Volkskrankheit Augentrockenheit: Ursachen, Symptome und Behandlungsmethoden

Mirka R. Höltzermann.Foto.©Maks Richter

Jucken, Brennen, Rötungen – laut dem Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) sind rund 14 Millionen Deutsche von Augentrockenheit betroffen. Dr. Mirka Höltzermann, Fachärztin für Augenheilkunde und Expertin für Augentrockenheit, klärt über Ursachen, Symptome und Behandlungsmethoden des Trockenen Auges auf.

Fast jeder kennt das Gefühl, wenn die Augen zumindest zeitweise gereizt sind und auch mehrfaches Blinzeln keine Abhilfe schafft. Denn unsere heutige Lebensweise trägt dazu bei, dass unsere Augen immer trockener werden. Dabei treten nicht nur unangenehme Symptome auf, es kann auch richtig gefährlich werden, wenn unsere Augen nicht mit genügend Feuchtigkeit versorgt werden: „Besonders schwer Betroffene etwa sehen nur noch schlecht oder können gar ihre Augen nicht mehr aufhalten“, weiß Höltzermann. Genauso vielfältig wie die Ursachen – bei denen der Tränenfilm eine entscheidende Rolle spielt – sind allerdings auch die Therapieformen: „Die gute Nachricht ist, dass sich die individuelle und multifaktorielle Erkrankung mit modernen Verfahren und auf Basis von maßgeschneiderten Behandlungen heutzutage sehr gut bessern oder sogar heilen lässt. Damit es jedoch gar nicht erst so weit kommt, ist es essenziell, sich um seine Augen – eines unserer zentralen Sinnesorgane – zu kümmern und dafür regelmäßig zum Facharzt zu gehen“, erläutert die Leiterin der Sektion Augenheilkunde im Arbeitskreis Botulinumtoxin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und ergänzt: „Vorsorglich zum Zahnarzt, Gynäkologen und Co. gehen wir ja schließlich auch.“

Bildschirmarbeit, Stress, Hormonstörungen, Ernährung, Medikamente, Umwelteinflüsse, Allergien, Pollen, Hauterkrankungen wie Rosazea, Klimaanlage, warme Heizungsluft und mehr – zahllose Umstände in unserem Alltag sorgen für immer mehr Fälle von Augentrockenheit. Die Inzidenz der Erkrankung nimmt dabei mit dem Alter zu, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. „Insgesamt leiden laut BVA mindestens 15 Prozent der Gesamtbevölkerung unter Augentrockenheit – doch nicht jeder, dem die Augen regelmäßig vor Trockenheit schmerzen, geht auch zum Augenarzt“, weiß Höltzermann. Die „Dunkelziffer“ derjenigen, deren Augen aufgrund von Trockenheit beeinträchtigt sind, ist demnach deutlich höher.

Wenn der Tränenfilm aus dem Gleichgewicht gerät

Damit die Augen gesund sind und buchstäblich reibungslos funktionieren, ist der Tränenfilm entscheidend. Er sorgt nicht nur dafür, dass die Augenoberfläche so glatt ist, dass das Licht gleichmäßig gebrochen wird, sondern er versorgt die Hornhaut auch mit Feuchtigkeit, Sauerstoff und Nährstoffen. „Außerdem fungiert er als Gleitmittel und schützt das empfindliche Auge vor Keimen, Reizstoffen und Fremdkörpern. Diese werden normalerweise einfach weggeschwemmt“, erklärt Höltzermann. Beim trockenen Auge hingegen gerät die Zusammensetzung des Tränenfilms aus dem Gleichgewicht. „Hierbei unterscheidet man zwischen der hypovolämischen Form, bei der zu wenige Tränen produziert werden, und der evaporativen Form, bei der die Tränen besonders schnell verdunsten, sodass der Tränenfilm instabil wird“, so die Augenärztin weiter. Doch nur jeder Zehnte etwa produziert zu wenig Tränen, viel öfter liegt eine Mischform als Ursache für Augentrockenheit vor. „Paradoxerweise können auch tränende Augen ein Hinweis für Trockenheit sein“, erläutert Höltzermann: „Wenn die Tränendrüse zum Beispiel auf äußere Reize wie Kälte oder Wind vermehrt Tränensekret produziert, so ist dies meist nur wässrig.“ Ein ausgewogener Tränenfilm hingegen sei auch ölig und schleimig. Diese Phasen fehlen jedoch oft. „Vom Experten abklären lassen sollte man das in jedem Fall, denn daraus kann sich auch eine Entzündung und/oder Schädigung der Augenoberfläche entwickeln. Schlimmstenfalls können auch die Nerven in der Hornhaut beeinträchtigt werden und zu neuropathischen Schmerzen führen“, so die Fachärztin.

Hochmodernes Analyseverfahren

Die Behandlungsmöglichkeiten der multifaktoriellen Erkrankung Augentrockenheit sind vielfältig und müssen individuell auf Ursache und Beschwerden ausgerichtet werden. „Das Verhalten im Alltag anzupassen – viel trinken, frische Luft, weniger Bildschirmarbeit, mehr Blinzeln et cetera, reicht oftmals nicht aus und ist in vielen Fällen auch nicht so leicht umsetzbar“, erklärt die Expertin und ergänzt: „Deshalb bieten wir eine ‚Spezialsprechstunde Trockenes Auge‘ an, in der zunächst ausführlich über die Krankengeschichte und die Belastungsfaktoren des einzelnen Patienten gesprochen wird. Hier lässt sich dann auch klären, ob genügend Tränenflüssigkeit gebildet wird, wie lange der Tränenfilm stabil bleibt und ob die Augenoberfläche entzündet ist.“ Im Rahmen einer ausführlichen Tränenfilmdiagnostik, zum Beispiel mithilfe eines hochmodernen Analysegerätes, lassen sich berührungslos und schmerzfrei die Verteilung und die Benetzungsfähigkeit des Tränenfilms sowie die Menge und die Funktion der Meibomdrüsen bestimmen, die für die Produktion der Tränenfilm-Fettschicht zuständig sind.

IPL – Intense Pulsed Light

„Gemäß der WHO empfehle ich dann eine Stufentherapie“, erklärt Höltzermann: „Das kann zum Beispiel eine Augentropfenbehandlung mit einer Lidkantenpflege in Form einer Wärme- und Massagetherapie sein oder auch ein Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren. Und bei hartnäckigen Formen kann überdies zusätzlich Akupunktur sehr gut helfen.“ Wenn die Drüsen im Augenbereich, die Öl und Schleim für die Haltbarkeit des Tränenfilms produzieren, in ihrer Funktionsweise gestört sind und eine Meibomdrüsen-Dysfunktion vorliegt, setzt die Fachärztin außerdem auf die studienbasierte Behandlung mit IPL – Intense Pulsed Light –, welche die für die Meibomdrüsen zuständigen Nervenfasern stimuliert. Dadurch wird die Drüsenfunktion reaktiviert. Nach drei Anwendungen im Abstand von zwei und vier Wochen stellen sich erfahrungsgemäß bereits deutliche Besserungen ein und man muss viel seltener zu Augentropfen greifen“, so Höltzermann: „Übrigens – hyaluronhaltige Tropfen allein lösen das Problem meist nicht, da es häufig an Öl und Schleim mangelt.“ Die Expertin für Augentrockenheit fasst zusammen: „Mit oftmals trockenen und entzündeten Augen sollte man zum Augenarzt gehen. Bei uns bleibt definitiv kein Auge trocken!“