Wenn Angst vor Nähe und Verletzlichkeit zu zerstörerischem Verhalten führt

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Eine Studie von Forschenden der Freien Universität Berlin und Partneruniversitäten zeigt zentrale psychodynamische Mechanismen bei Persönlichkeitsstörungen.

Wie kommt es zu dem erratischen, rücksichtlosen oder auch aggressiven Verhalten, das in jüngster Zeit bei einigen in der Öffentlichkeit stehenden Menschen zu beobachten ist? Ein internationales Forschungsteam der Freien Universität Berlin, der Psychologischen Hochschule Berlin und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel konnte zeigen, dass bestimmte psychodynamische Mechanismen den Kern von Persönlichkeitsstörungen bilden. Die Ergebnisse wurden im „British Journal of Psychiatry“ veröffentlicht. 

Das Forschungsteam konnte nachweisen, dass insbesondere Schwierigkeiten, Nähe und gegenseitig zufriedenstellende Beziehungen aufzubauen, ein fragiles oder wechselhaftes Selbstbild, Schwierigkeiten, das Erleben und die Motive anderer nachzuvollziehen, sowie primitive Abwehrmechanismen, wie bei negativen Gefühlen andere anzugreifen oder Unbeteiligte als Ursache zu sehen, zentrale Merkmale von Persönlichkeitsstörungen darstellen.  Diese psychischen Mechanismen schützen kurzfristig vor belastenden Emotionen, langfristig beeinträchtigen sie jedoch das Zusammenleben erheblich. Oft sind diese Muster auf ungünstige Kindheitserfahrungen zurückzuführen.

Neue Ansätze für die Behandlung

Die Studie basiert auf umfangreichen Interviews und klinischen Diagnosen bei mehr als 500 Personen in Deutschland und in der Schweiz. Damit liefert sie den Forschenden zufolge nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung und Struktur von Persönlichkeitsstörungen, sondern auch Ansatzpunkte für Therapie und Prävention. So könnten psychodynamische Konzepte – etwa der Umgang mit Abwehrmechanismen oder der Umgang mit Nähe in Beziehungen – künftig noch gezielter in Behandlungen einfließen, erklären die Studienautoren.

„Gerade in einer Zeit, in der politische und gesellschaftliche Krisen oft durch eskalierende Konflikte, Spaltung, Projektion, Angst vor Verletzlichkeit und Nähe sowie mangelndem Einfühlungsvermögen geprägt sind, ist ein besseres Verständnis dieser Mechanismen dringend notwendig“, betont Dr. André Kerber, Psychologe im Arbeitsbereich Klinisch-Psychologische Interventionen der Freien Universität Berlin.