Zi-Umfrage: Bürokratie und IT-Chaos bewegen viele Ärzte zum Praxis-Ausstieg

Viele niedergelassene Ärzte fühlen sich überlastet. Foto: Volker Witt – stock.adobe.com

Nur knapp 50 Prozent der Niedergelassenen planen, ihre Praxis bis zum altersbedingten Übergang fortzuführen. Das ergibt eine Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Als Gründe werden bürokratische Auflagen, Kostenanstiege und IT-Chaos genannt.

Jeder zweite niedergelassene Arzt/Psychotherapeut geht laut den Zi-Zahlen derzeit davon aus, wegen Altersgründen aus der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung auszuscheiden und die Zulassung zurückzugeben. Etwa 20 Prozent der Befragten wollen die vertragsärztliche bzw. psychotherapeutische Versorgung vorzeitig, also noch vor dem Renteneintrittsalter, verlassen, um in den Ruhestand zu treten. Weitere 14 Prozent geben ihre eigene Niederlassung auf, um sich in einer anderen Praxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen zu lassen. Immerhin acht Prozent der Befragten planen, ihre Zulassung abzugeben und den Standort als Privatpraxis weiterzuführen. Von den Befragten, die vorzeitig in den Ruhestand treten, haben fast zwei Drittel angegeben, dass sie die Arbeitsbelastung in ihrer aktuellen Situation als zu hoch empfinden. Nur 22 Prozent der vorzeitig Ausscheidenden gaben an, dass sie dies taten, weil sie der Überzeugung waren, dass ihre Altersvorsorge bereits abgesichert sei. Zu hohe Praxiskosten bzw. Fachkräftemangel beim nichtärztlichen Personal ist von jedem fünften vorzeitigen Ruheständler als entscheidendes Motiv genannt worden.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Schwerpunktauswertung, die das Zi im Rahmen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP) 2023 vorgenommen hat. Von den insgesamt 68.000 angeschriebenen niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten haben mehr als 4000 bei der aktuellen ZiPP-Befragung Angaben zum Thema Praxisübergabe gemacht. Von diesen beschäftigen sich aktuell etwa 1200 Teilnehmende intensiv mit dem Thema. Die umfassende Befragung zur wirtschaftlichen Lage der Praxen wird jährlich wiederholt; viele Angeschriebene nehmen in mehreren Jahren teil.

„Stimmung nachhaltig eingetrübt“

„Die aktuelle Umfrage bestätigt unsere repräsentativen Befragungsergebnisse von Dezember 2023 zur Lage in den Praxen. Damals hatten gut 60 Prozent der befragten Praxen angegeben, aufgrund der Rahmenbedingungen zu überlegen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszuscheiden. Erneut zeigt sich sehr deutlich, dass die Stimmung unter den Praxisinhaberinnen und -inhabern nachhaltig eingetrübt ist“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. „Ein maßgeblicher Grund: Immer mehr bürokratische Auflagen und Belastungen durch Fehlleistungen der von Digitalisierungsvorgaben oft überforderten Praxissoftware-Systeme. Mehr als 61 Tage pro Jahr muss jede Praxis im Durchschnitt für ‚Papierkram‘ aufwenden, die häufigen Unterbrechungen des Praxisablaufs durch IT-Zusammenbrüche nicht mitgerechnet.“

Zudem mache die allgemeine Teuerung auch vor den Praxen nicht Halt, so von Stillfried weiter. Die Kosten für Personal, Energie, Mieten, Material oder medizinische Geräte stiegen stärker als die Inflation. „Während die Verbraucherpreise zwischen 2019 und 2022 um fast zwölf Prozent zunahmen und die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen sich ähnlich verbessert hat, haben die Praxen in dieser Zeit zusammengerechnet nur sechs Prozent mehr pro Leistung erhalten. Viele Praxisführende machen damit Jahr für Jahr ein reales Minus.“

Von Stillfried sieht daher die wohnortnahe Gesundheitsversorgung in Deutschland in akuter Gefahr. „Die Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr. Die Politik muss dieses Warnsignal ernst nehmen. Ein Verlust der Praxisstrukturen schädigt die lokale Infrastruktur und die medizinische Versorgung nachhaltig. Dies kann durch Krankenhäuser, Telemedizin oder andere Heilberufe nicht aufgefangen werden. Handlungsleitend muss vielmehr die Frage sein: Was veranlasst niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dazu, ihren Beruf wieder eher länger als kürzer auszuüben und die Praxen für die Patientinnen und Patienten offenzuhalten?“

KBV sieht ambulante Versorgung „kurz vor dem Kipp-Punkt“

„Diese Umfrage spricht Bände“, kommentieren die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. „Die Ergebnisse zeigen eindringlich, wie schlecht es um die Rahmenbedingungen der ambulanten Versorgung steht. Überbordende Bürokratie, dysfunktionale Digitalisierung und immense Kostenanstiege verärgern und frustrieren die Kolleginnen und Kollegen, so dass sie ernsthaft darüber nachdenken, vorzeitig ihre Praxis aufzugeben – und das, obwohl sie ihren Beruf und den täglichen Umgang mit ihren Patientinnen und Patienten sehr schätzen.“

Die KBV-Vostände sehen die Umfrage als „ein weiteres frappierendes Alarmsignal an die Politik“. Die qualitativ hochwertige und wohnortnahe ambulante Versorgung stehe kurz vor dem Kipp-Punkt. „Wenn Politik jetzt nicht handelt, droht dieser Versorgung das Aus.“

(Zi/KBV/ms)