Wie menschliche Zellen Erbgutschäden flicken10. April 2025 Damit die DNA intakt bleibt, sind ständig Reparaturarbeiten nötig. Bild: ©Josef Kuster/ETH Zürich Forschende der ETH Zürich haben das komplexe Netzwerk aufgeschlüsselt, auf das Zellen bauen, um ihr Erbgut zu reparieren. Das Team hat Abertausende genetischer Wechselwirkungen durchleuchtet und in Krebszellen neue Schwachstellen gefunden, die sich künftig vielleicht therapeutisch ausnutzen lassen. Das Erbgut menschlicher Zellen, die DNA, umfasst eine Abfolge von rund 3,1 Milliarden Bausteinen. Um die Integrität dieses riesigen Informationsträgers zu wahren, betreiben Zellen einen enormen Aufwand. Dauernd müssen sie etwa Knoten im DNA-Strang entwirren. Oder neue chemische Verbindungen knüpfen, wenn irgendwo im Zellkern ein DNA-Faden reißt. „Wenn es um Reparaturen am Erbgut geht, denken viele zuerst an eine Reaktion auf Belastungen durch Gifte oder Strahlung“, erklärt Jacob Corn, Professor für Genombiologie an der ETH Zürich. Doch Reparaturmechanismen schützen nicht nur vor äußeren Gefahren. Sie spielen auch für das alltägliche Überleben der Zellen eine wichtige Rolle. Unmenge neuer gegenseitiger Abhängigkeiten Aus früheren Arbeiten war der Wissenschaft bekannt, dass mehr als 500 Gene (der rund 20.000 menschlichen proteinkodierenden Gene) für die DNA-Reparatur zentral sind. Nun haben Corn und sein Team mit einer umfassenden Analyse der Wechselwirkungen dieser Gene neue grundlegende Einblicke gewonnen, wie Zellen ihr Genom intakt erhalten. Die Forschenden haben eine Unmenge neuer gegenseitiger Abhängigkeiten entdeckt. Und dabei auch potenzielle neue Angriffspunkte für die Krebstherapie identifiziert, wie sie in ihrem Beitrag festhalten, der soeben in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienen ist. Für ihre Untersuchungen haben die Forschenden menschliche Zellen in Zellkulturen gentechnisch verändert, um jeweils zwei der Reparaturgene gleichzeitig auszuschalten. „Wir sind systematisch vorgegangen und haben uns alle möglichen Kombinationen angesehen“, sagt Corn. Das ist schneller gesagt als getan, denn insgesamt haben die Forschenden fast 150.000 verschiedene Kombinationen von inaktivierten Genpaaren untersucht. „Es gab viel zu tun“, sagen John Fielden und Sebastian Siegner, die beiden Erstautoren dieser Studie. „Menschliche Zellen lieben Redundanz“ Die Idee hinter dieser Bestrebung ist, dass es meist nicht genügt, ein einzelnes Gen zu inaktivieren, um einen Effekt festzustellen. Denn oft übernimmt ein anderes Gen die fehlende Funktion – und kann so den Ausfall kompensieren. „Menschliche Zellen lieben Redundanz“, sagt Corn. Erst wenn man auch das Backup lahmlegt, verlieren die Zellen die Fähigkeit, das Erbgut zu flicken. Dadurch reichern sich mit der Zeit immer mehr Schäden an, so dass die Zellen irgendwann nicht mehr lebensfähig sind. Das war in rund 5000 inaktivierten Genpaaren der Fall. In ihrem Beitrag beschreiben die Forschenden für zwei solcher Gen-Paare detailliert, welche molekularen Interaktionen ausfallen. So decken die Forschenden in ihren Untersuchungen Verbindungen auf, die bis dahin völlig unbekannt waren, offenbar aber für das Gedeihen der Zellen absolut notwendig sind. Krebsmutationen mit Angriffspunkten verknüpfen Neben solchen grundlegenden Erkenntnissen liefern die Arbeiten der Forschenden auch neue Anhaltspunkte für die Krebstherapie. Denn Krebszellen weisen im Vergleich zu normalen Zellen mehr Mutationen auf. In manchen Krebszellen sind aus diesem Grund schon einige der über 500 Reparatur-Gene ausgeschaltet . „Mit unserer Suche haben wir aufgezeigt, welche zusätzlichen Gene inaktiviert werden müssen, um das Wachstum der Krebszellen zu unterbinden“, sagt Fielden. Im Beitrag listet das Team eine ganze Reihe von bisher unerforschten Verknüpfungen zwischen häufigen Krebsmutationen und molekularen Angriffspunkten auf, die mit Medikamenten blockiert werden können. Diese neu entdeckten potenziellen Schwachstellen von Krebszellen gilt es nun zu testen. „Wir haben aufgezeigt, welche Wege durch den dunklen Wald führen“, sagt Corn. „Jetzt ist es ein Leichtes, diese Wege abzuschreiten.“ Er und sein Team haben auch eine neue Web-Plattform (http://spidrweb.org) geschaffen, auf der ihre Resultate öffentlich zugänglich sind. „Wir hoffen, dass andere Forschende davon profitieren und die Plattform rege nutzen“, sagt Corn. Das würde dazu beitragen, dass das neue Wissen um die genetischen Wechselwirkungen möglichst bald schon Früchte trägt. Die Forschungsarbeiten wurden unter anderem durch den Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziert und gehören zum DDREAMM-Projekt, das vom Europäischen Forschungsrat ERC gefördert wird.
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