hatten, sich nützlich gefühlt hatten, entspannt waren, gut mit Problemen umgehen konnten, klar denken konnten, sich anderen Menschen nahe fühlten und in der Lage waren, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Antworten wurden auf einer Skala von 1 (nie) bis 5 (immer) bewertet und addiert. Ein niedriges psychisches Wohlbefinden wurde als mehr als eine Standardabweichung unter dem Durchschnittswert definiert (entspricht etwa 1 von 6 der Stichprobe). Auswirkungen von Misshandlung addieren sich Die Analyse aller Daten ergab, dass Erfahrungen mit körperlicher oder verbaler Misshandlung in der Kindheit unabhängig voneinander mit einem ähnlich signifikanten Anstieg (52 % bzw. 64 %) der Wahrscheinlichkeit eines geringen psychischen Wohlbefindens im Erwachsenenalter verbunden waren. Und Erfahrungen mit beiden Arten von Missbrauch verdoppelten diese Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu Personen, die keiner der beiden Arten von Missbrauch ausgesetzt waren. Selbst wenn körperliche Misshandlung Teil der Kindheitserfahrungen einer Person war, waren diejenigen, die als Kind auch verbale Misshandlung erlebt hatten, einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt, wobei die Prävalenz eines geringen psychischen Wohlbefindens von 16 Prozent ohne Misshandlung auf 22,5 Prozent (nur körperliche Misshandlung), 24 Prozent (nur verbale Misshandlung) und 29 Prozent (sowohl körperliche als auch verbale Misshandlung) stieg. Auch einzelne Komponenten des psychischen Wohlbefindens zeigten ähnliche Zusammenhänge: Die Prävalenz von Personen, die sich in den zurückliegenden zwei Wochen nie oder selten anderen Menschen nahe gefühlt hatten, stieg nach Bereinigung um potenzielle Störfaktoren von acht Prozent bei keiner Form von Missbrauch auf zehn Prozent bei körperlicher Misshandlung allein, auf etwas über 13,5 Prozent bei verbaler Misshandlung allein und auf etwas mehr als 18 Prozent bei beiden Formen. Körperliche Gewalt gegen Kinder geht zurück, verbale nimmt zu Diejenigen, die im Jahr 2000 oder später geboren wurden, wiesen eine höhere Wahrscheinlichkeit für alle einzelnen Komponenten eines schlechten psychischen Wohlbefindens sowie für ein insgesamt geringes psychisches Wohlbefinden auf. Männer gaben häufiger an, sich nie oder selten optimistisch, nützlich oder anderen Menschen nahe zu fühlen, während Frauen häufiger angaben, sich nie oder selten entspannt zu fühlen. Die Prävalenz körperlicher Kindesmisshandlung halbierte sich von etwa 20 Prozent bei den zwischen 1950 und 1979 Geborenen auf zehn Prozent bei den im Jahr 2000 oder später Geborenen. Bei der Prävalenz verbaler Misshandlung war jedoch das Gegenteil der Fall: Sie stieg von 12 Prozent bei den vor 1950 Geborenen auf etwa 20 Prozent bei den im Jahr 2000 oder später Geborenen. Sowohl körperliche als auch verbale Misshandlung wurden am häufigsten von Personen gemeldet, die in besonders benachteiligten Gebieten lebten. Schäden durch verbale Gewalt sind weitgehend unbekannt Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge hergestellt werden. Die Forscher räumen auch ein, dass die Studie auf retrospektiven Erinnerungen und Berichten über verbale und körperliche Misshandlung basiert, sodass Ungenauigkeiten möglich sind. Die Studie konnte auch nicht die Schwere der beiden Arten von Missbrauch, das Alter, in dem er stattfand, oder die Dauer erfassen, was nach Meinung der Autoren alles einen großen Einfluss haben könnte. Dennoch kommen sie zu dem Schluss: „Verbale Gewalt zeigt sich möglicherweise nicht sofort in einer Weise, die die Aufmerksamkeit von Umstehenden, Ärzten oder anderen Personen in unterstützenden Diensten, die für den Schutz von Kindern verantwortlich sind, auf sich zieht. Wie hier jedoch dargelegt, können einige Auswirkungen nicht weniger schädlich oder langwierig sein.“ Mangels öffentlicher Kenntnis über die Schäden, die durch verbale Gewalt gegen Kinder verursacht werden, bestehe die Gefahr, „dass Maßnahmen zur Verringerung der körperlichen Züchtigung von Kindern lediglich dazu führen, dass eine Form der schädlichen Misshandlung durch eine andere ersetzt wird, mit ebenso langfristigen Folgen“, erklärten die Autoren. (BIERMANN/ej)
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