Wirkstoffe ohne Umleitung durch die Nase ins Gehirn

Logo des nun abgeschlossenen Projekts “N2B-patch”, dessen Ziel es war, ein neues Verfahren zu entwickeln, Wirkstoffe gegen MS durch die Nase direkt in Gehirn zu transportieren. (Logo: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB)

Forschende eines internationalen Konsortiums haben im EU-Projekt “N2B-patch” in den zurückliegenden viereinhalb Jahren ein neuartiges System entwickelt, mit dessen Hilfe Wirkstoffe die Blut-Hirn-Schranke umgehen können. 

Im Januar 2017 wurde das EU-geförderte Verbundprojekt “N2B-patch” ins Leben gerufen, in dem es sich ein internationales Konsortium aus elf Partnern unter Koordination des Fraunhofer IGB zur Aufgabe gemacht hatte, eine effiziente, alternative Möglichkeit zur Therapie der Multiplen Sklerose zu erforschen. Auch mit der Erwartung, dass andere Erkrankungen des ZNS von dieser Plattformtechnologie profitieren können.

Mit Erfolg: Das internationale Konsortium hat die Machbarkeit eines nasalen Verabreichungssystems für Biopharmazeutika über die Riechschleimhaut, die Regio olfactoria, gezeigt. Im Gegensatz zu einer Behandlung per Nasenspray, das über das respiratorische Epithel wirkt, oder einer intravenösen Injektion direkt in die Blutbahn, könnte dieser innovative “Nose-to-Brain”-Ansatz einem Wirkstoff ermöglichen, den Weg über das Blut zu umgehen und direkt ins Gehirn zu gelangen. Denn dieses ist nur durch das gelochte Siebbein und wenige zusätzliche Zellschichten von der Nasenhöhle getrennt, sodass die Arzneimittel diese Barriere einfach durchdringen und das ZNS auf kurzer Distanz direkt erreichen können. Nun endet das Projekt nach 4,5 Jahren Laufzeit.

Zukünftige Plattformtechnologie für verschiedenste Indikationen

Das neuartige Verabreichungssystem soll Kürze zum Patent angemeldet werden. Für die Formulierung selbst konnte unter anderem gezeigt werden, dass diese stabil ist und so sogar über Tage und Wochen bei Raumtemperatur lagerfähig ist.

Da das neuartige System flexibel gestaltet ist, könnte das Verfahren zukünftig auch als potenzielle Plattformtechnologie für andere Erkrankungen des ZNS eingesetzt werden – etwa zur Therapie von Schlaganfällen und Alzheimer – oder auch spezifischen Krebserkrankungen.

Präklinische Studien überzeugen

“Das in Zusammenarbeit mit der Beiter GmbH & Co. KG entwickelte und mittels in-vivo-Modellen getestete System ist in der Anwendung so schonend, dass das Riechen in keinster Weise beeinträchtigt wird und auch keine Krankheitskeime in die Nase gelangen können. Zudem wurden generell keine Auswirkungen auf das nasale Mikrobiom beobachtet. Präklinische und Mikrobiom-Studien haben dies gezeigt”, erklärt Projektleiterin Dr. Carmen Gruber-Traub. Mit dem neuen System könnte es möglich sein, den Wirkstoff in einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen kontinuierlich und zuverlässig an das Gehirn zu verabreichen. Danach muss erneut eine Anwendung erfolgen.

Diese Tatsache wird aber von PatientInnen nicht als belastend empfunden, wie Umfragen des Konsortiums ergaben. Da das System für den Patienten gut verträglich ist, ist eine wiederholte Anwendung möglich, und es könnte somit auch zur Langzeitbehandlung oder sogar für eine lebenslange Behandlung geeignet sein. Das System kann nicht selbst, sondern muss durch eine Ärztin oder einen Arzt bzw. von geschultem Personal angewendet werden, das über entsprechendes Geschick und Erfahrung verfügt.

Das Projekt wurde über die gesamte Dauer durch die Europäische Multiple Sklerose Plattform EMSP als Partner eng begleitet und damit Betroffene durch Veranstaltungen, Kampagnen oder Interviews regelmäßig einbezogen.

Von der Zulassung der neuen Plattformtechnologie ist man zwar noch einige Zeit entfernt, trotzdem sei alles entsprechend vorbereitet: “An der Vermarktung wird jetzt schon gearbeitet, an der Produktion nach GMP-Richtlinien sowieso, und selbstverständlich werden die Patentanmeldungen vorangetrieben”, erklärt Gruber-Traub. “Außerdem gehen die grundlegenden Forschungsarbeiten auch über dieses konkrete Projekt hinaus noch weiter, im Rahmen des Marie-Sklodowska-Curie-Netzwerks Bio2Brain für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt.”