Welttag der Patientensicherheit 2025: Experten fordern mehr Schutz für Kinder

Neugeborene sind eine besonders vulnerabel und benötigen besondere Aufmerksamkeit. (Foto: © Iryna – stock.adobe.com)

Die Sicherheit von Kindern im Gesundheitssystem muss oberste Priorität haben. Das fordern das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), die KKH Kaufmännische Krankenkasse und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) anlässlich des Welttags der Patientensicherheit am 17. September.

Unter dem Motto „Patientensicherheit von Kind an – eine Investition fürs Leben“ richtet das APS in diesem Jahr den Fokus auf die besonders vulnerable Gruppe der Kinder und Neugeborenen. Die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind alarmierend: Bis zu 70 Prozent der schweren unerwünschten Ereignisse bei Neugeborenen wären durch konsequente Sicherheitsprotokolle vermeidbar. Mangelnde Teamkommunikation verdreifacht laut WHO das Risiko für Schäden im Neugeborenenalter. Bei fast 40 Prozent schwerer Komplikationen gibt es Stunden zuvor erkennbare Warnzeichen – die nur rechtzeitig gesehen und richtig gedeutet werden müssen.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Dieser Satz ist mehr als eine medizinische Binsenweisheit, er ist ein Auftrag“, betont Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des APS. Die Versorgung müsse Alter, Größe, Entwicklung und sprachliche Fähigkeiten der jungen Patienten berücksichtigen. Dabei spielen Eltern eine zentrale Rolle: Sie fungieren als Brücke zwischen Behandlungsteam und Kind und nehmen oft Veränderungen wahr, die dem medizinischen Personal entgehen könnten. „Da sollten wir genau hinhören“, so Hecker.

Kindermedizin als Stiefkind der Gesundheitspolitik

Die strukturellen Probleme der Kindermedizin werden dem APS zufolge seit Jahren vernachlässigt. Dr. Christian Deindl, stellvertretender APS-Vorsitzender und Kinderchirurg, kritisiert die ungerechte Verteilung von Ressourcen im Gesundheitssystem. Kindermedizin bedeute Zuwendung und Empathie und benötige entsprechende zeitliche und personelle Ressourcen. In den ersten Lebensjahren fallen zwar relativ hohe Gesundheitskosten für Vorsorgeuntersuchungen und Impfprogramme an, doch der ökonomische und gesellschaftliche Nutzen zeige sich erst im späteren Erwachsenenleben. „Eine sichere Gesundheitsversorgung von Säuglingen, Klein- und Schulkindern sowie Jugendlichen erfordert altersabhängige fachliche Schwerpunkte und Expertisen“, erklärt Deindl.

Wachsende Ängste bei Eltern

Gleichzeitig wächst die Verunsicherung bei Eltern, wie eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der KKH zeigt. Aktuell äußert ein Viertel der befragten 1006 Eltern von Kindern bis zu zwölf Jahren (26 %) Ängste bezüglich eines Krankenhausaufenthalts ihres Kindes – 2021 waren es noch 19 Prozent. „In erster Linie fürchten 77 Prozent der besorgten Eltern eine Infektion mit Krankenhauskeimen“, erläutert Vijitha Sanjivkumar, Expertin für Kindergesundheit im Kompetenzteam Medizin der KKH. Jeweils knapp zwei Drittel sorgen sich vor notwendigen erneuten Operationen oder Narkosekomplikationen. Dabei würden immerhin 73 Prozent aller Befragten den Ärzten im Krankenhaus vertrauen.

Die KKH-Expertin plädiert für eine Kommunikation auf Augenhöhe: Verbindliche Informationen, gemeinsame Entscheidungsfindungen sowie altersgerechte Sprache seien essenziell. Wenn Eltern und Kinder verstehen, warum welche Therapie notwendig ist, steige die Bereitschaft zur Mitarbeit erheblich.

Krankenhausreform gefährdet Kinderversorgung

Prof. Ursula Felderhoff-Müser, Präsidentin der DGKJ, warnt eindringlich vor den Folgen der geplanten Krankenhausreform: „Die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen geraten zunehmend aus dem Fokus gesundheitspolitischer Entscheidungen.“ Die Versorgung von Kindern sei komplex und erfordere besondere Expertise vom ersten Lebenstag an. Eine Umsetzung des aktuellen Reformentwurfs für das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) würde die spezialisierte pädiatrische Versorgung gefährden – mit gravierenden Folgen für Patienten und ihre Familien.

Paradigmenwechsel gefordert

Joachim Maurice Mielert, Generalsekretär des APS, fordert daher einen fundamentalen Systemwandel: „Wir brauchen nicht nur eine Reform, sondern einen Paradigmenwechsel.“ Der Patient müsse in den Mittelpunkt gestellt und Patientensicherheit als Rechtsnorm verankert werden. Bislang scheue die Politik diesen Schritt aus Furcht vor steigenden Haftungsrisiken und höheren Kosten. Dabei würde eine gesetzliche Verankerung den Übergang von einer politischen Programmatik zu einem justiziablen Anspruch bedeuten – und genau das sei überfällig.

Konkrete Maßnahmen für mehr Sicherheit

Das APS, die KKH und die DGKJ haben klare Vorstellungen, wie die Patientensicherheit in der Kindermedizin verbessert werden kann: Standardisierte Checklisten, doppelte Kontrollen bei Medikamentengaben, gewichtsbasiertes Dosieren und pädiatrische Datenbanken in der elektronischen Verordnung sind nur einige der geforderten Maßnahmen. Auch die Etablierung einer „Speak-Up-Kultur“ sei zentral: Hierarchien dürften das Ansprechen von Bedenken nicht verhindern – weder bei jungen Kollegen noch bei Eltern.

Die Experten sind sich einig: Eine Investition in die sichere medizinische Versorgung von Kindern ist eine Investition in die Zukunft der gesamten Gesellschaft.