Wie die Epigenetik zur Entstehung von Leukämien beiträgt30. Juni 2021 PRMT6-Inhibition als Ansatzpunkt für eine molekulare Therapie von Krebserkrankungen Bild: © Jörn Lausen, Stuttgart Trotz der großen Behandlungsfortschritte liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Leukämien – je nach Form – nur bei etwas über 50 Prozent. Daher wird weltweit nach neuen Therapieansätzen geforscht. Dabei stehen insbesondere Gene im Fokus, die das Wachstum von Krebszellen beeinflussen. Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Stuttgart und des DRK-Blutspendedienstes Frankfurt in einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt eine neue Verbindung zwischen Krebsgenen und der Wachstumssteuerung von Zellen entdeckt. Trotz Fortschritten in der Behandlung gehören Leukämien nach wie vor zu den tödlichsten Erkrankungen und sind insbesondere in einer alternden Gesellschaft wie der unseren ein drängendes Gesundheitsproblem: einer von 77 Menschen erkrankt in den Industrienationen derzeit im Laufe des Lebens an einer Form von Blutkrebs.Neue Erkenntnisse zu bestimmten Genen, die bei der Leukämieentstehung eine Rolle spielen, haben die Forschung in den letzten Jahrzehnten beflügelt. Insbesondere Gene, die das Wachstum von Krebszellen befeuern, sind durch weltweite wissenschaftliche Anstrengungen identifiziert worden. Nun liegt ein besonderes Augenmerk der Forscher auf der Regulation dieser Krebsgene. Zu verstehen, wie diese Gene an- oder ausgeschaltet werden können, ohne sie in ihrem Erbgut zu beeinflussen, wäre ein entscheidender Schritt in Richtung neuer Therapieoptionen.Ein besonders interessanter Ansatzpunkt hierfür sind epigenetische Mechanismen. Sie sind für die Regulation der Krebsgene deshalb so interessant, weil sie durch Enzyme vermittelt werden, die prinzipiell inhibiert werden können.Die zentrale Zellwachstumskontrolle erfolgt über die Regulation der Genexpression (das Ablesen und die Umsetzung der genetischen Information) durch Transkriptionsfaktoren und ihre epigenetischen Cofaktoren. Ein solcher epigenetische Regulator der Genexpression ist die Protein-Arginin-Methyltransferase 6 (PRMT6). Sie beeinflusst die zelluläre Differenzierung und Proliferation (Wachstum). Die Störung der Proliferationskontrolle ist eine wesentliche Veränderung der Zellen bei Leukämien.Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung konnte das Team von Wissenschaftlern um Prof. Jörn Lausen von der Abteilung Eukaryotengenetik des Instituts für Industrielle Genetik der Universität Stuttgart jetzt nachweisen, dass der Transkriptionsfaktor LEF1 zur Rekrutierung des epigenetischen Genexpressionsregulators PRMT6 an den zentralen Zellzyklusregulator Cyclin D1 (CCND1) beiträgt. Lausen und Lucas Schneider fanden in Zusammenarbeit mit Prof. Halvard Bönig und Prof. Erhard Seifried vom Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt und des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg-Hessen sowie Prof. Thomas Oellerich und Dr. Björn Häupl von der Medizinischen Klinik 2 am Universitätsklinikum Frankfurt heraus, dass die Inhibition von PRMT6 zu einer veränderten epigenetischen Umgebung des CCND1-Gens führt und damit zu einer Reduktion der CCND1-Expression. Dies geht mit einer verringerten Proliferation der Zellen einher.„Wir erhoffen uns, dass die Entdeckung dieses Mechanismus und die darauf aufbauende Forschung zukünftig zur Entwicklung und Nutzung von spezifischen PRMT6-Inhibitoren für die Krebstherapie beitragen kann und es dadurch gelingt, die Sterblichkeit von Leukämiepatienten weiter zu senken“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Lausen. Die Ergebnisse des Forscherteams wurden jüngst in der Fachzeitschrift “Oncogenesis” publiziert.Ergänzung zur Abbildung:PRMT6-Inhibition als Ansatzpunkt für eine molekulare Therapie von Krebserkrankungen:A. In einem Tumormodel verringert die Inhibition der Protein-Arginin-Methyltransferase 6 (PRMT6) durch shRNA (small hairpin RNA) das Tumorwachstum im Vergleich zur Kontrolle. Gezeigt sind die Tumoren in der Hellfeld-Mikroskopie und in der Fluoreszenz-Aufnahme (green fluorescent protein, GFP).B. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass PRMT6 die Proliferation von Zellen fördert, unter anderem durch eine Wirkung auf die Cyclin D1-Expression. Diese Erkenntnisse können zur Entwicklung von spezifischen PRMT6-Inhibitoren für die Krebstherapie beitragen.Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer KrebsforschungDie Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit rund 134.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 250 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
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