Wie beeinflussen Pubertätsblocker die sexuelle Zufriedenheit von Trans-Personen?19. Juni 2025 Foto: © Praewphan – stock.adobe.com Die langfristigen Folgen der Pubertätsunterbrechung bei Trans-Jugendlichen sind bisher noch nicht gut erforscht. Eine aktuelle Studie hat nun die spätere sexuelle Zufriedenheit von Trans-Personen untersucht, die in ihrer Jugend mit Pubertätsblockern behandelt wurden. Experten sind sich bezüglich der Aussagekraft der Studie uneins und plädieren für fundierte Langzeitstudien zur Bewertung von Pubertätsblockern. Die Pubertät durchlaufen zu haben, ist womöglich keine Voraussetzung für ein funktionierendes Sexualleben. Darauf deutet eine aktuelle Studie im „Journal of Sexual Medicine“ hin. Wurde sie durch Pubertätsblocker angehalten, gaben Trans-Personen im Schnitt 14 Jahre später an, ähnlich zufrieden mit ihrem Sexualleben zu sein wie die Gesamtbevölkerung. So interpretieren jedenfalls die Autorinnen und Autoren der niederländischen Studie ihre Ergebnisse.1 Pubertätsblocker können Trans-Jugendlichen verschrieben werden, um durch die Pubertät hervorgerufene körperlichen Entwicklungen anzuhalten. Sie reduzieren vorübergehend die Geschlechtshormonproduktion und halten damit die pubertäre Reifeentwicklung an. Dieser Schritt kann bei Trans-Jugendlichen helfen, den Leidensdruck zu verhindern oder zu reduzieren. Entscheidet sich die Person für eine nachfolgende Transition, gibt es Möglichkeiten, eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung und Operation durchzuführen. Die Indikation zur Pubertätsbehandlung erfordert spezielle Fachkenntnisse und ist sehr sorgfältig zu stellen. Obwohl das Anhalten der Pubertät akute emotionale und Verhaltensprobleme der Jugendlichen mindern kann, ist die Studienlage zu langzeitlichen Auswirkungen von Pubertätsblockern noch unsicher. Es gibt Bedenken, dass das Anhalten der psychosexuellen Entwicklung langfristige Folgen für die Sexualität haben könnte. Diese Bedenken äußert auch das britische Cass-Review2, welches generell auf eine geringe Evidenzlage zu Pubertätsblockern hinweist. Auf dessen Veröffentlichung hin stoppte die britische Gesundheitsbehörde die Verschreibung der Blocker außerhalb klinischer Studien. Aus internationalen Fachkreisen gab es daraufhin methodische und fachliche Kritik am Review, Deutschland hielt an der medikamentösen Praxis fest und ging in einer aktualisierten Leitlinienfassung auf das Review ein. Langzeitdaten aus Verlaufsbeobachtungen zu den Folgen von Pubertätsblockern werden trotzdem benötigt. Bei der nun veröffentlichten Studie handelt es sich um solche Langzeitdaten von 70 Trans- und genderdiversen Personen, die im Durchschnitt 14 Jahre zuvor Pubertätsblocker erhalten hatten. Von einer angefragten Kohorte aus 145 Personen nahmen 89 Personen an der Umfrage teil, 70 davon füllten die Umfrage aus und trugen zur Auswertung bei. Etwa drei Viertel davon hatten die Blocker in der späten Pubertät erhalten, etwa ein Viertel in der frühen. Unter den Teilnehmenden waren 20 Trans-Frauen und 50 Trans-Männer. Alle hatten daraufhin eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung erhalten, drei Viertel zusätzlich eine Operation. Mittels Fragebögen wurde ihre sexuelle Zufriedenheit und Funktion erhoben. Die Ergebnisse: 49 Prozent waren zufrieden mit ihrem Sexualleben, dabei gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen einem frühen oder späten Beginn der Pubertätsblockade. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung liegt die sexuelle Zufriedenheit bei 47 Prozent. Sexuelle Funktionsstörungen wurden von der Hälfte der Teilnehmenden berichtet, bei Transmännern war das Problem am häufigsten das Initiieren von Sex, bei Trans-Frauen die Orgasmusfähigkeit. Die Häufigkeit von Funktionsstörungen war nicht anders als die von Trans-Menschen, die keine Pubertätsblocker bekommen hatten. KD Dr. Dagmar Pauli, stellvertretende Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz, und Mitautorin der Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Behandlung (S2k), lobt, dass die Studie die sexuelle Funktionsfähigkeit und die sexuelle Zufriedenheit mit und ohne daraus resultierendem erlebten Leidensdruck separat erfasste, wodurch sich eine differenziertere Sichtweise ergab. Auch sei es wichtig, dass zwischen früher und später Pubertätsblockade unterschieden wurde und transmaskuline und transfeminine Individuen ebenfalls separat analysiert wurden. „Durch die Differenzierung der einzelnen Gruppen, die inhaltlich gerechtfertigt und wichtig ist, sind statistische Vergleiche jedoch schwierig. Es handelt sich daher um vorläufige Ergebnisse, die in weiteren Studien untersucht werden müssen“, erklärte Pauli. Durch die geringe Stichprobengröße ist die Studie nach Einschätzung von Prof. Florian Zepf, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena, dazu, „nicht in der Lage, ihre zentrale Fragestellung zu beantworten: Welchen Einfluss hat eine frühzeitige Pubertätssuppression auf die sexuelle Funktion? Die Autoren der Studie präsentieren Daten, die tatsächlich auf eine negative Auswirkung der frühen Pubertätssuppression auf nahezu alle Bereiche der sexuellen Funktion bei biologisch weiblichen Personen hindeuten, während sie für biologisch männliche Personen den gegenteiligen Trend zeigen (…). Beide Ergebnisse basieren jedoch auf sehr kleinen Stichproben (zum Beispiel bei der frühen Pubertätssuppression auf neun biologisch weiblichen Personen und acht biologisch männlichen Personen), was sie unzuverlässig macht“, kritisiert Zepf. Die Schlussfolgerung der Autoren, dass frühe und späte Pubertätssuppression ähnliche Ergebnisse zur sexuellen Funktion hätten, sei daher „paradox – nicht nur widersprechen ihre eigenen Rohdaten dieser Aussage (bei biologisch weiblichen Personen scheint frühe Pubertätssuppression mit einer schlechteren sexuellen Funktion assoziiert zu sein, bei biologisch männlichen Personen war der Befund anscheinend besser), es wurden auch keine statistischen Tests zur Unterscheidung zwischen den Gruppen durchgeführt, um diese Behauptung zu stützen. Angesichts der kleinen Stichprobengrößen, die eine zuverlässige Analyse unmöglich machen, kann die Studie ihre eigene zentrale Forschungsfrage nicht beantworten“, erklärte der Kinder- und Jugendpsychiater gegenüber dem Science Media Center (SCM). Auch Dr. Achim Wüsthof, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie, Endokrinologikum und Mitautor der Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Behandlung (S2k), weist darauf hin, dass bei genauerer Analyse der Studienergebnisse früh pubertätsunterdrückte Jugendliche im späteren Leben durchaus größere Schwierigkeiten hatten, einen Orgasmus zu erreichen oder insgesamt sexuell aktiv zu sein – wenngleich dies statistisch nicht signifikant war. „Also scheint eine geringe Beeinträchtigung doch vorzuliegen, wenngleich die Zahl der Befragten gering ist“, erklärte Wüsthof. Zepf zufolge trägt die Studie „nicht zur Evidenzbasis bei, sondern zeigt vielmehr exemplarisch, welche Risiken mit methodisch schwach aufgestellten Studien in hochsensiblen Bereichen der Medizin verbunden sind“.
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