Wichtige Meilensteine für die Organ-Xenotransplantation

Können transgene Schweine den Bedarf an transplantablen Organen decken? Symbilbild: krumanop – stock.adobe.com

In den USA ist die erste reguläre klinische Studie zur Transplantation genmanipulierter Schweinenieren genehmigt worden. Nach Einschätzung von Experten ist das ein Meilenstein für die Xenotransplantation, bei der Organe getechnisch veränderter Tiere verwendet werden. Auch in Deutschland wird die erste Studie vorbereitet.

Bisher wurden in den USA nur in Einzelfällen Nieren aus genmanipulierten Schweinen verpflanzt. Die Empfänger waren schwerkranke Patienten, die keine Chance mehr hatten, in vertretbarer Zeit eine menschliche Nierenspende zu bekommen. Möglich machte es die „Compassionate-Access“-Ausnahmeregelung der US-amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA). Diese hat jetzt dem Antrag der Firma United Therapeutics aus Silver Spring (Maryland) stattgegeben, eine reguläre klinische Studie mit zunächst sechs Patienten durchzuführen. In einem zweiten Schritt soll die Studie auf 50 Teilnehmer ausgeweitet werden. Ziel von United Therapeutics ist es, bei erfolgreichem Studienverlauf die Zulassung des hergestellten Schweinenierentransplantats UKidney™ zu beantragen (Biologics License Application, BLA). Die Firma erwartet, dass Mitte des Jahres die erste Transplantation im Rahmen der Studie stattfinden wird.

Teilnehmen können ausgewählte Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz (end-stage kidney disease, ESKD), für die aus medizinischen Gründen keine allogene Nierentransplantation infrage kommt oder deren Wahrscheinlichkeit, eine Spenderniere zu bekommen, zu gering ist. Die Xenotransplantate stammen aus transgenen Schweinen mit insgesamt zehn Gen-Editierungen. Dem Schweinegenom werden dabei sechs menschliche Gene hinzugefügt, um die immunologische Akzeptanz und Kompatibilität des Organs zu erleichtern. Zudem werden vier Schweinegene inaktiviert, von denen drei zur Organabstoßung beitragen; das vierte wird ausgeschaltet, um ein Organwachstum nach der Transplantation zu verhindern.

United Therapeutics: Klinische Studie mit zwei Kohorten

Die Studie ist als multizentrische, offene kombinierte Phase-I/II/III-Studie („phasenlose“ Studie) konzipiert, um Sicherheit und Wirksamkeit nahtlos zu bewerten. Nach der Transplantation folgt eine 24-wöchige Nachbeobachtungszeit. Darin werden die Studienautoren alle Endpunkte und die Sicherheit bewerten. Doch auch danach werden die Teilnehmer weiter betreut, um ihr Überleben und die Nierenfunktion zu überwachen und frühzeitig einzugreifen, falls zoonotische Infektionen auftreten sollten, die durch die Schweineniere übertragen werden könnten.

Zu den Wirksamkeitsendpunkten gehören die Überlebensrate der Teilnehmer, die UKidney-Überlebensrate, die Änderung der gemessenen glomerulären Filtrationsrate und die Änderung der Lebensqualität der Teilnehmer 24 Wochen nach der Transplantation. Als Sicherheitsendpunkte sind die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, die Gesamtmortalität sowie die Häufigkeit von Proteinurie, zoonotischen Infektionen und opportunistischen Infektionen von Interesse. Zudem ist festgelegt, dass zwischen der ersten und der zweiten Transplantation eine Wartezeit von 12 Wochen liegen soll, um Überraschungen zu vermeiden. Wenn in der ersten Kohorte mit sechs Patienten mindestens 12 Wochen nach der Transplantation verstrichen sind, werden die Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten von einem unabhängigen Datenüberwachungsausschuss überprüft, um zu beurteilen, ob die Studie mit der nächsten Kohorte fortgesetzt werden soll.

eGenesis: „Expanded Access Study“ mit drei Patienten

Ein US-amerikanisches Unternehmen mit chinesischer Beteiligung, eGenesis aus Cambridge (Massachusetts), hat gerade eine von der FDA zugelassene „Expanded Access Study“ mit drei Patienten angefangen. Wie das Unternehmen am 07.02.2025 mitteilte, haben Ärzte des Massachusetts General Hospital dem ersten Patienten in der Studie, einem 66-jährigen Mann mit ESKD, der bereits seit zwei Jahren dialysepflichtig ist, eine genmanipulierte Schweineniere mit der Bezeichnung EGEN-2784 erfolgreich eingepflanzt. Das Team war es auch, welches die erste erfolgreiche Xeno-Nierentransplantation überhaupt im März 2024 durchführte (wir berichteten). Der schwer kranke Patient war bereits nach zwei Monaten gestorben.

Für die Anfangsphase der Xenotransplantationen wurden zunächst schwer kranke Patienten ausgesucht, die anderweitig keine Chance zu überleben mehr hatten. So verstarb der erste Patient, dem eine transgene eGenesis-Schweineniere eingepflanzt worden war, die sofort ihre Funktion erfüllte, an einem Herzinfarkt (wir berichteten; aktuelle Publikation). Der aktuelle Patient, der erste in der Studie und der zweite insgesamt, der eine eGenesis-Niere erhielt, hatte bereits einen Herzinfarkt. Doch die Xenotransplantation hat ihn zumindest erst einmal von der Dialyse befreit, wie er in der eGenesis-Mitteilung berichtet: „Sobald ich nach der Operation aufwachte, verschwand die Dialysewolke. Ich fühlte mich wieder voller Energie und revitalisiert. Es war ein Wunder.“

Strengere Einschlusskriterien als zu Beginn

Die Konkurrenten United Therapeutics aus Silver Spring haben für ihre aktuell zugelassene klinische Studie mit zunächst sechs Patienten strengere Zulassungskriterien gewählt, damit die Patienten nicht gleich an Komorbiditäten sterben, bevor ein längerfristiger Nutzen ihres Transplantats nachgewiesen werden kann: Die Teilnehmer dürfen unter anderem keine fortgeschrittenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schwere periphere Gefäß- oder neurologische Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen oder einen unkontrollierten Diabetes haben. Auch Patienten, die Mehrfachorgantransplantationen benötigen oder in ihrer Vorgeschichte durch Therapieuntreue auffielen, werden ausgeschlossen.

Das Unternehmen eGenesis aus Cambridge wirbt damit, dass sie die einzigen seien, die Organe mit allen drei Editierklassen entwickeln. Zusätzlich zur Einfügung menschlicher Transgene (im Fall von EGEN-2784 sieben an der Zahl) und der Elimination von Schweinegenen, die zur Abstoßung führen (drei Stück), sind bei den eGenetics-Schweinen auch die endogenen Retroviren im Schweinegenom ausgeschaltet.

Infektionsgefahren im Blick

„eGenesis hat alle 59 endogenen Retroviren inaktiviert“, bestätigte Dr. Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie an der Freien Universität Berlin, den Ansatz der US-Firma in einem Presse-Briefing des Science Media Center Germany (Heidelberg/Köln). Die Eliminierung der Retroviren scheint aber unter Experten umstritten zu sein: „Im Moment ist es völlig unklar, ob das nötig ist und nicht schadet“, so Denner. Die Studien sprächen derzeit nicht für eine Infektionsmöglichkeit durch porcine endogene Retroviren. Zudem gab der Experte zu bedenken, dass die dafür verwendete Genschere auch Off-Target-Effekte haben kann, also an Stellen schneidet, wo es nicht erwünscht ist.

Anders ist das bei den Viren, die üblicherweise Schweine infizieren. Mithilfe eines Nachweissystems für eine Reihe von Viren wollen die Entwickler sicherstellen, dass die verwendeten Schweine frei von diesen Viren sind. Doch das porcine Herpes-Virus etwa überraschte die Wissenschaftler, wie Denner berichtete. Es infiziert den Menschen nicht, da der Mensch gar keinen Rezeptor dafür hat, aber die Übertragung durch ein transplantiertes Organ führte zum Tod des ersten Patienten, der ein genmanipuliertes Schweineherz erhalten hatte. Das Virus muss das Immunsystem des Patienten verändert haben, schätzt Denner. Das zoonotische Infektionspotenzial sei daher nicht einfach einzuschätzen.

Die Situation in Deutschland

Die strengen Vorkehrungsmaßnahmen für die Zucht transgener Spenderschweine sind einer der Gründe, warum in Deutschland bisher noch keine Xenotransplantationen an lebenden Patienten vorgenommen wurden und es hier auch bisher keine Firma gibt, die diesen Ansatz verfolgt. Dr. Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation und Personalverantwortlicher für die Großtieranlagen an der Technischen Universität München, erklärte, dass die transgenen Tiere in den USA alle aus sogenannten Defi-F-Facilities kommen, wo die krankheitsauslösenden Faktoren ausgeschaltet werden. „Diese Infrastrukturen haben wir hier noch nicht. Das ist nicht wie bei der normalen Viehhaltung“, so Fischer.

Der Experte betonte jedoch, dass Deutschland wissenschaftlich ganz vorne dabei sei: „Die Forscher arbeiten an verschiedenen transgenen Schweine-Linien. Jede hat ihre speziellen Vorteile.“ In Deutschland werde gegenüber den USA in den transgenen Schweinen zusätzlich der Haupthistokompatibilitätskomplex I inaktiviert, zudem werde die T-Zell-Reaktion stärker unterdrückt. „Unsere transgenen Schweine-Linien haben die stärkste Komplement-Inaktivierung“, so Fischer. Denner ergänzte, dass in den USA geklonte Tiere verwendet würden. Der Nachteil sei hier, dass die Transgene nicht immer exprimiert würden. „Wir generieren die Schweine durch Zucht“, erklärte Fischer. Dadurch sei eine verlässliche Genexpression sichergestellt.

Auch wenn Deutschland wissenschaftlich mit den USA und China auf gleichem Niveau agiert, gibt es Schwierigkeiten mit den Rahmenbedingungen, wie schon in Bezug auf die Tierhaltung anklang. Doch auch finanziell und politisch gibt es Hürden. „Individuelle Heilversuche könnten wir auch hier sofort durchführen. Aber in den USA haben Uni die Unis eine finanzielle Ausstattung, von der wir nur träumen können, und zudem eine hohe Kooperation mit der Industrie“, so Fischer. Zudem forderte er mehr politische Unterstützung. „Wir arbeiten in sehr sensiblen Bereichen. Wir machen Tierversuche, das ist wenig angesehen, es gibt immer mehr Auflagen.“ Es werde immer schwieriger, auf diese Weise wissenschaftlich zu arbeiten, klagte er. Wenn es in Deutschland nicht mehr möglich sei, diese Forschung durchzuführen, „dann machen es die USA und China“, und Europa werde dann von dort die Organe beziehen müssen.

Antrag auf deutsche Studie in Vorbereitung

Doch ganz so düster sieht es wohl noch nicht aus, glaubt man dem Kollegen Denner: „Wir bereiten gerade einen Antrag an das Paul-Ehrlich-Institut vor, für eine Studie in Deutschland“, sagte der Virologe. Doch welcher Patient bekommt dann tatsächlich ein Nieren-Xenotransplantat? „Das ist ein klinischer Balance-Akt“, schätzte als Praktiker in der Runde Dr. Philipp Felgendreff, Facharzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Patient sollte nicht zu schwer krank sein, aber auch niemand, der eine gute Chance auf eine menschliche Spenderniere hat.

„Ich glaube, dass wir mit den jetzt zugelassenen Studien einen wichtigen Meilenstein haben“, sagte Felgendreff. Die Xenotransplantation sei in Zukunft eine gute Möglichkeit, die Menschen, die ein Organ brauchen, zu versorgen. Bis Xenotransplantationen systematisch angewendet werden, wird aber wohl noch eine Zeit vergehen. Genauer wollte sich der Transplanteur nicht festlegen: „Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage. Das hängt von den anlaufenden Studien ab. Die funktionelle Überlebenszeit beträgt aktuell mehrere Monate. Bei menschlichen Transplantaten sind es zehn bis 20 Jahre. Diese Lücke ist noch sehr groß.“ „Wir sollten nicht vergessen, dass nach der ersten Organtransplantation [eines Herzens] in Südafrika 1967 der Patient auch nur 14 Tage überlebt hat“, hielt ihm Denner entgegen. Aus einem kleinen Anfang sei ein riesiger Erfolg geworden, erinnerte der Wissenschaftler.

(ms)