Von pflanzlicher Sulfoquinovose zu giftigem Schwefelwasserstoff7. Januar 2019 Anna Burrichter, Dr. Daniel Schleheck. (Bild: © Universität Konstanz) Im Rahmen einer Dissertation wurde am Konstanzer Fachbereich Biologie zum ersten Mal ein Abbau des diätischen Zuckers Sulfoquinovose durch anaerobe Bakterien zu giftigem Schwefelwasserstoff beschrieben. Eine verstärkte Bildung von Schwefelwasserstoff im menschlichen Darm steht offenbar in Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen und Krebs. Sulfoquinovose ist ein Zucker aus Pflanzen, der mit Schwefel modifiziert ist. Da er auch als Teil der vegetarischen Ernährung, etwa in Spinat und Salat, in den menschlichen Darm gelangt – in eine Umgebung somit, in der es keinen Sauerstoff gibt – ging die Doktorandin Anna Burrichter der Frage nach: Was passiert, wenn Sulfoquinovose unter Sauerstoffabschluss durch anaerobe Bakterien abgebaut wird? Sie entdeckte einen neuartigen Stoffwechsel, der Sulfoquinovose in Schwefelwasserstoff (H2S) umsetzt. Zunächst jedoch handelt es sich um wissenschaftliche Ergebnisse im Labormodell. In Folgeuntersuchungen wird es nun darum gehen, zu untersuchen, ob Sulfoquinovose im Darm tatsächlich zum für den Menschen giftigen Schwefelwasserstoff verstoffwechselt wird. Die Ergebnisse der Studie, die in der Arbeitsgruppe für Mikrobielle Ökologie von Dr. David Schleheck gewonnen wurden, sind in der aktuellen Ausgabe des Journals „Frontiers in Microbiology“ nachzulesen. Anna Burrichter ist die Aufklärung eines grundlegend neuen bakteriellen Abbauwegs gelungen, mit dem insgesamt drei Einzelentdeckungen verbunden sind: die Entdeckung eines neuen Abschnitts im biologischen Schwefelkreislauf, die Entdeckung einer neuartigen Gärung in Escherichia coli, dem bestuntersuchten Modellorganismus, der auch in dieser Studie verwendet wurde, und die Entdeckung eines bislang unbekannten Energiestoffwechsels in Sulfit-atmenden Bakterien, den sogenannten Desulfovibrien. „Ohne Sauerstoff sind die Abbauwege ganz andere. Im Zusammenhang mit Sulfoquinovose haben wir eine neue Art der Gärung in Escherichia coli entdeckt“, sagt Burrichter. Mit dem dabei entstehenden schwefelhaltigen Abbauprodukt, Dihydroxypropansulfonat, wurde ein zweites Bakterium gefunden, Desulfovibrio, das dieses Zwischenprodukt zur anaeroben Atmung nutzen kann, der sogenannten Sulfit-Reduktion. In Burrichters Arbeit wird diese Art der Atmung, bei der anstelle von Sauerstoff der organisch gebundene Schwefel als Elektronenakzeptor zum Einsatz kommt, zum ersten Mal im Detail beschrieben. „Man konnte vermuten, dass Schwefelwasserstoff als Endprodukt dabei herauskommt, aber dies wurde noch nie bewiesen, und man wusste nicht, welche Bakterien und welche Enzyme dies bewerkstelligen könnten“, so die Biologin. Der nächste Schritt besteht nun darin, die Ergebnisse des Laborversuchs auf den menschlichen Darm zu übertragen. „Wir möchten untersuchen, ob diese Abbauwege im Darm auch vorkommen und wie hoch dort ihr Anteil an der Gesamtproduktion von Schwefelwasserstoff ist, und zwar abhängig von der Ernährung“, sagt David Schleheck, dessen Arbeitsgruppe vom Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Bislang ging man davon aus, dass Organosulfonate wie beispielsweise Taurin überwiegend aus Fleisch und fettreicher Ernährung zu Schwefelwasserstoff umgesetzt werden. Nun liegt die Hypothese nahe, dass auch Organosulfonate aus der pflanzlichen Nahrung, also Sulfoquinovose, zu Schwefelwasserstoff abgebaut werden können. Die neuen Erkenntnisse aus der Dissertation von Anna Burrichter geben eine vielversprechende Grundlage ab für weitere Forschung auf diesem Gebiet. „Da nun die einzelnen Schritte des Abbauwegs sowie die daran beteiligten Enzyme und Gene bekannt sind, weiß man, wonach man suchen muss“, so Anna Burrichter. Schwefelwasserstoffbildung steht insgesamt im Zusammenhang mit entzündlichen Darmerkrankungen und Darmkrebs. Es gibt aber auch die Vermutung, dass Schwefelwasserstoff zumindest in niedrigen Konzentrationen im Darm gut für die Gesundheit des Menschen sein könnte. Schleheck: „Für ein besseres Verständnis des menschlichen Darm-Mikrobioms und der Wirkungen von Schwefelwasserstoff ist es wichtig, alle Wege zu kennen, die zu einer Schwefelwasserstoffbildung führen können. Nur so ist es in Zukunft vorstellbar, die Schwefelwasserstoffbildung im Darm besser zu kontrollieren.“
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