Wenn junge Eltern psychisch krank werden3. Oktober 2024 Elterliche psychische Störungen wie eine postpartale Depression haben gravierende Folgen für die Kinder. (Foto: © NDABCREATIVITY – stock.adobe.com) Psychische Erkrankungen vor, während oder nach der Schwangerschaft sind häufig. So erkranken zwölf Prozent der Frauen an Angststörungen und auch jeder zehnte Vater leidet an einer Depression. Welche gravierenden Folgen elterliche psychische Störungen für die Kinder haben, erklären Expertinnen der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM). Treten seelische Erkrankungen im Umfeld einer Geburt auf, sprechen Fachleute von peripartalen psychischen Störungen (PPS). PPS können schwerwiegende Folgen auslösen. „Sie können den Schwangerschafts- und Geburtsverlauf negativ beeinflussen, die Partnerschaft und den Bindungsaufbau der Mutter zum Säugling beeinträchtigen und damit letztlich die weitere Entwicklung des Kindes“, erklärt DGPM-Expertin Prof. Kerstin Weidner. „Die ganze Familie kann unter PPS leiden“, stellt die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der TU Dresden fest. Schreien, Schlafstörungen und Fütterprobleme als Symptom Bei den Kindern zeigen sich die Folgen meist recht schnell. Denn Mütter, die depressiv sind, lächeln ihre Babies weniger an, geben spärlicher Zuwendung und haben seltener Körperkontakt mit dem Neugeborenen. „Babies wachsen durch den liebevollen Kontakt mit ihren Eltern“, erläutert Weidner. Ist das nicht gegeben, fehlt eine wichtige Rückkoppelung und es setzen Regulationsstörungen ein, die sich häufig durch ein „schwieriges“ Temperament des Babies zeigen. „Die Kinder schlafen schlecht, trinken schlecht oder schreien verstärkt, um Zuwendung einzufordern“, berichtet die Dresdner DGPM-Expertin. Mitunter werden die Babies selbst fast depressiv, wirken starr im Gesichtsausdruck und bekunden ihrerseits wenig Interesse an der Mutter. Kinder entwickeln später Störungen und Krankheiten Längerfristig kann sich eine gestörte Mutter-Kind-Bindung gravierend auswirken. „Häufig setzt die sprachliche, motorische, kognitive und sozio-emotionale Entwicklung beim Kind verzögert ein“, schildert Weidner. Mehrere Langzeitstudien belegen zudem für die Kinder ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Ess- und Angststörungen, aber auch für körperliche Krankheiten wie Diabetes, Schlaganfall und Herzerkrankungen. Leiden die Mütter unter Angststörungen, verhalten sie sich in der Interaktion mit ihrem Nachwuchs oft überängstlich. „Sie lassen beispielsweise aus Verschmutzungsängsten das Baby nicht krabbeln. Dann steigt das Risiko des Kindes, später Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln“, erklärt Weidner. Eine väterliche psychische Belastung wirkt sich vermutlich genauso negativ auf das Kind aus. „Für eine fundierte Einschätzung ist die Datenlage aber noch nicht ausreichend“, erläutert die Expertin. Keine Angst vor Schwangerschaftskomplikationen Liegt eine psychische Erkrankung der Eltern vor, ist auf jeden Fall eine Behandlung angezeigt. „Schon während der Schwangerschaft sollte therapiert werden“, betont Weidner. „Ängste, damit zu schaden, sind unangebracht – wir wissen, dass die frühe Mutter-Kind-Bindung sehr wichtig für die spätere Gesundheit des Kindes ist.“ In Frage kommt die Einzelpsychotherapie, in die der andere Elternteil einbezogen werden kann, aber auch Gruppentherapie, Paar- und Familienberatung, Körpertherapie und Angebote wie Babymassage; geeignete Psychopharmaka stehen ebenfalls zur Wahl. Behandlungsangebote finden Betroffene in Schwangeren-Ambulanzen, pychotherapeutischen Kliniken und bei Niedergelassenen. Videointeraktionstherapie hilft bei Bindungsproblemen Dr. Anne Coenen, Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der TU Dresden, die in der Dresdner Mutter-Kind-Tagesklinik und Ambulanz pro Jahr etwa 400 Mütter und Kinder mit psychischen Störungen behandelt, hat bei Bindungsproblemen besonders gute Erfahrungen mit der Videobehandlung gemacht. „Wir machen Videoaufnahmen von Mutter und Kind, anschließend werten wir gemeinsam gelungene Interaktionen aus“, erklärt die DGPM-Expertin. Ziel sei, die Bedürfnisse des Babys zu erkennen und feinfühliges Verhalten zu erlernen. Diese Form der Behandlung, begleitet von anderen Angeboten, verbessert die Symptome hochsignifikant: „Von 270 Frauen, die wir in unsere Untersuchung einschlossen, hatten 56 Prozent der Mütter klinisch relevante Bindungsprobleme, bei der Entlassung waren es nur noch 13 Prozent“, berichtet Coenen. Auch wichtig zu wissen: Ein gesunder Vater kann durch seine Zuwendung zum Kind die Auswirkungen der mütterlichen Krankheit abpuffern. „Das belegen Langzeituntersuchungen“, berichtet Coenen. Gynäkologen und Partner sind besonders wichtig Allerdings ist die Kenntnis, wie man Frauen und Familien mit PPS früh identifizieren und behandeln sollte, in der Praxis kaum vorhanden. „Wir erarbeiten deshalb eine S3-Leitlinie mit Handlungsempfehlungen für alle Fachkräfte, die das betrifft“, berichtet Weidner. Dazu gehören vor allem Gynäkologen und Hebammen. „Sie sollten Schwangere fragen: Gab es Phasen psychischer Erkrankungen? Wie geht es Ihnen jetzt, ängstigen Sie sich vor der Geburt?“, empfiehlt Weidner. Gefordert sind neben Psychosomatikern zudem Sozialarbeitende, Kinderärzte, Psychiater sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeuten. Und schließlich kann auch der Partner aktiv werden und zur Behandlung motivieren – im Sinne des Kindes.
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