Zöliakie: Neue Erkenntnisse über die Effekte von Gluten

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In einer kürzlich publizierten Arbeit beschreiben Forschende, wie bestimmte Moleküle, die aus Gluten entstehen, bei Zöliakie das Leaky-Gut-Syndrom auslösen.

Die zentrale Erkenntnis der Studie, für die ein Darmmodell aus im Labor gezüchteten Zellen verwendet wurde: Ein bestimmtes Eiweißpeptid, das bei aktiver Zöliakie entsteht, bildet Strukturen im Nanomaßstab (Oligomere) und reichert sich im Darm an. Es handelt sich dabei um deamidiertes 33-mer-Gliadin-Peptid (DGP). Das Studienteam hat nun entdeckt, dass eine solche Anhäufung von DGP-Oligomeren die dicht verschlossene Darmschleimhaut öffnen kann, was zum Leaky-Gut-Syndrom führt.

Weizenpeptide verursachen Leaky Gut

Nach der Aufnahme von Weizen kann der menschliche Körper Glutenproteine nicht vollständig abbauen. Dies kann zur Bildung großer Glutenfragmente (Peptide) im Darm führen. Wissenschaftler haben entdeckt, dass bei aktiver Zöliakie das Enzym Gewebetransglutaminase 2 (tTG2) ein bestimmtes Glutenpeptid verändert. Dies führt zur Bildung des 33-mer-DGP. Während dies normalerweise in der Lamina propria geschieht, haben neuere Studien gezeigt, dass dieser Prozess auch in der Darmschleimhaut stattfinden kann.

„Unser interdisziplinäres Team analysierte die Bildung von 33-mer-DGP-Oligomeren mit hochauflösender Mikroskopie und biophysikalischen Techniken. Wir stellten in einem Darmzellmodell eine erhöhte Durchlässigkeit fest, wenn sich DGP anreicherte“, berichtet Dr. Maria Georgina Herrera, die Erstautorin der Studie. Sie ist Forscherin an der Universität Buenos Aires in Argentinien und war Postdoktorandin in Bielefeld.

Wenn die Darmbarriere geschwächt ist

Eine Elektronenmikroskop-Aufnahme aus der Studie zeigt das problematische Peptid 33-mer-DGP mit stacheligen Strukturen, die die Darmbarriere öffnen können. (Abbildung: © Universität Bielefeld)

Das Leaky-Gut-Syndrom tritt auf, wenn die Darmschleimhaut durchlässig wird und schädliche Substanzen in den Blutkreislauf gelangen – das führt zu Entzündungsreaktionen und verschiedenen Krankheiten. Die Wissenschaft beschäftigt besonders, was in frühen Phasen der erhöhten Durchlässigkeit passiert. Überwiegend wird von der Theorie ausgegangen, dass chronische Entzündungen bei Zöliakie zu einem Leaky Gut führen. Es gibt jedoch eine zweite Theorie, die besagt, dass die Auswirkungen von Gluten auf die Zellen der Darmschleimhaut die Hauptursache sind. Demnach schädigt Gluten direkt die Zellen der Darmschleimhaut, macht sie durchlässig und löst dadurch chronische Entzündungen aus, die möglicherweise bei genetisch veranlagten Menschen zu Zöliakie führen.

Weil Gluten täglich konsumiert wird, stellt sich die Frage, welche molekularen Auslöser bei Zöliakie-Patienten zur erhöhten Darmdurchlässigkeit führen. Wenn sich 33-mer-DGP-Oligomere bilden, können sie möglicherweise das Zellnetzwerk der Darmschleimhaut schädigen. Dadurch gelangen Glutenpeptide, Bakterien und andere Schadstoffe leichter in den Blutkreislauf, was zu Entzündungen und bei Zöliakie zur Autoimmunreaktion führen kann. „Unsere Ergebnisse unterstützen die medizinische Hypothese, dass eine durch Glutenpeptide verursachte Schwächung der Darmbarriere eine Ursache und nicht die Folge der Immunreaktion bei Zöliakie-Patienten ist“, erklärt Dr. Verónica Dodero, Hauptautorin der Studie von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld.

Zusammenhang zwischen 33-mer-DGP und Zöliakie

Humane Leukozyten-Antigene (HLAs) sind Proteine auf der Oberfläche von Körperzellen. Sie spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem, indem sie zwischen eigenen Zellen und Fremdstoffen wie Bakterien oder Viren unterscheiden. Bei Zöliakie hängen zwei bestimmte HLA-Proteine, HLA-DQ2 und HLA-DQ8, stark mit der Erkrankung zusammen. Das 33-mer-DGP passt exakt zu HLA-DQ2 oder HLA-DQ8, verbindet sich damit und löst so eine Immunreaktion mit Entzündungen und Zottenrückbildung im Dünndarm aus. Diese starke Wechselwirkung macht das DGP zu einem Superantigen. Für Betroffene ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung die einzige Therapie.