Wie Sensorineuraler Hörverlust bei Säuglingen die Hirnentwicklung beeinflusst10. Dezember 2025 Foto: satura_/stock.adobe.com Hörverlust bei Säuglingen wirkt sich negativ auf die Entwicklung des Gehirns aus, wie eine aktuelle Studie zeigt. Die Autoren konstatieren auch, dass der Kontakt mit Geräuschen und Sprache – gesprochen oder gebärdet – eine normale Entwicklung fördert. Die von zwei Neurowissenschaftlern geleitete Studie ergab, dass Säuglinge mit sensorineuralem Hörverlust (SNHL) nicht das übliche Organisationsmuster auf der linken Gehirnhälfte aufweisen. Letztere ist für Sprache und höhere kognitive Fähigkeiten zuständig. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass eine frühzeitige auditive Stimulation durch Hörgeräte oder Cochlea-Implantate verbunden mit dem Kontakt mit Sprache – gesprochen oder gebärdet – zu einer normalen Gehirnentwicklung beitragen könnte. „Das erste Lebensjahr ist ein entscheidendes Zeitfenster für die Organisation des Gehirns“, schreiben die Autoren um Heather Bortfeld von der University of California (USA) und Professor Haijing Niu von der Beijing Normal University (China) in ihrer Studie. „Wenn Säuglinge in dieser Zeit keine akustischen Reize oder frühen Sprachkontakte erhalten, entwickeln die linke und rechte Gehirnhälfte möglicherweise nicht ihr übliches Gleichgewicht.“ Die Studie ist in „Science Advances“ erschienen. Wie effizient kommunizieren verschiedene Regionen des Gehirns bei Säuglingen mit Hörverlust? Das Autorenteam untersuchte 112 Säuglinge im Alter von 3 bis 9 Monaten. Davon hatten 52 einen angeborenem Hörverlust, ohne von Anfang an mit Gebärdensprache aufzuwachsen. Sie wurden mit 60 Säuglingen mit normalem Hörvermögen verglichen. Mithilfe der nicht invasiven funktionellen Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) verfolgten die Forscher, wie effizient verschiedene Regionen des Gehirns miteinander kommunizierten. Sie stellten fest, dass beide Gruppen eine starke „Small-World”-Netzwerkorganisation aufwiesen: Das ist ein Zeichen für eine effiziente Gehirnfunktion. Im Gegensatz zu Säuglingen mit normalem Hörvermögen entwickelten Säuglinge mit SNHL jedoch keine stärkere Spezialisierung der linken Gehirnhälfte. Diese wird normalerweise mit der frühen Sprach- und kognitiven Entwicklung in Verbindung gebracht. Der Unterschied war bei Säuglingen mit mittelschwerem bis schwerem Hörverlust am ausgeprägtesten. Säuglinge mit leichtem Hörverlust hingegen behielten einige normale Muster der Aktivität der linken Gehirnhälfte bei. Geräusche und Zugang zu Sprache fördern neuronale Entwicklung Die Asymmetrie des Gehirns unterstützt die Entwicklung von Sprache, Denkvermögen und Gedächtnis. Bei einem Säugling mit normalem Hörvermögen wird die linke Hemisphäre innerhalb der ersten Lebensmonate für die Verarbeitung von Sprache und symbolischer Kommunikation dominant. Diese Spezialisierung kann ins Stocken geraten, wenn auditive oder sprachliche Inputs fehlen. Frühere Forschungen zeigen, dass gehörlose Säuglinge, die mit Gebärdensprache aufwachsen, eine normale Organisation der linken Gehirnhälfte entwickeln. Das belegt, dass sowohl Geräusche als auch der Zugang zu Sprache ein gesundes neuronales Wachstum fördern kann. Hörverslust bei Säuglingen: Möglichst früh intervenieren „Eine frühzeitige Stimulation – sei es durch Cochlea-Implantate, Hörgeräte oder Gebärdensprache – ist unerlässlich“, heißt es in der aktuellen Studie. „Das Gehirn benötigt strukturierte Reize, um die Netzwerke aufzubauen, die später die Kommunikation und das Lernen unterstützen.“ Die Autoren betonten, dass die Intervention so früh wie möglich beginnen sollte, idealerweise in den ersten Lebensmonaten. Das Gehirn ist dann am plastischsten. Eine reichhaltige sprachlichen Umgebung könne dazu beitragen, neuronale Bahnen zu stärken, empfehlen die Wissenschaftler. Ansonsten könnten neuronale Bahnen schwächer werden oder sich abnormal neu organisieren. Einschränkung: Säuglinge nur punktuell beobachtet Die Studie liefere zwar starke Belege dafür, wie sich Hörverlust auf das Gehirn von Säuglingen auswirkt, jedoch wurden die Säuglinge nur zu einem bestimmten Zeitpunkt beobachtet, schränken die Autoren ein. Deshalb planen sie, Kinder über einen längeren Zeitraum zu beobachten. So wollen die Forschenden festzustellen, ob frühzeitige Hör- und Sprachinterventionen die Asymmetrie des Gehirns normalisieren und spätere Sprach- und kognitive Ergebnisse unterstützen können. Darüber hinaus fordern sie weitere Studien, die fNIRS mit Magnetresonanztomographie und Elektroenzephalogrammen kombinieren, um zu kartieren, wie Geräusche, Sprache und Kognition in der frühen Entwicklung zusammenwirken. „Diese Arbeit betrachtet Hörverlust nicht mehr nur als ein Problem des Ohrs, sondern als ein Problem der Gehirnentwicklung“, heißt es in der Studie. „Wir wissen heute, dass der rechtzeitige Zugang zu Geräuschen und Sprache entscheidend dafür ist, dass die Kommunikationsnetzwerke des Gehirns richtig funktionieren.“ (ja/BIERMANN)
Mehr erfahren zu: "Hörverlust durch cCMV-Infektion: Welche Neugeborenen sollten gescreent werden?" Hörverlust durch cCMV-Infektion: Welche Neugeborenen sollten gescreent werden? Ein Drittel der Fälle von Hörverlust, die auf eine konnatale Cytomegalievirus-Infektion (cCMV-Infektion) zurückgehen, tritt nach der Geburt auf. Das belegt eine aktuelle US-amerikanische Studie. Die Autoren plädieren für ein cCMV-Screening […]
Mehr erfahren zu: "Krankenhausreform geht im Norden in die Umsetzung" Krankenhausreform geht im Norden in die Umsetzung Kliniken dürfen Leistungen wie spezielle OPs künftig nur noch anbieten, wenn sie spezielle Qualitätskriterien erfüllen. Die Zahl der Leistungsgruppen ist hoch. Und sie werden nun im Norden überprüft.
Mehr erfahren zu: "Sparpaket: Merz erwartet Entlastung der Krankenversicherung um zwei Milliarden" Sparpaket: Merz erwartet Entlastung der Krankenversicherung um zwei Milliarden Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat eine grundlegende Reform der Krankenversicherung für stabile Beiträge bis 2027 in Aussicht gestellt. Auch mit Blick auf das kommende Jahr zeigte sich Merz am Morgen […]