Wiederherstellung des Gefühls bei künstlichen Extremitäten möglich

Symbolbild (Lightspruch – stock.adobe.com)

Trotz enormer Fortschritte in der Entwicklung bionischer Prothesen sind Patienten bisher nicht in der Lage, diese in einer natürlichen, intuitiven Weise zu spüren. Nun hat ein Forschungsteam der MedUni Wien, Österreich, entscheidende Fortschritte in der Sensibilisierung der künstlichen Extremitäten erzielt: Durch die Entwicklung einer neuartigen Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine konnte erstmals das Gefühl der verlorenen Gliedmaße wiederhergestellt werden.

Dass Patienten ihre bionische Prothese nicht wie eine eigene Extremität wahrnehmen können, wird vor allem auf die Unzulänglichkeiten der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zurückgeführt. Auf der Suche nach Möglichkeiten für eine verbesserte prothetische Kontrolle und ein natürlicheres Körpergefühl führten die Wissenschafter rund um Oskar Aszmann von der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Klinisches Labor für bionische Extremitätenrekonstruktion, an der MedUni Wien die eigenen Angaben zufolge bisher detailreichste Untersuchung einer biologischen Schnittstelle zwischen Patient:in und Prothese durch. Dabei wurde ein Nerv, welcher sowohl sensorische als auch motorische Fasern beinhaltet, mit einem nicht dazugehörigen Muskel verbunden, auf welchem zusätzlich ein Hauttransplant angenäht wurde.

„Der Nerv wuchs daraufhin in Muskel und Haut ein und bildete neue, funktionale Verbindungen mit den Muskelfasern sowie Rezeptoren, welche Bewegungen und Berührungen wahrnehmen – ein Vorgang, den wir Reinnervation nennen“, berichtet Studienleiter Aszmann.

Umleitung von durchtrenntem Nerv

Wie die Untersuchungen am Tiermodell zeigten, kann ein durchtrennter Nerv, wie er beispielsweise nach der Amputation einer Extremität vorliegt, zu zuvor nicht verbundenen Muskeln und Haut umgeleitet und damit der Informationsfluss wiederhergestellt werden. „Auf diese Weise haben wir eine neuromuskuläre Landschaft im Amputationsstumpf geschaffen, welche die verlorene Gliedmaße abbildet“, erklärt Aszmann.

Bei dieser neu entwickelten Mensch-Maschine-Schnittstelle fanden die Forscher ein außerordentlich dichtes Nervenfasernetz in der transplantierten Haut, welches Verbindungen zu den natürlichen Berührungssensoren wiederherstellte. Darüber hinaus erwiesen sich die darin befindlichen Muskelspindeln in einer so robusten Weise reinnerviert, dass sie die Prothesensteuerung in einem bisher unerreichten Maß verbessern können.

„Damit konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass ein Nerv, der nach einer Amputation sein Ziel verloren hat, eine künstlich geschaffene Umgebung wieder innervieren kann“, verdeutlicht Aszmann.

Den Forschenden zufolge schaffen die Studienergebnisse die Möglichkeit, dass Patienten ihre künstliche Extremität so spüren und bewegen können, als würde sie zum eigenen Körper gehören. Im nächsten Schritt sollen die Erkenntnisse aus dem Tiermodell in Untersuchungen an Patienten mit bionischen Prothesen bestätigt werden. Aszmann: „Ich bin überzeugt, dass die Methode auch beim Menschen funktioniert.“