Zunehmende Antibiotikaresistenz: Sensoren für Superkeime

In den Empa-Labors wird an Antibiotikaresistenz-Sensoren gearbeitet, deren Farbstoffe auf bestimmte Bakterien reagieren. (Foto: © Empa)

Antibiotikaresistente Bakterien verursachen zum Teil lebensgefährliche Infektionen, die mit den vorhandenen Medikamenten kaum noch zu behandeln sind. Forschende in der Schweiz arbeiten daher an Sensoren, die resistente Keime schnell identifizieren und eine effiziente Behandlung empfehlen.

Es wird geschätzt, dass die Zahl der Opfer multiresistenter Bakterien im Jahr 2028 ähnlich hoch sein wird wie vor der Entdeckung des Penicillins 100 Jahre zuvor – verbunden mit Kosten im mehrstelligen Milliardenbereich. Wissenschaftler der Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt arbeiten daher gemeinsam mit klinischen Partnern an innovativen Diagnostik-Tools wie Sensoren, die resistente Erreger rascher aufspüren und rechtzeitig eine maßgeschneiderte Behandlung erlauben.

Sensor leuchtet bei Pneumonie

Multiresistente Bakterien finden sich besonders häufig bei nosokomialen Infektionen wie Pneumonien. Ein Erreger, der eine derartige Pneumonie auslösen kann, ist Klebsiella pneumoniae. Für diesen Superkeim entwickelt die Empa-Forscherin Giorgia Giovannini vom „Biomimetic Membranes and Textiles“-Labor zusammen mit dem Kantonsspital St. Gallen derzeit einen Sensor, der fluoreszierendes Licht abstrahlt, wenn eine Klebsiella-Infektion vorliegt. Dabei reagiert der Sensor auf das Enzym Urease, das die Bakterien produzieren. Im Projekt „Doorstep“ arbeiten die Forschenden an Polymerpartikeln, die einen fluoreszierenden Farbstoff umgeben. Zersetzt die bakterielle Urease das Polymer, kann der Farbstoff seine Leuchtkraft entfalten. Die Diagnostikmethode soll mit einem Rachenabstrich oder einer Sputum-Probe funktionieren. Dies würde es ermöglichen, die Erreger einer Pneumonie in wenigen Stunden anstelle von mehreren Tagen zu bestimmen.

Pflaster warnt vor Wundkeimen

Ein wichtiges Anwendungsgebiet für eine schnelle und präzise Diagnose von resistenten Erregern sind zudem infizierte Wunden. Sie verursachen nicht nur Schmerzen und Gewebeschäden – sie sind auch eine Brutstätte für antibiotikaresistente Superkeime. Ein Team um Giovannini und den Empa-Forscher Dr. Luciano Boesel startet jetzt gemeinsam mit dem Kantonsspital St. Gallen ein Projekt, in dem sie einen Multisensorverband für Wunden entwickeln möchten. Er basiert auf Silica-Nanopartikeln, die in einem widerstandsfähigen Hydrogel aus bioverträglichen Polymeren eingelagert sind. Die Sensortechnologie soll hierbei direkt in das Verbandmaterial integriert werden. Funktionalisiert werden die Nanopartikel mit Substanzen, die Ausscheidungen von bestimmten Bakterien spezifisch anzeigen können.
So sollen die Sensoren auf besonders gefürchtete Wundkeime wie Staphylococcus aureus reagieren und eine Veränderung des Säure-Base-Gleichgewichts in der Wunde anzeigen. Zudem soll das Risiko einer Antibiotikaresistenz rasch sichtbar werden. Da hochpathogene Wundkeime über das Enzym Beta-Lactamase verfügen, mit dem sie bestimmte Antibiotika inaktivieren, enthält der Sensor Farbstoffe, die durch dieses Enzym gespaltet werden. Produzieren resistente Bakterien in der Wunde das Enzym, warnt der Sensor durch ein deutliches Leuchten unter UV-Licht. Im Klinikalltag erlaubt der Wundsensor so eine schnelle kostengünstige Diagnose und eine personalisierte Wundbehandlung.

Aus dem Urin gefischt

Ein weiterer unangenehmer Vertreter aus dem Bakterienreich ist Pseudomonas aeruginosa. Das Stäbchenbakterium kann diverse Krankheiten hervorrufen, darunter Infektionen des Harntraktes etwa über Harnkatheter während eines Krankenhausaufenthaltes. Und auch diese Erreger sind häufig resistent gegen diverse Antibiotika. Ein Team aus Forschenden der Empa und der ETH Zürich hat daher ein Verfahren mit magnetischen Nanopartikeln entwickelt, das die Bakterien schnell und präzise nachweist. Da die Magnetpartikel an Eiweißbausteine gekoppelt sind, die ausschließlich mit P. aeruginosa reagieren, können die Bakterienzellen schließlich über ein Magnetfeld spezifisch aus dem Urin gefischt werden.

In einem nächsten Schritt wird die Empfindlichkeit der Erreger auf verschiedene Antibiotika mit einem Chemilumineszenz-Verfahren analysiert. Sind resistente Bakterien im Reagenzglas, strahlt die Probe Licht ab. Lassen sich die Keime hingegen mit Antibiotika abtöten, bleibt es dunkel. „Alles in allem dauert der Resistenztest rund 30 Minuten – im Vergleich zu mehreren Tagen bei einer klassischen Anzucht von Bakterienkulturen“, sagt Dr. Qun Ren, Gruppenleiterin am „Biointerfaces“-Labor der Empa in St. Gallen. So lässt sich in Kürze die passende Antibiotika-Therapie ermitteln – und dadurch die Entstehung weiterer Resistenzen verhindern.