Wie Künstliche Intelligenz Alterungsprozesse im Blut sichtbar macht1. Oktober 2025 Symbolbild: ©Елена Бутусова/stock.adobe.com Kann ein einfacher Bluttest zeigen, wie gut jemand altert? Ein Forscherteam hat Metabolomik mit Künstlicher Intelligenz und einem neuartigen Netzwerkmodellierungs-Tool kombiniert, um die zentralen molekularen Prozesse des aktiven Alterns zu entschlüsseln. Dabei identifizierten sie Aspartat als Schlüsselmetabolit. Dass Bewegung das Risiko chronischer Erkrankungen senkt, ist seit Langem bekannt. Doch die genauen molekularen Prozesse, die körperliche Aktivität in gesünderes Altern übersetzen, waren bislang kaum erforscht. Forschende um Wolfram Weckwerth von der Universität Wien (Österreich) und der Nankai-Universität (China) stellten sich daher eine scheinbar einfache Frage: Lassen sich die Vorteile eines aktiven Lebensstils bei älteren Menschen direkt im Blut erkennen – und welche Moleküle spielen dabei die größte Rolle? Ihr Erkenntnisse publizierten sie nun im Fachmagazin „npj Systems Biology and Applications“. Von Fitnesstests zu Blut-Fingerprints Die Forscher entwickelten zunächst einen Body-Activity-Index (BAI), indem sie mittels kanonischer Korrelationsanalyse die Ergebnisse aus Gehstrecke, Aufsteh-Tests, Handkraftmessungen und Gleichgewichtstests zusammenführten. Dieser zusammengesetzte Leistungswert erfasst Ausdauer, Kraft und Koordination in einem robusten Maß. Unabhängig davon wurde ein Metabolomics-Index aus den Blutkonzentrationen von 35 niedermolekularen Metaboliten berechnet. In 263 Blutproben älterer Erwachsener zeigten beide Indizes eine Pearson-Korrelation von 0,85 (p<1×10⁻19), was belegt, dass die molekulare Signatur im Blut die körperliche Fitness widerspiegelt. KI identifiziert die metabolische Signatur aktiver und weniger aktiver Gruppen Um komplexe, nicht lineare Muster zu erfassen, trainierten die Forscher fünf verschiedene Modelle auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) – von einfachen statistischen Verfahren bis hin zu fortgeschrittenen Methoden. Jedes Modell wurde mit wiederholter Kreuzvalidierung abgestimmt und an unabhängigen Datensätzen getestet. Zwei der fortgeschrittenen Modelle erzielten eine hohe Genauigkeit und unterschieden aktive von weniger aktiven Teilnehmern in mehr als 91 Prozent der Fälle (Fläche unter der Kurve >0,91). Acht Metaboliten traten in allen fünf Algorithmen konsistent als Prädiktoren für Aktivitätsniveau hervor: Aspartat, Prolin, Fruktose, Apfelsäure, Pyruvat, Valin, Citrat und Ornithin. Aspartat stach dabei mit einem Faktor von zwei bis drei besonders hervor und bestätigte seine zentrale Rolle als molekularer Marker des aktiven Alterns. Netzwerk-Umschaltung durch COVRECON Korrelation allein erklärt nicht, warum bestimmte Moleküle mit Fitness verknüpft sind. Um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, nutzte das Team das datengetriebene Modellierungs-Tool COVRECON. Einfach gesagt analysiert COVRECON, wie Metaboliten gemeinsam variieren, und rekonstruiert daraus ein Netzwerk biochemischer Interaktionen. Die Wissenschaftler bestimmten auf Basis eines speziellen mathematischen Verfahrens enzymatische Verbindungen, die sich zwischen aktiven und weniger aktiven Gruppen am stärksten verändern. Dabei identifizierten sie die beiden hepatischen Marker Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT) als zentrale Knotenpunkte im Netzwerk, die zeigen, wie körperliche Aktivität den Stoffwechsel beeinflusst. Weckwerth und Kollegen bestätigten die Vorhersagen durch routinemäßige Bluttests: Über den sechsmonatigen Studienzeitraum schwankten AST und ALT bei aktiven Teilnehmern deutlich stärker als bei ihren weniger aktiven Vergleichspersonen – den Studienautoren zufolge ein Hinweis auf größere metabolische Flexibilität in Leber- und Muskelstoffwechsel. Bedeutung für Gehirngesundheit und Demenz Aspartat ist mehr als nur ein einfacher Stoffwechsel-Zwischenmetabolit: Im Gehirn dient es auch als Vorläufer von Neurotransmittern und aktiviert NMDA-Rezeptoren, die für Lernen und Gedächtnis essenziell sind. Diese doppelte Funktion bietet eine mögliche Verbindung zwischen körperlicher Fitness und kognitiver Gesundheit. Unabhängige Studien zeigen, dass niedrige AST- und ALT-Werte im mittleren Lebensalter – oder ein erhöhter AST/ALT-Quotient – mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer und altersbedingten kognitiven Abbau verbunden sind. Indem die vorliegende Studie zeigt, dass körperliche Aktivität dynamische Veränderungen im Aspartat-Stoffwechsel und in der Plastizität dieser beiden Enzyme bewirkt, deutet sie auf eine molekulare Brücke zwischen Muskel-Leber-Gesundheit und neuronaler Widerstandsfähigkeit hin. Nach Ansicht der Studienautoren vermitteln die Ergebnisse eine klare Botschaft: Körperliche Aktivität trägt nicht nur zur Erhaltung von Kraft und Mobilität bei, sondern könnte auch das Gehirn vor Demenz schützen – durch messbare Veränderungen in aminosäurebasierten Signalwegen. „Körperliche Aktivität bewirkt mehr als nur Muskelaufbau“, erklärt Weckwerth: „Sie verändert unseren Stoffwechsel auf molekularer Ebene. Indem wir diese Veränderungen entschlüsseln, können wir verfolgen – und sogar steuern – wie gut jemand altert.“
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