Vorhofflimmern: Grundlagenforschung liefert Ansatzpunkt für eine gezielte medikamentöse Therapie2. Mai 2023 Foto: ©Ocskay Mark – stock.adobe.com Das atriale Enzym Phosphodiesterase 8B ist neuesten Untersuchungen zufolge für den reduzierten Kalziumstrom beim chronischen Vorhofflimmern verantwortlich. Aus dieser Erkenntnis lässt sich möglicherweise ein gezieltes Arzneimittel gegen chronisches Vorhofflimmern ableiten. Ionenströme erzeugen elektrische Impulse, die den Herzschlag steuern. Bei chronischem Vorhofflimmern ist der Einstrom von Kalzium-Ionen in die Herzmuskelzellen vermindert. „Die reduzierten Kalziumströme sind eines der charakteristischen Merkmale des chronischen Vorhofflimmerns“, sagt Dr. Cristina Molina, Wissenschaftlerin des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Herz-Kreislaufforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Leiterin der aktuellen Studie. „Warum das so ist, war aber jahrzehntelang unklar, sodass keine Therapie entwickelt werden konnte, die an diesem Prozess ansetzt.“ Molina und Kollegen haben nun herausgefunden, dass das Enzym Phosphodiesterase 8B (PDE8B) dafür verantwortlich ist. Bei Vorhofflimmern ist in den Zellen zu viel PDE8B vorhanden – mehr als in den Kardiomyozyten eines gesunden Herzens. Das Besondere ist, dass PDE8B nur in den Zellen der Herzvorhöfe vorkommt, sodass man diese bei Vorhofflimmern gezielt behandeln könnte. Herkömmliche Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen zielen immer auf das ganze Herz, auch wenn nur die Vorhöfe oder nur die Herzkammern betroffen sind. Ein Händchen für Herzzellen Studienleiterin Cristina Molina vom UKE. Foto: privat Dass die Ursache für den verminderten Kalziumeinstrom bei Vorhofflimmern so spät entdeckt wurde, obwohl das Problem schon lange bekannt ist, hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass es bislang nicht gelang, Herzmuskelzellen aus dem menschlichen Vorhof über einen ausreichend langen Zeitraum im Labor zu kultivieren, um sie ausreichend untersuchen zu können. Molina ist dieser Schritt aber geglückt. „Ich arbeite seit 2006 mit Zellen aus dem Herzmuskelgewebe von Patienten“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das ist gar nicht so einfach, weil sich die Zellen je nach Alter, Krankheit und Medikation der Patienten stark unterscheiden. Damit muss man umgehen können.“ Die Forschungsgruppe vom UKE hat vor wenigen Jahren entdeckt, dass PDE8B im Vorhof des menschlichen Herzens exprimiert wird. PDEs spalten Phosphodiesterasebindungen und sind unter anderem für den Abbau des wichtigen sekundären Botenstoffs cAMP verantwortlich. Nun entdeckten Molina und Kollegen, dass Patienten mit chronischem Vorhofflimmern über zu viel PDE8B in den Kardiomyozyten der Vorhöfe verfügen. Über molekularbiologische Techniken konnten sie nachweisen, dass PDE8B an eine spezielle Untergruppe von L-Typ-Kalziumkanälen (Cav1.2α1C) bindet, was in einer Dephosphorylierung und einem verminderten Kalzium-Ioneneinstrom in die Zelle mündet. Hemmstoff normalisiert Kalziumströme Um zu untersuchen, ob sich dieser Signalweg mit einem Wirkstoff gezielt beeinflussen lässt, verwendete das Forschungsteam einen PDE8B-Inhibitor, der derzeit in einer klinischen Studie zur Demenz überprüft wird. Die In-vitro-Behandlung der Kardiomyozyten von Patienten mit Vorhofflimmern mit diesem Hemmstoff führte zu einer Normalisierung der Kalziumströme. Konkret konnte damit die Phosphorylierung von Cav1.2α1C sowie die Konzentration von cAMP erhöht und der Kalziumeinstrom gerettet werden. Dies ging mit einer Verlängerung der Aktionspotenzialdauer bei 50 Prozent der Repolarisation einher, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer kürzlich im „European Heart Journal“ veröffentlichten Studie schreiben. Als nächstes planen sie, den Wirkstoff an Pferden zu testen. Denn auch sie können wie Menschen Vorhofflimmern entwickeln. Tritt die Herzrhythmusstörung auf, sind die Pferde für den Reitsport nicht mehr geeignet. Molina will diese oft „ausgemusterten“ Tieren in Kooperation mit Dr. Constanze Schmidt vom Universitätsklinikum Heidelberg mit dem Hemmstoff behandeln, um zu sehen, ob er das Vorhofflimmern beheben kann. Außerdem verfolgt die UKE-Forscherin einen gentherapeutischen Ansatz, da für die übermäßige Bildung des Enzyms eine Veränderung im PDE8B-Gen verantwortlich ist. (ah)
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