Wenn Spinnengift die Nerven angreift

Mithilfe der Kryoelektronenmikroskopie konnte die Arbeitsgruppe Strukturen der insekten- und krebstierspezifischen Toxine (r.) der Schwarzen Witwe (l.) aufklären. (© nickybay.com/AG Gatsogiannis)

Ein Biss der Schwarzen Witwe kann auch für Menschen tödlich enden. Ihr Gift gehört zu den Neurotoxinen und wurde nun von Biophysikern der Westfälischen Wilhelms- Universität (WWU) Münster genauer untersucht.

Mithilfe der sogenannten Kryoelektronenmikroskopie (kryo-EM) ist des dem Team um Prof. Christos Gatsogiannis vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik in Zusammenarbeit mit seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Max-Planck-Institut in Dortmund sowie Forschern der Jacobs Universität Bremen gelungen, die erste Struktur eines Latrotoxins (LaTX) aufzuklären.

LaTX wurde von der Natur hauptsächlich entwickelt, um Insekten bewegungsunfähig zu machen oder zu töten. Dabei docken die Toxine an spezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche von Nervenzellen an und bewirken die Freisetzung von Neurotransmittern, zum Beispiel durch einen Calcium-Kanal. Durch den ständigen Einstrom von Calcium-Ionen in die Zelle werden Transmitter abgegeben; die Folge sind Krämpfe.

Dieser Mechanismus unterscheidet die Latrotoxine von allen anderen Varianten der sogenannten porenformenden Toxine. „Trotz umfangreicher Studien in den letzten Jahrzehnten wussten wir nicht, wie diese Toxine aufgebaut sind. Daher waren wir bisher auch nicht in der Lage, den genauen Wirkmechanismus zu verstehen“, sagt Gatsogiannis. Die kryo-EM konnte Abhilfe leisten: Mithilfe dieser dreidimensionalen Methode lassen sich Biomoleküle mittlerweile bis zur atomaren Auflösung „fotografieren“. Dabei werden die Proteinkomplexe in flüssigem Ethan bei minus 196 Grad in Millisekunden in eine dünne Schicht von amorphem Eis, einer Form von festem Wasser, eingefroren. Anschließend werden Hunderttausende von Bildern aufgenommen, welche unterschiedliche Ansichten des Proteins zeigen – und derart die Struktur des Nervengifts erkennen lassen.

Mittels der kryo-EM ist es der Gruppe um Christos Gatsogiannis in Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern des Max-Planck-Instituts in Dortmund und der Jacobs Universität Bremen gelungen, die erste Struktur eines Latrotoxins aufzuklären. „Die allgemeine Struktur des LaTX ist einzigartig und unterscheidet sich von allen bereits bekannten Toxinen in jeglicher Hinsicht“, betont Gatsogiannis.

Die neuen Erkenntnisse sind den Forschenden zufolge grundlegend für das Verständnis des molekularen Mechanismus der LaTX-Familie und bereiten den Boden für mögliche medizinische Anwendungen – und auch für die Entwicklung eines effizienten Gegengifts. Außerdem könnten die Erkenntnisse über die insektenspezifischen Toxine neue Möglichkeiten zur Schädlingsbekämpfung eröffnen, glauben die Wissenschaftler.

Für künftige Forschungen ist es jedoch essenziell, zu verstehen, wie das Toxin genau in der Membran inseriert. „Momentan untersuchen wir die Struktur aller Mitglieder der Familie der Latrotoxine, vor allem, wie sie spezifische Rezeptoren an der Zelloberfläche sehr genau erkennen und wie diese Sensoren funktionieren“, erklärt Gatsogiannis.